Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach

Ostersonntag, 27. März 2005
Predigt über Matthäus 28, 1-10, verfasst von Erich Faehling
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)


Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater und dem Herrn, Jesus Christus. Amen.

Wann hat Euch eigentlich zum letzten Mal jemand die Ostergeschichte erzählt? Halt Stop, ich meine die wirkliche, die wahre, die echte Ostergeschichte. Die von Kreuz und Auferstehung Jesu, nicht die vom Osterhasen, auch nicht die von den Schokoladeneiern mit der guter Milch von Milka, die man sogar auslöffeln kann, aber nur zu Ostern. Ich meine auch keine Geschichten vom Geschenkestreß, den es jetzt auch schon zu Ostern gibt.

Ich meine die Geschichte von diesem unglaublichen Jesus, den seine Freundinnen nicht mehr dort fanden, wo sie ihn hingelegt hatten, nämlich in seinem Grab. Ich bitte Euch, stellt Euch das ruhig mal ganz konkret vor. Da begräbt man jemanden. Das ist schon schwer genug. Dann ist er auch noch zu früh gestorben - es wird noch schwerer. Und dann ist er nicht nur gestorben, sondern eigentlich sogar ermordet. Es geht kaum schlimmer. Und das alles hat einer gerade noch so verkraftet. Und dann richtet er sich ein mit dem Tod. Und dann ist die schöne Zeit eben Vergangenheit. Und dann war´s das. Und dann geht so einer nur noch zum Grab mit dem Gedanken, dem Toten Ehre zu erweisen, zu pflegen, zu hüten. Damals die Freundinnen Jesu gingen am ersten Tag der neuen Woche hin. Und sie hatten neben ihrer tiefen Traurigkeit eigentlich nur einen Wunsch: Jesus noch einmal gut zu behandeln, ihm  einen letzten Liebesdienst erweisen, ihn einbalsamieren, duftende Öle, ein Beweis der Fürsorge und der Liebe über den Tod hinaus. So, als wenn wir Blumen bringen. Und dann der Gedanke an das Felsengrab, in dem Jesus liegt. Ein riesiger Stein davor. Wie krieg ich den Stein weg. Wer räumt uns den Stein von des Grabes Tür? So heißt es in der Bibel. Und dann kommen die beiden Frauen, die sich all dies fragen, zum Grab, zum Ort des Todes. Und an diesem Ort ist aber auch gar nichts so, wie sie es erwartet hatten. Der Stein ist weg. Und mehr noch das Grab ist leer. Und in der leeren Grabhöhle sitzen zwei Engel, und einer sagt: Hier ist Jesus nicht. Ihr sucht an der falschen Stelle.  Er ist auferstanden. Fast besserwisserisch kommt dieses "er ist doch auferstanden", so fast nach dem Motto "hat er euch doch oft genug versprochen". Den Frauen geht der Boden unter den Füßen weg. Es ist einfach zu unfassbar. Sie waren so drin in ihrem Kummer, so gefangen vom Tod und allem, was er bedeutet. Und nun dies. Sie erwarteten Tod, endgültigen Abschied, Trauer, die sich langsam auflösen muss. Wer rollt uns den Stein weg - war die Frage, die alte Frage. Und die neue Realität ist auf einmal: Da ist gar kein Stein, die Tür ist offen. Das ganze hat eine unfassbare Wendung genommen. Wer kann das fassen?

Ihr lieben Leute hier am Ostermorgen auf dem Husumer Marktplatz, habt Ihr diesen Blickwechsel schon erfassen oder erfühlen können? Eben noch sucht einer einen Toten bei den Toten. Eben noch ist alles aus und vorbei. Und einen Augenblick später ist der Tod Vergangenheit, ist neues Leben. Und der, den man gesucht hat, lebt.

Der Stein ist weg, die Tür ist offen, das Grab ist leer. Kein Tod, Leben! Kein Einbalsamieren, kein Konservieren, sondern suchen, wo das Leben ist. Sucht bei den Lebenden!

