Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach

2. Sonntag nach Trinitatis, 5. Juni 2005
Predigt über Matthäus 22, 1-14, verfasst von Petra Savvidis
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)


Vorbemerkung:

Mehrere Einstiege und Konkretionen sind denkbar – ganz aktuell z.B. der Kirchentag als großes Fest, zu dem alle eingeladen waren, als „himmlische“ Erfahrung für manchen, die sich jetzt behaupten will in der Realität vor Ort - oder auch das „Nein“ der Franzosen zu Europa vom letzten Sonntag – gemeinsam Europa sein, dazu sind immer mehr Länder eingeladen (Ost-Erweiterung), aber die Menschen wollen gar nicht.

Die Gemeinde vor Ort vor Augen, habe ich mich für noch einen anderen Einstieg entschieden.

Der Text ist schwierig und sperrig und das muss in der Predigt auch deutlich bleiben (zu den exegetischen und theologischen Knackpunkten vgl. Ulrich Schoenborn in Pastoraltheologie 94/2005, S. 319-329). Aber: Mit Nachdruck redet das Gleichnis redet davon, dass Gott einlädt, und zwar freundlich und mehrmals, und so muss auch eine Predigt reden. Martin Luther dazu: „Er malets mit schoner farb und nennets ein hochzeit, das ist: nicht ein arbeit zeit, sed freudenzeit, da schickt man sich, singt, pfeift, isst, trinckt, ist frolich, sonst hieße es kein hochzeit …. Sic docet Euangelium esse ein libliche, froliche Predigt, et sey ein recht froliche hochzeit.“ (WA 37, 550f)

Unterstrichen wird dieser einladende Aspekt durch Einladungskarten, die verteilt werden.

Die Predigt über diesen Text sollte in der Abendmahlsfeier Fortsetzung und Konkretion finden. In unserer Gemeinde gehört das Abendmahl zu jedem Gottesdienst dazu.

Predigttext: Matthäus 22, 1-14

Jesus redete in Gleichnissen und sprach:
Das Himmelreich gleicht einem König, der seinem Sohn die Hochzeit ausrichtete. Und er sandte seine Knechte aus, die Gäste zur Hochzeit zu laden; doch sie wollten nicht kommen. Abermals sandte er andere Knechte aus und sprach: Sagt den Gästen: „Siehe, meine Mahlzeit habe ich bereitet, meine Ochsen und mein Mastvieh ist geschlachtet, und alles ist bereit; kommt zur Hochzeit!“ Aber sie verachteten das und gingen weg, einer auf seinen Acker, der andere an sein Geschäft. Einige aber ergriffen seine Knechte verhöhnten und töteten sie. Da wurde der König zornig und schickte seine Heere aus und brachte diese Mörder um und zündete ihre Stadt an. Dann sprach er zu seinen Knechten: „Die Hochzeit ist zwar bereit, aber die Gäste waren´s nicht wert. Darum geht hinaus auf die Straßen und ladet zur Hochzeit ein, wen ihr findet.“ Und die Knechte gingen auf die Straßen hinaus und brachten zusammen, wen sie fanden, Böse und Gute; und die Tische wurden alle voll. Da ging der König hinein, sich die Gäste anzusehen, und sah da einen Menschen, der hatte kein hochzeitliches Gewand an, und sprach zu ihm: „Freund, wie bist du hier hereingekommen und hast doch kein hochzeitliches Gewand an?“ Er aber verstummte. Da sprach der König zu seinen Dienern: „Bindet ihm die Hände und Füße und werft ihn in die Finsternis hinaus! Da wird Heulen und Zähneklappern sein. Denn viele sind berufen, aber wenige sind auserwählt.“

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.

Liebe Gemeinde!

Als im April der englische Kronprinz Charles Camilla Parker Bowles heiratete, sollte es die Hochzeit des Jahres werden. Aber vieles ging schief. Sie durften ohnehin nur standesamtlich heiraten, weil sie beide geschieden sind. Und sie mussten das auf einem ganz normalen Standesamt tun, wo sie sich wie jeder Bürger einen Termin besorgten.

Dann starb der Papst, und seine Beerdigung fand genau an dem festgesetzten Hochzeitstag statt. Charles und Camilla verschoben ihre Hochzeit um einen Tag.

Das Fernsehen berichtete ausführlich, die bunten Blätter waren voll mit Bildern des strahlenden Brautpaares. Viele gönnten den beiden das späte Glück und die Erfüllung ihrer Liebe, auf die sie lange warten mussten.

