Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach

Okuli, 27. Februar 2005
Predigt über Markus 12, 41-44, verfasst von Bert Hitzegrad
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)


41 Dann setzte sich Jesus im Tempel in der Nähe des Schatzhauses hin und beobachtete, wie die Besucher des Tempels Geld in die Opferkästen warfen. Viele wohlhabende Leute gaben großzügig.
42 Dann kam eine arme Witwe und steckte zwei kleine Kupfermünzen hinein – zusammen so viel wie ein Groschen.
43 Da rief Jesus seine Jünger zu sich heran und sagte zu ihnen: »Ich versichere euch: Diese arme Witwe hat mehr gegeben als alle anderen.
44 Die haben alle nur etwas von ihrem Überfluss abgegeben. Sie aber hat alles hergegeben, was sie selbst dringend zum Leben gebraucht hätte.«

Gott segne dieses sein Wort uns lass es auch durch uns zu einem Segen werden!

Liebe Gemeinde!

Jetzt geht es also ans Portemonnaie. Aber das spüren wir ja schon lange. Vieles ist teurer geworden. Mit dem Euro ist die Summe beim Lohn und Gehalt nicht nur halbiert, man bekommt faktisch auch weniger. Die schlechte wirtschaftliche Situation, eine hohe Zahl an Arbeitslosen - all das führt auch im öffentlichen Leben zum Klagen über das fehlende Geld. Es gibt kaum eine Kommune, die zu Beginn dieses neuen Jahres einen gesunden Haushalt vorstellen konnte. Auch bei der Kirche wird geklagt, gekürzt und eingespart. Die konkreten Folgen haben viele Gemeinden schon gespürt: Da werden Kirchengemeinden zusammengelegt. Wo bis dahin zwei Pastoren tätig waren, bleibt einer, die andere Stelle wird eingespart.
Die Prognosen sagen, dass die Kirchen bis zum Jahr 2030 ein Drittel ihrer bisherigen Einnahmen verlieren werden. Die Folgen kennt inzwischen fast jedes Wirtschaftsunternehmen. Und während es bei Kirchens bisher hieß: „Über Geld spricht man nicht - man hat es”, kommt der „schnöde Mammon” nun doch mehr und mehr auf die Tagesordnung. In den Kirchenvorständen wird überlegt, wie durch Stiftungen, Fördervereine, Projekte und Aktionen mehr Geld eingetrieben werden kann. Fundraising heißt das neue Zauberwort, das helfen soll, an das Geld zu kommen.
Da passt der heutige Predigttext gut ins Konzept. Endlich kommt das Thema von der Tagesordnung des Kirchenvorstandes auch auf unsere Kanzeln. Und Gott sei Dank: Jesus braust nicht gleich auf und schmeißt die Priester, die mit den Opferkästen das Geld im Tempel einsammeln, hinaus - so wie damals die Händler und Geldwechsler. Nein, er beobachtet wohlwollend die Szene, zumindest zeigt er Wohlwollen gegenüber dem Scherflein der armen Witwe - zwei Kupfermünzen, das, was sie für einen Tag braucht, gibt sie in die Kollekte. Und vielleicht war es ihr Letztes!