Das ist ein Hammersatz für Trauernde. Das ist auch heute noch so. Das reißt raus aus Abschied und Trauer, das steht quer im Weg, man kann es kaum fassen. Darf das sein? Trauernde reißt man nicht aus ihrer Trauer, man respektiert sie vielmehr. Ja, das stimmt. Und das ist auch richtig so.

Und dennoch ist es zugleich auch wichtig, mitten in die Traurigkeit hinein diese Botschaft zu sagen. Deine Traurigkeit stimmt, aber der Tod hat nicht das letzte Wort. Unsere Toten sterben, und doch ist ihnen Zukunft und ewiges Leben versprochen. Leben stirbt, aber Gott schenkt neuen Anfang. Das ist die Osterbotschaft: Der Tod ist bei Gott nur eine Durchgangsstation, nur eine Verwandlung, nur ein Weg, eine Wegstation, nicht das Ziel. Der Stein ist weg, die Tür ist offen, das Grab ist leer. Die Tür zum Himmel ist offen. Die Gräber haben Türen zum Himmel. Und Gott hat die Türen gemacht, und er hat sie aufgemacht, von seiner Seite aus.

Solch ein Ostern ist fast unfassbar. Aber es ist die Realität: Eier sind wirklich nicht alles. Es geht um Leben, und zwar um Leben dort, wo ansonsten für uns nichts mehr käme.

Das ist eine Botschaft, deren Wert sehr groß ist, denn sie gilt nicht nur für das Ende unserer Tage auf dieser Erde als Zukunftsversprechen. Sie gilt vor allem auch schon mitten in unserem Leben. Mitten hier auf unserem Marktplatz und auf allen Plätzen, an denen ganz normales Leben gelebt wird.

Der Stein ist weg, die Tür ist offen, das Grab ist leer. Hört das doch mal nicht nur als die Botschaft des einen Festes, von Ostern. Hört es als ein Versprechen Gottes, das an jeder Wegbiegung Eures Lebens neu auf Euch wartet. Hört es an den Stellen, wo Steine des Lebens Euch den Weg versperren oder Euch niederdrücken. Hört es an den Stellen des Lebensweges, wo Türen verschlossen sind, durch Euch oder durch andere. Wo einer sich verschließt, oder einer dem anderen die Tür vor der Nase zuhaut. Wo....... Hört es auch an den Stellen Eures Lebens, wo Ihr etwas begraben habt, Hoffnung z.B. oder die die Liebe, die einmal gut begann, oder den Respekt voreinander........

Der Stein ist weg, die Tür ist offen, das Grab ist leer. Das sind heute z.B. auch Hochzeitsworte, an unsere drei Brautpaare, aber auch an alle Paare hier auf dem Platz, an die, denen es gut geht, aber erst recht an die, die in der Krise stecken. Ostern ist Neuanfang, uns zwar nicht als fauler Kompromiss, auch nicht als lahmer Versuch, sondern dort, wo alles zu Ende schien, nicht nur aus eigener Kraft, sondern mit Gottes Hilfe.

Ostern, Ihr Lieben, ist wirklich groß und gut für uns. Herzliche Einladung, das mitten in dieser Zeit zu hören und zu überdenken. Herzliche Einladung, dieses Geschenk zwischen all den leckeren Schokoladeneiern zu entdecken und zu begreifen, wie wertvoll es ist. Herzliche Einladung an jede und jeden von Euch, die Türen zum Himmel zu entdecken, sie ernst zu nehmen und mit der Seele in Hoffnung hindurch zu gehen, schon jetzt immer wieder und einmal ganz und gar.

Ostern ist ein starkes Fest. Das Fest der offenen Türen zum Himmel. Lasst Euch das nicht entgehen.

Amen.

Erich Faehling
KircheBokhorst@t-online.de


(zurück zum Seitenanfang)