Aber: nicht alle können gönnen, und ein bisschen Strafe muss offenbar sein: es hatte vor der Hochzeit reichlich Absagen gehagelt. Die europäischen Königshäuser waren höchstens mit Zweit- oder Drittbesetzung vertreten. Bis in die Nachrichten schaffte es die Begründung der Absage der schwedischen Kronprinzessin Victoria: sie musste an dem Tag eine IKEA-Filiale eröffnen. Und besonders schmerzlich war wohl die Absage der Bräutigam-Mutter, der Queen, die nicht beim Ja-Wort ihres Sohnes auf dem Standesamt in Windsor zugegen sein wollte.

Da feiert ein Königssohn Hochzeit, und kaum einer geht hin.
Da wird eingeladen zu einer königlichen Hochzeit, und es gibt die merkwürdigsten Absagen.
Sie merken, wir sind mitten im Predigttext.

Das Gleichnis, das Jesus erzählt hat, ist erstaunlich wirklich. Und das, obwohl es doch nur noch wenige Königssöhne in unseren Zeiten gibt, und noch viel seltener eine Hochzeit, die so misslingt. Die Realität liefert einen guten Einstieg in diesen Predigttext, aber das ist auf den ersten Blick auch schon das einzig Erfreuliche daran. Der Text ist schwierig, er ist sperrig, Martin Luther meinte sogar, er sei „schrecklich“. Im Ohr hängen bleibt der Schluss: „Viele sind berufen, wenige sind auserwählt.“ Und dieses „Heulen und Zähneklappern in der Finsternis“, das denjenigen heimsuchen wird, der nicht richtig angezogen ist. Das sind starke, unbequeme Aussagen und Bilder, und darum ist das ein schwieriger, ein „schrecklicher“ Text. Wir nähern uns ihm vorsichtig.

Jesus hat das Gleichnis gar nicht für Prinzen erzählt, sondern für ganz normale Menschen. Und das Bild von der Hochzeitsfeier ist ein Bild für das Reich Gottes.

Das Himmelreich gleicht einem König, der seinem Sohn die Hochzeit ausrichtete.

Gott lädt ein – uns alle, jeden, jede einzelne von uns – er lädt uns ein, mit ihm zusammen das Leben und die Liebe zu feiern und die Freude darüber miteinander zu teilen. Eine Hochzeit ist immer ein Grund, fröhlich und dankbar zu feiern. Da haben sich zwei in Liebe gefunden und wollen zusammen bleiben, da wird das Leben gemeinsam auf Liebe gebaut, da wollen zwei sich treu sein und füreinander da sein. Eine Hochzeit ist ein gutes Bild für den Glauben und das Reich Gottes. Denn die Beziehung zu Gott will genauso liebevoll gelebt werden und genauso lebenslang geachtet werden wie die Beziehung zwischen Eheleuten. In Jesus ist Gott uns Menschen so nahe gekommen wie nie zuvor. Jesus ist der Grund dafür, dass wir uns über das Leben freuen können und über die Liebe Gottes, die stärker ist als der Tod.

Das Himmelreich gleicht einem König, der seinem Sohn die Hochzeit ausrichtete.

Liebevoll bereitet er alles vor, freundliche Einladungen verschickt er. Die Gäste werden bei ihm herzlich willkommen sein. Wir können uns das vorstellen: da wird das Essen ausgesucht und bestellt, da wird für Musik und Tanz gesorgt, da werden die, die von weither kommen, beherbergt. Die Gäste sollen sich wohl fühlen und unbeschwert feiern können. So bereitet ein guter Gastgeber sein Fest vor. Das macht Mühe und Arbeit, das kostet etwas, aber derjenige, der zum Fest einlädt, nimmt das gern auf sich. Er hat etwas zu feiern, er hat Grund, sich zu freuen und lädt andere ein, sich mitzufreuen. So hat Gott Lust darauf, uns einzuladen. Er will uns gern in seiner Nähe haben.

Und dann lauter Absagen. Keiner will kommen.

Der eine hat wohl etwas Besseres vor, die andere denkt sich: da kenn ich keinen, da geh ich nicht hin. Der dritte hat keine Zeit dafür, oder besser gesagt: er nimmt sich keine Zeit dafür. Und noch eine sagt sich: Ich habe gar keinen Grund zu feiern, mir ist gar nicht danach zumute.

Die eine oder andere Begründung für eine Absage haben wir wohl alle schon mal selbst gebraucht. Wir kennen ja auch beides: Wir können uns sowohl in den Gastgeber hineindenken als auch in die Eingeladenen: hier bei uns auf dem Dorf gibt es viele Feste und Feiern – Vereinsfeste, private Einladungen aller Art – Geburtstage, rund oder nicht, bestandene Prüfungen, Einweihungen, Jubiläen usw. Das ist einerseits wunderschön, dass es so viele Gründe zum Feiern gibt, da kann sich aber andererseits auch schon mal eine Feier-Müdigkeit breit machen. Feste feiern macht aber nur Sinn, wenn es nicht aus irgendeinem Gefühl von Verpflichtung heraus geschieht, sondern aus Freude.