Kirche und Geld - das hat irgendwie immer einen schlechten Klang. Die einen klagen darüber, dass nicht genug Geld da ist, die anderen halten der Großinstitution vor, dass sie doch so viel Land und Kirchenschätze ihr Eigen nennt ... „Die Kirche hat einen guten Magen!” so hatte schon Goethe den Teufel in seinem Faust sprechen lassen. Und vielleicht hätte er, der Teufel, angesichts des Opfers der armen Witwe sogar gesagt: „Der Herr lobt es sogar, wenn eine mittellose Frau auch noch ihr Letztes gibt.”
Die kirchlichen Verirrungen fallen uns ein, als mit klingender Münze die Seelen „vom Feuerfeuer in den Himmel springen” sollten. Der strafende Gott war zwar nicht gut für einen „fröhlichen Geber”, dafür aber für die Finanzkraft seiner Kirche auf Erde.
„Money makes the world go round”, singt Liza Minelli in „Cabaret”. Soll denn das auch für die Kirche gelten, die nicht von dieser Welt ist?
Aber: Können wir uns so leicht von dieser Welt ausklinken. Wer hat nicht auch den Traum, von dem die Prinzen gesungen haben „Ich wär so gerne Millionär!” Und wenn man sie bei Günther Jauch mit Glück und gutem Wissen gewinnt, was würden Sie damit machen - mit ihrer Million?
Den Kindern etwas Gutes tun, das Badezimmer renovieren, und natürlich einer Hilfsorganisation etwas spenden? Vielleicht auch der Kirche, aber nur für die Arbeit vor Ort, für die Jugendarbeit oder für neue Lampen im Gemeindesaal?
Doch es sind nur ganz wenige, die sich über den plötzlichen Gewinn freuen können. Und dann tröstet es, wenn man in der Zeitung lesen kann: Sie sind damit auch nicht glücklich geworden. Die Probleme des Lebens sind mit dem geknackten Jack-Pot nur größer geworden.
Auch der Tanker-Milliardär Aristoteles Onassis wusste - vielleicht aus eigener Erfahrung: „Ein reicher Mann ist oft nur ein armer Mann mit sehr viel Geld!”

