Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach

Ostermontag, 28. März 2005
Predigt über Lukas 24, 36-45, verfasst von Rudolf Rengstorf
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Liebe Gemeinde!

"Der Herr ist wahrhaftig auferstanden!" Diese Botschaft hatte sich unter den Jüngern verbreitet und war voller Freude von ihnen aufgenommen worden. Die Frauen hatten erzählt, sie hätten sein Grab leer gefunden und von einem Engel die frohe Kunde gehört. Petrus sollte er erschienen sein. Und nun waren die beiden, die nach Emmaus aufgebrochen waren, zurückgekommen und erzählten, sie seien einem Fremden begegnet, der ihnen erklärt habe, dass der Kreuzestod ihres Herrn dem Willen Gottes entsprochen habe. Und dann beim gemeinsamen Abendessen hätten sie in dem Fremden Jesus selbst erkannt, der dann aber gleich verschwunden sei. "Der Herr ist wahrhaftig auferstanden!" frohlockten sie.

Auf der anderen Seite machten sich auch Bedenken und Zweifel breit: Ein leeres Grab war noch kein Beweis für eine Auferstehung von den Toten. Vielleicht war der Leichnam einfach nur gestohlen worden. Und dass Frauen von Engeln erzählen, war ja nichts Neues. Ja, und die Erscheinungen? Merkwürdig, dass der Erschienene gleich wieder verschwunden war - so wie man das ja auch von Träumen oder Halluzinationen kennt. Und wenn er tatsächlich auferstanden war, wo bitteschön war er dann, und warum war er nicht da, wo er immer gewesen war, nämlich bei ihnen? Und überhaupt: Wie sollte man sich das vorstellen: ein Toter und doch wieder lebendig? Über diese Frage diskutierten sie, diskutierten so, wie man das allerorten heute auch noch tut, wenn von Auferstehung Jesu die Rede ist.

Und plötzlich ist er, von dem sie gerade reden, mitten unter sie getreten. Sie sind vom Schrecken natürlich wie gelähmt. Ein Gespenst, ist ihr erster Gedanke, und voller Schaudern richten sie sich auf so etwas wie eine spiritistische Sitzung ein, die Aufschluß geben würde über das Leben nach dem Tode. Denn was sonst ist von einem zu erwarten, der aus dem Tode kommt?

Jesus aber - und darauf liegt der Ton dieser Geschichte - holt sie sehr entschieden in die Wirklichkeit dieser materiellen und damit natürlich auch vergänglichen Welt zurück. Mensch, sagt er, hört doch auf, mich wie ein übersinnliches Wesen anzustarren. Seht mich bitte genau an. Ich bin noch derselbe, als den ihr mich habt sterben sehen: hier seht die Nägelmale an Händen und Füßen. Gespenster und körperlose Seelen pflegen so etwas nicht zu tragen, nicht wahr?

Und wenn er, der Auferstandene, sich als der Gekreuzigte zeigt, dann bekennt er sich damit ja ausdrücklich zu dem Leben, das ihm das Leben gekostet hat. Nichts davon, liebe Jünger - sagt er mit dem vorzeigen seiner Wunden -, nichts davon ist jetzt vorbei. Das mit der Kreuzigung war keine bedauerliche Panne im Leben eines ansonsten so edlen Mannes - eine Panne, die durch seine Auferstehung nun gottseidank behoben ist. Nein, Jesus will nach wie vor als der Gekreuzigte und nur als der Gekreuzigte erkannt werden. Er will erkannt, verehrt und gefeiert werden als der Mann, der im Namen Gottes überall zwischen die Fronten des Lebens ging und sich da aufrieb. Ostern streicht das Kreuz nicht durch, hebt es nicht auf. Im Gegenteil: Zu Ostern sagt der Gekreuzigte: Ich mache weiter! Und zwar nicht in irgendeiner Hinterwelt oder versteckt hinter Kirchenmauern, sondern ich mache weiter da, wo sich das ganz normale Leben abspielt - wo gegessen und getrunken wird. - Ach übrigens, liebe Freunde - sagt er zu seinen Jüngern - habt ihr nicht was zu essen? Ich mache weiter da draußen, wo die einen den Hals nicht voll genug kriegen können und die anderen verhungern müssen.