Und genau das ist wohl ein Grund für die vielen Absagen, die Gott erntet, wenn er zum Fest einlädt.

Die Freude fehlt. Die Menschen haben nicht das Gefühl, dass sie etwas zu feiern hätten. Sie haben tausend andere Dinge zu tun, und alle sind wichtiger als die Freude und das Fest.

Dass die Liebe ein Grund ist, zu feiern, haben die Menschen wohl vergessen; dass ein gemeinsames Leben gute Wünsche und fröhliche Hoffnung braucht, das scheint sie nicht zu interessieren. Die Freude fehlt und noch mehr: es fehlt auch die Freundlichkeit, die sich mit anderen freuen kann.

Das Himmelreich gleicht einem König, der seinem Sohn die Hochzeit ausrichtete.

Auf die erste Einladung hin kommt einfach keiner.
Jeder andere Gastgeber würde schmollen. Aber der König im Reich Gottes tut das nicht. Er lädt noch einmal ein. Er lässt seine Boten erzählen, wie schön er alles vorbereitet hat. Den Ochsen hat er geschlachtet, nur das Beste wird aufgetischt. „Kommt doch alle zu mir und lasst uns feiern.“ Aber: beim zweiten Mal werden die Menschen sogar wütend und gewalttätig; sie sind eingeladen, fröhlich zu sein und sich bewirten zu lassen, und sie werden wütend. Fast so, als fänden sie es unverschämt, zu feiern, wenn doch alles schwer und mühsam ist. „Wir haben unsere Sorgen im Kopf und tausend andere Dinge zu tun. Lasst uns in Ruhe mit eurem Fest. Lasst uns unsere Probleme wälzen. Wir haben nichts zu feiern“. Und eigentlich, das steckt ja dahinter, gönnen sie auch niemand anderem, fröhlich zu sein. Bei soviel Missmut und Missgunst wird alles auf den Kopf gestellt. Eine freundliche Einladung erntet Feindlichkeit und Gewalt und zieht wiederum Gewalt nach sich.

Zum drittenmal lädt er ein. Und nun ausdrücklich diejenigen, die abseits stehen, die Randsiedler der Gesellschaft, die Zaungäste der Society. Jesus von Nazareth ist immer zu diesen Menschen gegangen und hat sie in seine Nähe geholt und mit ihnen am Tisch gesessen und gegessen und gefeiert.

Darum ist es sonnenklar, dass sie auch hier in diesem Gleichnis vom Himmelreich vorkommen. Sie gehören dazu. Sie sind von Gott eingeladen. Der Menschensohn ist gekommen, zu suchen und selig zu machen, was verloren ist. (Lk 19, 10) Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid. Ich will euch erquicken. (Wochenspruch Mt 11,28).

Das Himmelreich gleicht einem König, der seinem Sohn die Hochzeit ausrichtete.

Gott ist geduldig, er grollt nicht und ist nicht beleidigt, er lädt unverdrossen ein zu seinem Fest, in sein Himmelreich, damit sich die Menschen mit ihm freuen über das Leben, das ihnen geschenkt ist.

Gott lädt ein: einmal, zweimal, dreimal sogar, er hat den langen Atem, und er erreicht schließlich auch diejenigen, die mit ihm das Fest des Lebens feiern wollen. Er hat diejenigen versammelt, die wenig haben und die darum auch unbeschwerter und leichter leben können und das Leben feiern können. Sie wissen es zu schätzen, dass sie haben, was sie brauchen, und sie brauchen nicht mehr, als sie haben. Dass das Leben ein Geschenk ist und jeder einzelne Tag ein Grund, dankbar zu sein, das wissen die am besten, deren Tage gezählt sind. Dass das Leben Freude macht und trotzdem jeder Tag ein schwerer Tag sein kann, das wissen die am besten, die wenig zu verlieren und viel zu gewinnen haben.

Darauf liegt der Nachdruck in diesem Gleichnis. Gott lädt ein und wird nicht müde, das immer wieder zu tun. Viel geduldiger als irgendein Gastgeber ist er jedenfalls gewillt, das Fest stattfinden zu lassen. Die Hochzeit fällt nicht aus, weil die Gäste keine Zeit haben. Sie findet statt und wird liebevoll vorbereitet, sorgfältig geplant und fröhlich gefeiert. So wird auch das Reich Gottes nicht einfach abgesagt, weil wir Menschen zu beschäftigt sind, hineinzugehen. Es findet statt, es ist da, es wartet auf uns, wir sind eingeladen, dabei zu sein. Vielleicht finden wir für uns selbst gute Ausreden, nicht hinzugehen. Schade eigentlich. Ich verstehe das Gleichnis so, dass die Einladung bestehen bleibt. Gott ist eben richtig hartnäckig.