Und ich glaube, darauf schaut Jesus in dem kleinen Textabschnitt an diesem Sonntag, der mit dem Schauen, mit dem Sehen, mit den Augen etwas zu tun hat - „Okuli” - „Meine Augen sehen stets auf den Herrn!” (Ps 34,16).
Jesus schaut auf die arme Witwe, auf ihr Tun, auf ihr Handeln und auf ihren Reichtum.
Er schaut nicht auf die Priester, die ihren Dienst taten an den posaunenförmigen Geldbehältern im Tempel. Für den Tempeldienst war eine große Summe Geldes erforderlich. Deshalb standen 13 dieser Behälter in der Schatzkammer, in der Säulenhalle des Tempels, die den Vorhof umgaben. Üblich war es auch, dass der Betrag, der gespendet wurde, laut herausposaunt wurde - nach dem Motto: „Tue Gutes und rede darüber!”.
Bei der armen Witwe gab es nicht viel, was herausposaunt werden konnte. Und sie selbst war wahrscheinlich ganz still ob ihres kleinen Obolus.
Jesus schaut dem Treiben zu. Er sieht, wie die Reichen großzügig geben, und lobt doch die Witwe - trotz der kleinen Summe, weil sie mehr gegeben hat als alle anderen.
Was ist der Mehrwert ihre Handelns? Was macht den Unterschied aus?
Natürlich: Das was Jesus beschreibt, das kennen wir auch! Als Michael Schumacher die Millionen an Euros für die Hilfe der Flutopfer in Südostasien gab, da wurde es in allen Zeitungen berichtet. Und fast jeden Tag folgte ein Bild mit der Überreichung eines Schecks irgendeiner Bank. Denn: Die können es auch. Und die sollen es auch. Die vielen Einzelspenden von 5,- oder 10,- Euro erwähnt niemand, die kleinen Waffelbäckerinnen, die für die Flut-Opfer ihre Leckereien verkauften und 27,60 Euro sammelten, sie fanden kaum Beachtung.
Und doch: Sie haben mehr. Jesus spricht von einer Erfahrung, die viele schon gemacht haben: Schenken, teilen, spenden ... macht nicht ärmer, sondern reicher. Dieser Reichtum lässt sich nicht in Währung oder Summen ausdrücken, dieser Reichtum lässt sich nur mit einem Wort beschreiben: „Liebe”. Liebe, die Gott in unsere Herzen gibt. Und wenn wir ohne diese Liebe geben, aus dem Reichtum und Überfluss unseres Lebens, als Bußgeld für unser schlechtes Gewissen, als Bestechung der Armen, damit sie nicht rebellieren gegen die Reichen - wenn wir ohne die Liebe geben, so ist das nichts und zu nichts nütze.
Es geht also nicht ans Portemonnaie, zunächst geht es ans Eingemachte. Es geht um unser Verhältnis zu Gott, und es geht um Gottes Verhältnis zu uns.
Das letztere ist klar: Er hat für uns alles gegeben, sein Liebstes, sein Teuerstes, sein Einziges - seinen Sohn Jesus Christus. Ein echtes Opfer, eine Gabe aus lauter Liebe und Güte - seine Hingabe.
Auch in seinem Tod hat Jesus Christus erlebt: Das Geben, das Hingeben hat ihn nicht ärmer gemacht, sondern hat ihn mit dem Reichtum des Lebens beschenkt.
Er hat sein Leben aus Liebe hingegeben, deshalb ist es so viel nütze, deshalb hat es solch einen Wert, den Mehrwert des Lebens für alle, die darauf vertrauen.
So verhält sich Gottes Liebe zu uns. Und wie steht es um unser Verhältnis zu Gott?
Nur wenige Verse vor der kleinen Begebenheit mit der Witwe gibt Jesus eine klare Verhältnisbestimmung:
„Du sollst den Herrn, deinen Gott lieben” so sagt er es mit Worten aus dem Alten Testament”, „lieben - von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von ganzem Gemüt und von allen deinen Kräften.” (Mk 12,30) Das ist eindeutig: Gott hat oberste Priorität, und nichts ist von dieser Liebe ausgeschlossen. Als ganzer Mensch sind wir gefordert - mit der Spiritualität unserer Seele, aber auch mit den materiellen Gütern in unseren Händen, mit unseren Gottesdiensten, aber auch mit unserem Dienst an den Menschen, mit unserer Liebe im Herzen und mit der Liebe im Bett ... Als ganzer Mensch sind wir gefordert. Und deshalb geht es auch ans Portemonnaie.
Doch keine Sorge: Jesus macht uns nicht zu verkrampften Asketen, „Armut hier macht dorten reich ...” (EG 384,2). Nein, er möchte, dass wir unser Geld und Vermögen in seinen Dienst nehmen lassen und dass die Freiheit, die wir von Gott haben, uns frei macht zu dienen. Denn aus der Gottesliebe folgt die Liebe des Nächsten, aus meinem Überfluss können Ströme der Hilfe und der Solidarität fließen - ohne auf den eigenen Vorteil, ohne auf den eigenen Gewinn zu achten. Die arme Witwe zeigt es. Das bedeutet nicht, dass wir werden müssen wie sie, aber handeln wie sie, vertrauen wie sie, glauben wie sie. Martin Luther sagt: „Glaubst du, so hast du!”
Dennoch: Vom Glauben allein lässt sich keine Kirche finanzieren, keine Gehälter bezahlen, keine diakonischen Aufgaben mehr erledigen. Kirche und Geld - das passt immer dort zusammen, wo Menschen Hilfe erfahren, wo Menschen ihren Glauben wieder finden - ihren Glauben an die Zukunft und neue Perspektiven. In der Schuldnerberatung der diakonischen Werke gehören „Kirche und Geld” schon lange zusammen. Doch auch hier werden die Mittel immer weniger, auch hier ist Begleitung und Solidarität in Gefahr.
Das Geld bewegt zwar nicht die Kirche, das ist immer noch die Liebe Gottes! Aber damit sich etwas bewegt, wird Geld benötigt. Keine Frage - auch für Jesus ist das keine Frage. Die Frage aber, die er uns stellt, lautet: „Wo zeigt sich dein Glaube, worin zeigt sich dein Vertrauen. Wo wird das in den ganz alltäglichen Dingen deutlich?
Und wie hältst du es mit dem Geld?” Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne, unser Denken und Tun in Jesus Christus zum ewigen Leben. Amen.

Pastor Bert Hitzegrad
Claus-Meyn-Str. 11
21781 Cadenberge
Tel.: 04777/330
FAX: 04777/931028
eMail: BHitzegrad@aol.com



 


(zurück zum Seitenanfang)