Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach

7. Sonntag nach Trinitatis, 10. Juli 2005
Meditation zu Johannes 6, 30-35, verfasst von Ulrich Nembach
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)


Brot des Lebens

Meditation zu Johannes 6,30-35 am Abend des 7.7.2005, nach dem Bombenterror in London

Größer kann der Kontrast nicht sein: in London, hier: Tod – dort Jesus: Ich bin das Brot des Lebens. Mit Speise, mit dem Manna in der Wüste, dem Ort des Hungers, spendet Gott, der Vater Jesu, Brot, Leben.

Inzwischen sind Städte, Zentren des Lebens - New York, Madrid, Moskau, London - zu Orten des Todes geworden. Menschen machen sie dazu. Sie wählen sich dafür unschuldige, um ihre Unsicherheit unwissende Menschen. Sie tun das, was unser Strafgesetzbuch hinterlistig, heimtückisch nennt, weil die Arglosigkeit von den Menschen ausgenutzt wird, die ermordet werden. Diese Art zu töten, wird als besonders schändlich, gemein angesehen und deshalb so bewertet, nämlich als Mord. Mord wird mit der Höchststrafe an Jahren in Gefangenschaft gestraft, nicht mit dem Tod. Wer meint, ein Recht zum Töten zu haben, weil sein Vater, sein Sohn, seine Mutter oder wer auch immer zu Unrecht in Afghanistan, im Irak, in Palästina oder sonst wo umkam, hat kein Recht zum Töten in New York, Madrid, Moskau, London. Auch hat niemand das Recht, das Recht in die eigene Hand zu nehmen. Richter, unabhängige Menschen führen einen Prozess, sie urteilen, um allen Gerechtigkeit zu teil werden zu lassen. Gerechtigkeit ist keine einseitige Angelegenheit.

Das wissen die Attentäter auch, sehr genau wissen sie das. Ihre Tat überführt sie. Sie handeln im Verborgenen. Sie haben nichts für ihre Taten vorzubringen. Es gibt keine Begründungen für Mord, Massenmord.

Noch eins, das Entscheidende: Eine Hand voll Sprengstoff zu verstecken, zumal unter ahnungslosen Menschen, ist leicht, aber eine Hand voll Korn zu erzeugen, um Brot zu backen, ist schwer. Wie lange und wie intensiv – mindestens zum Teil – versuchen wir Menschen, den Hunger aus der Welt zu schaffen. Wie wenig weit sind wir gekommen? Wie weit sind wir selbst in Europa? Wir arbeiten uns gerade mühsam an Hartz IV und der Sorge um den eigenen Arbeitsplatz ab. Die Bauern kämpfen um ihre Existenz auf dem Markt. Die Attentäter scheuen die Schwerarbeit. Sie versuchen gar nicht, die Arbeit aufzunehmen.

Sie wählten vielmehr als Zeitpunkt den Tag, an dem endlich ein Weltwirtschaftsgipfel sich des Hungers, des Hungers in Afrika annehmen will, nachdem den Überlebenden der Flutkatastrophe weltweit geholfen wurde. Wie weit sind die Attentäter vom Leben entfernt? Oder wissen sie gar nicht, was sie tun? Ich möchte beten: Herr vergib ihnen – es ist schwer. Ich begreife, was Jesu Bitte am Kreuz bedeutet: "Vater, vergib ihnen; denn sie wissen nicht, was sie tun“ (Lk. 23,34). Durch das Kreuz hindurch schuf Jesus Leben; auf Karfreitag folgt Ostern.

Wir brauchen Gott, der in der Wüste Manna, Brot gibt. Jesus, sein Sohn, der das Leben ist, gibt es weiter. Unsere Sicherheitsdienste, so viel Mühe sie sich geben, so teuer sie sind, sie können uns das Leben nicht garantieren.

Es ist tröstlich, dass gerade dieser Text, gerade er, für den kommenden Sonntag als Predigttext vorgesehen ist. Ein rechtzeitig gestreuter Same, damit wir heute das Brot zum Leben haben.

Kommen Sie; Sie sind eingeladen, am Tisch des Herrn Brot und Wein zu empfangen.

Amen

Prof. Dr. Dr. Ulrich Nembach
ulrich.nembach@theologie.uni-goettingen.de

 


(zurück zum Seitenanfang)