Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach

Karfreitag, 25. März 2005
Predigt über Jesaja 52,13 - 53,12; Matthäus 27, 31-56; Lukas 23, 26-49
verfasst von Hanne Sander (Dänemark)
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)


(Texte der dänischen Perikopenordnung)

Letztes Jahr konnte man den viel diskutierten Film "The Passion of the Christ" sehen, der versucht, die letzten 12 Stunden im Leben Jesu darzustellen.

Ich habe ihn nicht gesehen, ich konnte mich nicht entscheiden, ob ich ihn sehen wollte oder nicht, weil er, so die Meinung der Rezensenten, eine Orgie an Leiden und Gewalt darstellte.

Und da ich ihn nun nicht gesehen habe, war das deshalb, weil ich der Wirklichkeit nicht in die Augen sehen wollte? Wollte ich nicht mit Schmerz, Blut, Schreien und Tod konfrontiert werden?

Ich glaube nicht daran, daß dies der Grund ist, denn niemand von uns kann dieser Begegnung entgehen. Auch wenn man nicht ins Kino geht und sich Filme anschaut, sondern nur regelmäßig im Fernsehen die Nachrichten anschaut oder die Zeitung liest, entgeht man nicht den Bildern von aller erdenklicher Gewalt und allem Leiden, das Menschen einander antun.

Ich meine also: Die Bilder haben wir - ob wir es wollen oder nicht - und sie werden gegenwärtig immer dann, wenn wir von Übergriffen hören und Brutalität und menschlichem Zyniusmus.

Wir haben gehört, wie Matthäus von den letzten Stunden im Leben Jesu erzählt, man sieht es vor sich: Wie sie einen zufälligen Passanten zwingen, das Kreuz zu tragen, das zur Hinrichtung verwandt werden soll. Simon von Kyrene wird so mitschuldig, so wie viele gezwungen werden, an Übergriffen und Massakern teilzunehmen.

Im Lukasevangelium hören wir von treuen und gutherzigen Leuten, die gerne ihre Anteilnahme zeigen wollen und weinen über all das Furchtbare, das Jesus widerfährt, so wie andere heute Blumen und Kränze hinlegen und Lichter anzünden. Jesus aber sagt fast nüchtern zu den Frauen, daß sie nicht über ihn weinen sollen, sondern vielmehr über sich selbst und die Welt, die sie ihren Kindern weitergeben.

Wir können auch brutale und höhnische Sodaten und Polizisten sehen - und einen Mitgefangenen, der nicht einmal in dieser Situation, wo er selbst dem Tode entgegensieht, solidarisch sein kann, sondern höhnisch und spottend ist. Aus den Gefängnissen wissen wir, wie hart die Gefangenen gegeneinander sein können, gnadenlos und unbarmherzig.

Was aber willst du mit alledem? Ja so häßlich, demütigend und qualvoll Jesus starb, so sind Menschen vor ihm gequält, gedemütigt und getötet worden - und genauso brutal und unbegreiflich werden Menschen noch immer gequält und zu Tode gefoltert, ja Jesus blieb es doch erspart, mit ansehen zu müssen, wie seine Lieben vergewaltigt und getötet wurden, ehe er selbst starb.

Die Botschaft des Karfreitag liegt nicht so sehr darin, die Leiden auszumalen, denen Jesus ausgesetzt war und an denen er starb. So furchtbar sie sind, so ist vielen, allzu vielen Menschen Ähnliches oder Schlimmeres widerfahren.

Und die Botschaft von Karfreitag sollen wir nicht hören, ohne auch das Evangelium von Ostern zu hören. Nur so können wir glauben, daß Gott in der Gestalt Jesu mit allen Leidenden leidet und daß Gott den Tod stirbt, den wir alle sterben müssen - damit uns nichts von ihm scheiden kann. Damit wir glauben können, daß uns nichts widerfahren kann, ohne daß Gott auch mit dabei ist. Wir sind nicht uns selbst überlassen - auch wenn uns unsere eigenen Freunde untreu werden und verrraten.

Lukas sagt dies mit dem Bild der Verbrecher, die zusammen mit Jesus gekreuzigt wurden. Der eine bittet Jesus darum, ihn nicht zu vergessen, sondern seiner zu gedenken, daß er im Tode nicht allein ist. Der Verbrecher bekennt seine eigene Schuld und nimmt seine Strafe an, aber er verteidigt den unschuldigen Jesus. Und nun bittet er darum, daß der Tod sie nicht trennen möge, und Jesus verspricht ihm Gegenwart, die über den Tod hinausreicht, mit den Worten: "Wahrlich ich sage dir: Heute noch wirst du mit mir im, Paradiese sein". - Und die Vorstellung vom Paradies ist ja gerade eine Vorstellung davon, daß es keine Trennung zwischen Gott und Mensch gibt. Die Kluft kann überwunden und geheilt werden. Leben kann aus dem Tode und aus dem Nichts erwachsen. Wie es war im Anfang, jetzt und immerdar. Paulus sagt das in seiner Weise, um seine Gemeinde in Rom aufzurichten: "Welcher auch seines eigenen Sohnes nicht hat verschont, sondern hat ihn für uns alle dahingegeben; wie sollte er uns mit ihm nicht alles schenken? ... Denn ich bin gewiß, daß weder Tod noch Leben, weder Engel noch Fürstentümer noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefews noch eine andere Kreatur kann uns scheiden von der Liebe Gottes, die in Jesus Christus ist, unserm Herrn" (Röm. 8,31b und 38-39).

Wir können es sehen, wenn Matthäus und Lukas von dem römischen Offizier berichten, der bekennt, daß er Gott sieht, als Jesus stirbt.

Gott ist nicht nur gegenwärtig in dem sterbenden Jesus, er ist auch bei dem Verbrecher am Kreuz und dem Offizier, dem Menschen, der die Verantwortung trägt für den Tod Jesu.

Unsere Hoffnung Karfreitag und unser Gebet ist - sowohl wenn wir uns von Gott verlassen fühlen, als auch wenn wir selbst Leiden verursachen oder andere in ihrem Schmerz im Stich lassen - daß Gott uns auch da nahe sein wird. Amen.

Pfarrerin Hanne Sander
Prins Valdemarsvej 62
DK-2820 Gentofte
Tel.: 39 65 52 72
e-mail: sa@km.dk


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