Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach

Pfingstsonntag, 15. Mai 2005
Predigt über Johannes 16, 5-15, verfasst von Christoph Dinkel
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)


Der Predigttext für das heutige Pfingstfest ist jenen Abschiedsreden entnommen, die Jesus dem Johannesevangelium nach an seine Jünger gerichtet hat, bevor er verhaftet und ermordet wurde. In diesen Abschiedsreden kündigt Jesus das Kommen des Heiligen Geistes an. Der Heilige Geist wird als Tröster und Beistand die Stelle Jesu vertreten. Jesus bezeichnet den Heiligen Geist dabei auch als Geist der Wahrheit. Ich lese Johannes 16, die Verse 5-15.

Jetzt aber gehe ich hin zu dem, der mich gesandt hat; und niemand von euch fragt mich: Wo gehst du hin? Doch weil ich das zu euch geredet habe, ist euer Herz voll Trauer.

Aber ich sage euch die Wahrheit: Es ist gut für euch, dass ich weggehe. Denn wenn ich nicht weggehe, kommt der Tröster nicht zu euch. Wenn ich aber gehe, will ich ihn zu euch senden. Und wenn er kommt, wird er der Welt die Augen auftun über die Sünde und über die Gerechtigkeit und über das Gericht; über die Sünde: dass sie nicht an mich glauben; über die Gerechtigkeit: dass ich zum Vater gehe und ihr mich hinfort nicht seht; über das Gericht: dass der Fürst dieser Welt gerichtet ist.

Ich habe euch noch viel zu sagen; aber ihr könnt es jetzt nicht ertragen. Wenn aber jener, der Geist der Wahrheit, kommen wird, wird er euch in alle Wahrheit leiten. Denn er wird nicht aus sich selber reden; sondern was er hören wird, das wird er reden, und was zukünftig ist, wird er euch verkündigen. Er wird mich verherrlichen; denn von dem Meinen wird er’s nehmen und euch verkündigen. Alles, was der Vater hat, das ist mein. Darum habe ich gesagt: Er wird’s von dem Meinen nehmen und euch verkündigen.

Liebe Gemeinde!

Wenn ein Mensch gestorben ist, dann fällt einem erst richtig auf, was er oder sie für einen bedeutet hat. Natürlich weiß man auch schon zu Lebzeiten, was man am anderen hat. Aber richtig auffällig wird einem die Bedeutung eines Menschen vor allem dann, wenn er nicht mehr da ist: die Stille in der Wohnung, das ausbleibende Echo bei Tisch, die Einsamkeit der Abende. Erst wenn man den anderen vermisst, fällt einem ein, was man gerne noch mit ihm oder ihr besprochen, was man gerne noch gefragt oder gemeinsam bedacht hätte. Es braucht zumeist eine lange Zeit, bis man sich an diese neue Situation des Alleinseins gewöhnt. Und wenn der Mensch, der nun fehlt, der langjährige Ehe- oder Lebenspartner war, dann wird man sich vielleicht nie an dessen Fehlen und an die Stille und das ausbleibende Echo gewöhnen. Es gibt Verluste, die nicht auszugleichen sind. Es gibt Schmerzen und Verletzungen, die nicht mehr heilen, selbst wenn man irgendwann, irgendwie mit ihnen zu leben lernt.

Für die Jüngerinnen und Jünger Jesu war der Tod Jesu eine ähnlich einschneidende Erfahrung wie der Verlust eines Ehe- oder Lebenspartners. Sie waren ja nicht nur irgendwelche Anhänger und Fans von Jesus gewesen, sondern Jüngerinnen und Jünger, die ihr Leben, ihre Einstellungen, all ihre Vorhaben und Pläne auf ihn und auf seine Botschaft vom kommenden Reich Gottes ausgerichtet hatten. Entsprechend ratlos und verwirrt haben sie auf die Verhaftung und Verurteilung Jesu reagiert: Erst haut Petrus tollkühn aber sinnlos mit dem Schwert drein, um seinen Herrn zu schützen. Kurz darauf lässt derselbe Petrus Jesus im Stich und leugnet, ihn überhaupt zu kennen. Die Angst macht die Jünger Jesu kopflos und deshalb muss Jesus seinen schweren Weg in den Tod alleine gehen.