Aber: ganz zum Schluss ist dann doch von dem Rauswurf die Rede, von einer Kleiderordnung und von den strengen Auswahlkriterien für das Reich Gottes. Und hier ist es dann ein schwieriger, sperriger Text. Darüber hinweg predigen lässt sich nicht. Schauen wir genauer hin:

Einer der Gäste war nicht angemessen angezogen für das Fest, einer hatte sich nicht genug mit der Kleiderordnung beschäftigt. Welche Kleider Gott für uns vorsieht, was Christen gut steht im Reich Gottes, das berichtet z.B. der Kolosserbrief (3,12ff): Als neue Menschen in Christus zieht herzliches Erbarmen an und Freundlichkeit, Demut, Sanftmut, Geduld … über alles aber zieht die Liebe an, die das Band der Vollkommenheit ist.

So eine Kleiderordnung hat nichts mit Geld zu tun oder mit Glamour oder gutem Geschmack, sondern mit einer Einstellung zum Leben und zum Glauben. Wer sich einladen lässt von Gott und sich willkommen fühlt in seiner Nähe, der ist richtig „angezogen“, der wählt ganz von selbst die richtigen Kleider aus und trägt sie gern und voller Überzeugung, und sie werden ihm gut passen und ihn gut kleiden. Wem es aber genau daran fehlt, der ist auch fehl am Platz bei diesem Fest; wer nichts finden will, der hat auch nichts zu suchen.

Das Himmelreich gleicht einem König, der seinem Sohn die Hochzeit ausrichtete.Und er sandte seine Knechte aus, die Gäste zur Hochzeit zu laden.

Freundliche Boten bringen Ihnen jetzt gerade einen Umschlag. Öffnen Sie ihn ….
Sie finden eine Einladungskarte. Und darauf steht: Herzliche Einladung von Gott.
Und dann geht es unterschiedlich weiter:
Auf einer Karte steht: Gott lädt dich ein zu seinem Fest
Oder: Gott lädt dich ein, dich mit ihm über das Leben zu freuen
Oder: Gott lädt dich ein, mit ihm seinen Sohn zu feiern
Oder: Gott lädt dich ein, dich verwöhnen zu lassen
Oder: Gott heißt dich herzlich willkommen in seinem Haus
Oder: Gott lädt dich ein, wenn du mühselig und beladen bist

Und darunter steht dann etwas zum Dresscode, wie wir das in schickeren Einladungen gelegentlich finden: da wird die Kleiderordnung vorgegeben. Aber hier heißt es nicht „Smoking oder Abendkleid“, hier gibt es nur einen kleinen Hinweis auf den Vers im Kolosserbrief: Kol 3,12: Zieht an Freundlichkeit, herzliches Erbarmen….

Und dann steht unter der Einladung noch eine kleine Nachricht in Abkürzung: u.A.w.g. Das heißt übersetzt: um Antwort wird gebeten.

Nehmen Sie diese Einladung mit nach Hause. Ich bin sicher, Sie finden eine Antwort, Ihre Antwort auf diese Einladung. Und Sie werden auch einen Weg finden, sie Gott mitzuteilen.

Wir alle hier als Gottesdienstgemeinde sind gleich wieder eingeladen, miteinander das Abendmahl zu feiern. Das erinnert uns an jedem Sonntag daran, dass Gott uns in Jesus allen Grund zur Freude gibt; es gibt uns einen Vorgeschmack auf das Reich Gottes und die unendliche Gemeinschaft, die uns in seiner Nähe erwartet. In dieser Vorfreude leben wir und glauben wir. Und nichts muss uns daran hindern, der Einladung zu folgen. Wir brauchen nicht warten auf das Reich Gottes, sondern es wartet schon auf uns. Wir brauchen uns nicht zu vertrösten auf ein „späteres Glück“ und die zukünftige Erfüllung, sondern können schon aus der Fülle heraus leben und das voller Freude feiern. Zum Beispiel jetzt im Abendmahl.

Und Gottes Friede, der mehr und größer ist als alles, was wir verstehen können, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.

Lieder: Schmücke dich, o liebe Seele EG 218, 1.5-6; Komm, sag es allen weiter EG 225

Pfarrerin Dr. Petra Savvidis, 59514 Welver
savvidisp@hotmail.com


(zurück zum Seitenanfang)