Ich mache weiter. Denn seht mal, darauf läuft doch alles hinaus, was angefangen bei Mose über die Psalmen bis hin zu den Propheten über Gott und die Welt gesagt ist: dass Gott mit dieser Welt und mit diesem Leben seine guten Absichten verfolgt, dass er der gute Hirte unseres Lebens ist, dem wir uns auch im finsteren Tal anvertrauen dürfen und dass er uns zu seinen Mitarbeitern haben will, die dieser Erde ein menschliches Antlitz geben. Darauf läuft doch alles hinaus, dass dies auch bis zur letzten Konsequenz bewährt wird. Das ist der Auftrag meines Lebens, Gottes heilsamen Willen und seinen damit verbundenen Anspruch bis ins letzte zu bewähren. Und damit ihr Lieben mache ich jetzt weiter!

Und wie soll das aussehen? Da brauchen wir uns nur selber und unsere Lebens- und Betätigungsmöglichkeiten anzusehen, um einen Begriff davon zu bekommen, wie das aussehen soll. Denn Jesus macht weiter mit denen, die er seit Ostern anspricht. Er macht weiter mit Petrus und Johannes, mit Jakobus und Andreas und den anderen. Er macht weiter mit allen, die neu dazu kommen: mit Paulus und den Gemeinden, die in aller Welt entstanden sind. Er macht weiter auch mit Ihnen und mit mir Er macht weiter mit dem, was Gott uns mitgegeben hat an Möglichkeiten, das Leben wahrzunehmen und zu gestalten und zu teilen.

Der Auferstandene lässt die Diesseitigkeit also nicht hinter sich und gibt keinerlei Anlass. über das Leben nach dem Tod zu spekulieren. Und Leute, die an ihn glauben, sich an ihn halten, sind keine weltabgewandter Spinner. Denn er ruft uns hinein in diese von Gott geschaffene Welt. So gewiss er sich als Sterbender in Gottes Hand wußte, so eindeutig ruft er uns auf, das Leben vor dem Tod nach Gottes Willen zu gestalten.

Gewiß, wenn einer, dann hätte er Grund gehabt, nach dem Tode diesen Leib, der uns dem Leiden aussetzt und an die Vergänglichkeit bindet, selig abzustreifen und ganz einzugehen in eine darüber liegende geistige Welt und den hier noch im Leib Gefangenen Signale zu senden, die in meditativer Versenkung empfangen werden können.. Das wäre eine Auferstehung, die dem Welt- und Lebensempfinden vieler Menschen - übrigens nicht erst in unserer Zeit – entgegen käme.

Die Ostergeschichten aber erzählen: Er, der den Tod hinter sich hat nach einem weiß Gott nicht leichten Leben, er stiftet seine Anhängerinnen und Anhänger dazu an, mit ihm hier auf Erden weiterzumachen. Und wenn er es ist, der dieser Erde die Treue hält, dann hat das schon etwas zu sagen. Schließlich war er kein Glückskind, das nur die Sonnenseiten des Lebens kennen gelernt hätte und nun zurückkäme mit der Botschaft: Freunde, das Leben ist lebenswert! Das hätte nicht viel zu bedeuten. Wenn aber er, der durch die tiefsten Tiefen musste, trotz des Todes zum Weitermachen auffordert, dann muss am Leben mehr und am Tode weniger dran sein, als wir zu glauben uns angewöhnt haben. Wohl dies: dass der Gott, der uns das Leben schenkt und zutraut, unsterblich treu ist! Amen.

Superintendent Rudolf Rengstorf
Wilhadikirchhof 11
21682 Stade
Rudolf.Rengstorf@evlka.de

 

 


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