Das Johannesevangelium beschreibt den Abschied Jesu ganz im Horizont seiner Auferstehung. Die Abschiedsreden Jesu sind vom Evangelisten als Reden eines Kommenden entworfen, eines Kommenden, der sich sicher ist, eine Zukunft zu haben, zusammen mit seinen Jüngerinnen und Jüngern. Jesus wagt in seinen Abschiedsreden daher den Ausblick auf Ostern, aber auch auf die Zeit, wenn er gar nicht mehr bei seinen Jüngerinnen und Jüngern sein wird, wenn er also – in den Worten des Johannesevangeliums – zu seinem himmlischen Vater heimgegangen ist. In diese Zeit, die Zeit nach Himmelfahrt und Pfingsten, gibt Jesus einen Ausblick und er ahnt, welche Sorgen und Zweifel seine Jüngerinnen und Jünger dann umtreiben werden. Diesen künftigen Sorgen stellt sich der Jesus des Johannesevangeliums bei seinem Abschied. Und auch wenn unsere Ausdrucksformen heute andere sind: die Sorgen und Zweifel, auf die Jesus eingeht, könnten auch unsere sein.

Der Schmerz über den Verlust seiner konkreten Anwesenheit, so imaginiert es der abschiednehmende Jesus, wird seine Jüngerinnen und Jünger in tiefe Zweifel stürzen. Wenn die Faszination seiner unmittelbaren Gegenwart weggefallen ist und seine Jüngerinnen und Jünger in ihrer Einsamkeit viel Zeit zum Nachdenken und Grübeln haben, dann werden sie sich fragen, ob Jesus wirklich von Gott kam. Und wenn die Lage dann auch noch schwierig wird, wenn es zu Widerständen oder gar zur Verfolgung der Gemeinde kommt, wird sich eine zweite Frage stellen: Ist Gott wirklich stärker als der Satan? Ist das Gute wirklich mächtiger als das Böse, wie Jesus es immer behauptet hat und wofür Jesus mit seinem Leben einstand? Und all diese Fragen und Zweifel werden sich bündeln in der Frage, ob der christliche Glaube wirklich die richtige Religion ist, oder ob nicht alles eine Täuschung war und man sich nicht lieber in die neue Situation schicken und auf hochfliegende Hoffnungen und Erwartungen verzichten sollte.

Dass all diese Fragen und Zweifel kommen, hält der abschiednehmende Jesus für erwartbar und normal. Dass auch uns heute manchmal solche Fragen und Zweifel kommen, ist insofern nicht verwunderlich, auch wenn wir modernen, nachaufgeklärten Menschen uns mit diesen Fragen sehr originell und klug vorkommen. Fragen und Zweifel wie diese, so nimmt der Jesus der Abschiedsreden in einer gewissen Abgeklärtheit an, gehören dazu, sie bilden gleichsam die Rückseite des hohen Anspruchs und des gewaltigen Aufbruchs, den der christliche Glaube darstellt. Fragen und Zweifel wie diese sind geradezu erforderlich, damit der christliche Glaube wachsen und reifen kann. Nur das Aushalten solcher Probleme führt über die blinde Begeisterung des ersten Augenblicks und des unmittelbaren Eindrucks hinaus. Erst die Überwindung des Zweifels macht den Glauben fest und gewiss.

Warum aber ist der christliche Glaube so riskant, dass er so erwartbar in die Krise führt und schon der abschiednehmende Jesus die Sorgen und Probleme künftiger Generationen vorwegnehmend reflektiert? Der christliche Glaube vertritt eine einseitige Sicht der Welt. Das macht seine Riskanz aus. Der christliche Glaube setzt ganz einseitig auf die Liebe, auf das Leben, auf Gerechtigkeit und Frieden. Das heißt zugleich, dass der christliche Glaube sich gegen Hass und gegen den Tod wendet und gegen die Ungerechtigkeit und gegen den Krieg.

