Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach

Kantate, 24. April 2005
Predigt über Johannes 16, 5-15, verfasst von Hanne Sander (Dänemark)
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)


Sollte jemand den Text schwer verständlich finden, so kann ich dem nur zustimmen. Der Evangelist Johannes, der ihn geschrieben hat, ist nicht leicht zu verstehen, und es kommt noch hinzu, daß wir mitten in eine Rede hineinkommen, weil wir nur einen kleinen Teil einer Rede gehört haben, die sich über drei Kapitel erstreckt.

Man muß sich Johannes vorstellen, der das Evangelium geschrieben hat. Man rechnet damit, daß es um das Jahr 90 geschrieben ist, also etwa 60 Jahre nach dem Tod Jesu. Das ist, wie wenn jemand heute aus der Zeit von 1915-45 erzählen würde.

An Ende seines Lebens lebte Johannes auf der griechischen Insel Patmos - und nun sitzt der alte Johannes und schreibt die Geschichte von Jesus nieder, so wie er sie gehört und verstanden hat.

Und die Geschichte muß notwendigerweise von hinten geschrieben werden. Wir gehen davon aus, daß Johannes einer der zwölf Jünger war, und im Lichte des Todes und der Auferstehung Jesu ruft Johannes das Leben Jesu in Erinnerung, um selbst zu verstehen, was es für ihn bedeutet hat. Dann will er es niederschreiben und so anderen weitergeben.

Und wenn er nun zurückdenkt, dann ist es verständlich, daß es auch den Jüngern schwer fiel zu verstehen, was Jesus meinte, als er sich von ihnen verabschiedete.

Wie konnte er meinen, daß es für sie das Beste sei, daß er fortging? Johannes hatte es nicht selber miterlebt, aber er hatte im Evangelium von Matthäus gelesen, daß da einmal eine Episode mit Petrus stattgefunden hatte, als Jesus davon sprach, daß Ostern in Jerusalem für ihn Gefangennahme, Leiden und Tod bedeuten würde. Allein der Gedanke daran ließ Petrus protestieren. Petrus konnte zu diesem Zeitpunkt überhaupt nicht den Gedanken, daß Jesus der Sohn Gottes war, damit verbinden, daß er sterben sollte. Nein, als sie mit Jesus zusammenwaren - und davon überzeugt waren, in ihm Gott selbst zu sehen, daß er der Sohn Gottes war, da hatten sie sich vorgestellt, daß Gott über Niederlagen, Leiden und Tod erhaben sei. Jetzt aber im Nachhinein kann Johannes sehr wohl sehen, wie wenig sie eigentlich vom Wesen Gottes verstanden hatten, als Jesus lebte. Daß Gott und Jesus zwei Seiten ein und derselben Sache waren, das ging ihnen erst allmählich nach dem Tode Jesu auf. Und so gesehen konnte Johannes gut verstehen, daß Jesus sterben mußte, damit die Jünger und alle anderen Menschen verstehen konnten, daß die Liebe Gottes zu den Menschen so groß war, daß Gott den Menschen entgegenkommen würde und ihr Geschick teilen würde, auch wenn das Verfolgung und Tod bedeutete.

Das kann Johannes jetzt sehr wohl sehen, daß sie diesen Gedanken nicht ertragen konnten, als Jesus noch lebte und sie mit ihm zusammenwaren. Sie mußten das erst aus der Distanz sehen können.

Gleich nach dem Tode Jesu hatten sie nämlich gemeint, daß der Tod ein Fiasko für Menschen und für Gott bedeutete. Sie hatten das Gefühl, Gott sei abwesend, er habe sie im Stich gelassen, und sie seien wieder sich selbst überlassen. Aber dann hatten sie erlebt, daß das Gegenteil der Fall war. Jesus war auferstanden und war bei ihnen in einer neuen Weise, und Gott war nah wie nie zuvor - und nun wußten sie, daß nicht einmal der Tod Menschen von Gott trennen konnte, wenn Gott auch den Tod in sich tragen konnte.

Wie aber soll man von dem Leben reden können, das ganz anders und neu geworden ist. Wie beschreiben wir selbst Erfahrungen, die wir gehabt haben, wenn wir sagen: Ich bin ein ganz neuer Menschen geworden.

Der Prophet Jesaja gebraucht ein sehr starkes Bild, wenn er die Veränderung zu neuem Leben beschreiben will: Das ist, wie wenn man ein neues Herz bekommt, sagt er. Gott entfernt das Steinherz aus eurem Körper und gibt euch ein Herz aus Fleisch - lebendig und beweglich.

Genauso stark wird von Paulus erzählt, wie sich sein Leben veränderte. Das Harte in seinem Herzen verschwindet - und sein Leben erhält eine neue Richtung. Paulus ist ein Beispiel für einen Menschen, der von der Wahrheit über sein Leben eingeholt und zu einem überzeugten Christen wird. Paulus war dafür bekannt gewesen, ein besonders eifriger Verfolger der Christen gewesen zu sein, aber er wird eines Tages von einem gewaltigen Licht überfallen, während er unterwegs ist. Er kann überhaupt nichts sehen und fällt vom Esel - und dann hört er eine Stimme, die sagt: Saulus, Saulus, warum verfolgst du mich? Dieses starke Erlebnis bedeutet, daß Paulus drei Tage lang daniederliegt, wo er weder sehen, essen noch trinken kann. Er ist wirklich durch das Wort Gottes getroffen. Als drei tage vergangen sind, kommt jemand aus der christlichen Gemeinde, der Ananias heißt, und legt ihm seine Hände auf, so daß er wieder sehen kann. Und dann erhebt sich Paulus, wird getauft und beginnt wieder zu essen. Er steht fast auf vom Tode zu neuem Leben, und er ist davon überzeugt, daß Jesus, den er zuvor verfolgt hatte, der Sohn Gottes ist.

Nun meine ich nicht, daß alle so gewaltige Erlebnisse haben sollen. Aber wir können auch Augenblicke der Klarheit haben, wo uns wirklich ein Licht aufgeht, oder wo zu uns so geredet wird, daß das Gehörte für uns plötzlich überzeugend wird und voll von Bedeutung.

Johannes will gerne einen neuen Namen für die Klarheit oder Ergriffenheit finden, die wir erleben können - und er nennt es Tröster, den Tröster Gottes. Und er sagt schließlich am Ende unseres Textes, daß die Klarheit nicht auf einmal kommt. Sie ist stets auf dem Weg e zu uns.

Die Wahrheit in unserem Leben und die Wahrheit über unser Leben sind ein Prozeß. Und es gibt nur eine Art und Weise, in der wir herausfinden können, ob das Christentum das neue Leben enthält und die Veränderung des Herzens - und das ist so zu leben, als wäre es war, und es auf die Erfahrung ankommen lassen. Es muß sich im Leben eines jeden einzelnen Menschen bewahrheiten. Amen.

Pfarrerin Hanne Sander
Prins Valdemarsvej 62
DK-2800 Gentofte
Tel.: ++ 45 - 39 65 52 72
e-mail: sa@km.dk

 


(zurück zum Seitenanfang)