Im Namen des Lebens und der Liebe hat Jesus Kranke geheilt und an den Rand Gedrängte an seinen Tisch geladen. Im Namen des Lebens und der Liebe hat Jesus eine Ehebrecherin vor der sicheren Steinigung gerettet und die Friedfertigen selig gepriesen. Und in all diesen Worten und Taten, das ist die besondere Botschaft des Johannesevangeliums, hat Jesus offenbart, dass Gott selbst die Liebe ist, die die Menschen und die Welt von aller Zerstörung befreien will. In Jesus tritt Gott für das Leben und gegen die Gewalt ein. Er nimmt den Kampf mit den Mächten der Zerstörung, den Kampf mit dem Bösen, dem Fürst dieser Welt auf und besiegt ihn. Der Fürst dieser Welt, der tödliche Kreislauf aus Gewalt und Gegengewalt wird durchbrochen, indem Jesus sich der Wut der Menschen ausliefert und sie ihren blinden Hass an sich austoben lässt. Der Fürst des Lebens gibt sich dem Fürst dieser Welt preis und erweist sich gerade darin als ihm überlegen. Jesus verweigert dem Satan das Eingehen auf dessen Spiel der Gewalt und stürzt ihn gerade so von seinem Thron.

„Ich sah den Satan vom Himmel fallen wie einen Blitz“ – dieser Satz wird von Jesus im Lukas-Evangelium überliefert (Lukas 10,18). Und in dieser Gewissheit, dass der Satan, der Fürst dieser Welt, gestürzt ist und verloren hat, wagt es Jesus von Gottes kommender Welt zu sprechen und sie in seinen Worten und Taten Realität werden zu lassen.

Kein Wunder, dass dieser Glaube riskant und von Zweifeln und Fragen bedroht ist. Die Gewalt des Todes erscheint auch heute vielfach ungebrochen. Wir gedenken in diesen Tagen des Endes des Zweiten Weltkriegs, der 60 Millionen Menschen das Leben gekostet hat. Wir gedenken der zahllosen Opfer des Nationalsozialismus, der Millionen abgeschnittener Lebensgeschichten. Welch ein Triumph höllischer Mächte war das!

Und dennoch würde keiner von uns behaupten wollen, dass Gott damals auf der Seite der nationalsozialistischen Verbrecher stand. Am Urteil über ihre Untaten besteht unter uns kein Zweifel. Es waren satanische Mächte am Werk, als in Deutschland Juden und Kommunisten, Behinderte und Schwule, bekennende Christen und Sinti und Roma verfolgt und ermordet wurden. Auch wenn der christliche Gott der Liebe in den Konzentrationslagern millionenfach geschändet und ermordet wurde, so bleibt doch die einseitig-kühne Option des christlichen Glaubens fest und beständig: Gott ist ein Gott des Lebens, der Liebe und der Gerechtigkeit. Und bei allen Triumphen der Zerstörung werden wir nicht aufhören, beim Gott des Lebens das Heil zu suchen.

Mit seiner Einseitigkeit und mit seinem ethischen Rigorismus stößt das Christentum gerade unter manchen Intellektuellen in Deutschland derzeit auf eine gewisse Skepsis. Sonst durchaus verehrungswürdige Literaten und Philosophen unterstellen, dass monotheistische Religionen und damit auch das Christentum Gewalt in hohem Maße erst erzeugen. Man verweist dazu auf die lange Reihe an Gräueltaten, die im Namen des Christentums oder durch solche, die sich Christen nannten, begangen wurden. Als Alternative zum Christentum wird der antike Polytheismus ins Spiel gebracht. Der Polytheismus, die Verehrung mehrerer Gottheiten, sei unserer pluralen Kultur angemessener. Im Polytheismus lasse man andere Menschen mit abweichender Meinung viel eher neben sich leben. Das monotheistische Christentum hingegen erzeuge einen Meinungsterror, der schließlich nur in Gewalt und Krieg enden könne.

Was soll man gegen solche Anwürfe vorbringen? Zunächst einmal dies, dass es nach allem, was wir wissen, auch in polytheistischen Kulturen massenhaft Gewalt, Tod und Terror gab. Die großen Werke antiker Literatur erzählen unablässig vom Krieg als dem Vater aller Dinge, sie berichten von Kindermord, Ehegattenmord und zahlreichen sinnlosen Gemetzeln. Man erinnere sich nur an Homers Ilias und Odyssee. All die Taten und Untaten der antiken Helden werden dabei den verschiedenen, miteinander in Konkurrenz stehenden olympischen Gottheiten als Letztursache zugeschrieben. Gewalt, selbst sinnlose Gewalt, wird damit in gewisser Weise verständlich gemacht und legitimiert. Soll uns das ein Vorbild sein?

Aber noch etwas anderes lässt sich gegen das Lob des Polytheismus vorbringen. Der französisch-amerikanische Religionsphilosoph René Girard hat darauf hingewiesen, dass in der christlich-jüdischen Tradition wie nirgends sonst die Gewalt der Menschen entlarvt und angeprangert wird (vgl. Zeit-Interview 13/2005: Jesus, unser Sündenbock). Girard behauptet, dass der Mensch im Grunde immer das begehrt, was andere auch begehren. Es bestehe eine ständige Konkurrenz um knappe Güter. Das kann eine Konkurrenz um Nahrung oder um Reichtum sein, aber auch um Aufmerksamkeit, Zuneigung und Liebe. Das Begehren der Menschen führt unausweichlich zu einem tödlichen Konflikt, in dessen Verlauf ein Sündenbock gesucht wird, dem man dann die ganze Schuld geben kann. Dieser Sündenbock wird umgebracht oder in die Wüste geschickt. Die gemeinsame Bluttat stellt die Gemeinschaft und den Frieden unter den Menschen wieder her, was noch einmal die Schuld des Sündenbocks bestätigt. Bald jedoch eskaliert der Konflikt des allseitigen Begehrens erneut und man muss sich auf die Suche nach einem neuen Sündenbock begeben.

Girard entfaltet seine Theorie vor allem an antiken Religionen und am Sündenbockritual des Buches Levitikus in der Bibel. Aber die Sache lässt sich auch in modernen Zeiten verifizieren. Das nationalsozialistische Regime funktionierte nach genau diesem Muster: Für alle Unbill und alle Demütigungen, die dem deutschen Volk angeblich widerfahren waren, wurden nach und nach immer neue Sündenböcke gesucht: Kommunisten und Juden, die entartete Kunst und die verweichlichte Literatur der Intellektuellen und so weiter. In einer gemeinsamen großen Anstrengung galt es dann, den ausgemachten Sündenbock auszumerzen. Erst steckte man die Sündenböcke ins Gefängnis oder drängte sie ins Ausland. Dann ging man dazu über, sie in Lager zu schicken und umzubringen. In einem kollektiven Blutrausch vollzog man gemeinsam das Opfer des Sündenbocks. Auch die evangelische Kirche hat bei diesem blutigen Opfer mitgewirkt. Evangelische Pfarrer jüdischer Herkunft wurden aus dem kirchlichen Dienst entlassen. Ihrer Ermordung hat man zumeist ohne Widerspruch zugesehen. Wäre der Krieg nicht 1945 zu Ende gegangen, so hätte es bald neuer Sündenböcke bedurft. Einige brachten dabei schon das Christentum ins Spiel.

Das Perfide am kollektiven Sündenbockopfer ist, dass alle, so lange sie nicht selbst zum Opfer werden, zutiefst von der Schuld des Opfers überzeugt sind. Zum ersten Mal in der menschlichen Religionsgeschichte, so Girard, wird dieser tödliche Mechanismus im vierten Gottesknechtslied in Jesaja 53 aufgedeckt. Hier entdecken Mörder, dass sie gemeinsam einen Unschuldigen umgebracht haben. Sie erkennen, dass der Ermordete ihre eigene Schuld getragen und auf sich genommen hat und an ihrer Stelle zu Tode kam: „Fürwahr, er trug unsre Krankheit und lud auf sich unsre Schmerzen. Wir aber hielten ihn für den, der geplagt und von Gott geschlagen und gemartert wäre. (Jesaja 53,4) Die Mörder des Unschuldigen wähnen bei ihrer Tat Gott auf ihrer Seite. Sie fühlen sich auf der richtigen Seite und sind voll moralischem Überlegenheitsgefühl. Erst später erkennen sie, dass Gott nicht auf ihrer Seite, sondern auf der Seite ihres Opfers stand und dass Gott ihrem Opfer neues Leben verheißt, weil es Gottes Auftrag so treu ausgeführt hat.

Zum zweiten Mal wird der Mechanismus des Sündenbocks vom Christentum entlarvt. Die ersten Christen verstehen den Tod Jesu nach dem Vorbild des Gottesknechts aus dem Jesajabuch. Auch die Mörder Jesu, die jüdische Tempelaristokratie und die römische Besatzungsmacht wähnen dabei Gott auf ihrer Seite. Jesus wird als Gotteslästerer und Aufrührer hingerichtet. An ihm toben sich die Gewalt und der Hass der Menge aus. Es ist gut, dass ein Mensch stirbt für das ganze Volk, sagt lapidar der Hohepriester Kaiphas und gibt damit den Anstoß zum kollektiven Mord (Johannes 18,14).

Die Leistung des Christentums, so Girard, ist es, dass es den Mechanismus des Sündenbockopfers schonungslos aufgedeckt hat. Das Christentum behaftet den Menschen gnadenlos bei seiner Verantwortung für seine Gewaltbereitschaft und seine Gewalttaten. Es hält ihm den Spiegel vor und zeigt ihm seine Gier nach dem Besitz und der Anerkennung, die sein Nächster erfährt. Sünde nennt die Bibel diesen heillosen Trieb des Menschen. Der Geist der Wahrheit, den uns Jesus mit Pfingsten sendet, klärt uns über diese Sünde auf. Und in der Erkenntnis der Sünde wird das Gericht über den Fürst dieser Welt offenbar: Gott ist nicht ein Verbündeter der Mörder, Gott steht bedingungslos auf der Seite des Opfers und schenkt ihm neues Leben.

Die Neigung zur Gewalt, so Girard, steckt nicht in der Religion, sie steckt im Menschen. Und die Stärke des recht verstandenen Christentums ist es, den Menschen schonungslos bei seinem Neid und bei seiner Bereitschaft zur Gewalt zu behaften. Wer heute das Christentum für die Gewalt in der Welt verantwortlich macht, so Girard, leugnet wieder, dass Neid und Gewalt im Menschen selbst liegen und schiebt damit die Schuld von sich weg auf andere. Das Lob des Polytheismus erscheint auf diesem Hintergrund als eine verkappte Leugnung der eigenen Gewaltbereitschaft. Statt sich an die eigene Brust zu schlagen, zeigt man lieber auf andere und macht sie zum Sündenbock. Statt ein Gewissen zu haben, macht man sich zum Gewissen für alle anderen und stilisiert sich selbst zum einzig Unschuldigen.

Der abschiednehmende Jesus bereitet seine Jüngerinnen und Jünger auf den Verlust seiner Gegenwart vor. Er nimmt ihre Traurigkeit und ihren Zweifel an der Wahrheit seiner Sendung vorweg. Vieles wird gegen ihn und seine einseitige Botschaft von Frieden, Leben und Gerechtigkeit sprechen. Die Gewalt wird weiter Triumphe feiern, obwohl der Fürst dieser Welt gerichtet ist. Die Menschen werden immer neue Einfälle haben, um ihren tödlichen Neid und ihre zerstörerische Gewaltbereitschaft leugnen zu können. Alle diese Zweifel und Einsprüche, so der Abschiednehmende, sind erwartbar. Mit ihnen muss man rechnen, wenn man eine so kühne und einseitige Option vertritt. Das alles jedoch soll Jesu Jüngerinnen und Jünger, die damals und auch uns heute, nicht erschrecken und irre machen. Gott bleibt bei seinem Urteil. Gott stellt sich gegen den Hass und den Tod, gegen den Krieg und die Ungerechtigkeit. Gott steht ganz einseitig auf der Seite der Liebe, der Gerechtigkeit und des Frieden. Gott will unser Leben und unser Heil. Sein Heiliger Geist tröstet und begleitet uns. Er wird uns durch alle Zweifel und Fragen hindurchführen und uns in alle Wahrheit leiten. – Amen.

Prof. Dr. Christoph Dinkel
Pfarrer
Gänsheidestraße 29
70184 Stuttgart
E-Mail: christoph.dinkel@arcor.de
Internet: http://www.uni-kiel.de/fak/theol/personen/dinkel.shtml

 

 


(zurück zum Seitenanfang)