Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach

Reminiszere, 20. Februar 2005
Predigt über Matthäus 12, 38-42, verfasst von Petra Savvidis
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)


Vorbemerkungen:
- Es findet eine Trauung im sonntäglichen Gottesdienst statt, anlässlich der Silberhochzeit wird die kirchliche Trauung „nachgeholt“. Das Paar ist kirchlich engagiert und wohnt direkt neben der Kirche im Dorf. Sie entschieden sich bewusst dafür, mit der Gemeinde und ihren Gästen im Sonntagsgottesdienst ihre Trauung zu feiern. Den eigenen Ort hat der Kasus nach der Predigt, aber schon in der Predigt klingt er gelegentlich an, ohne im Mittelpunkt zu stehen.
- Für das Textverständnis ist es notwendig, dass die beiden alttestamentlichen Bezüge (Jona und Königin des Südens, 1 Kön 10) deutlich werden. In unserer Gemeinde sind immer 2 Lektor/innen beteiligt für die biblischen Lesungen, sie werden in diesem Fall in der Predigt durch kurze Zusammenfassungen die Erinnerung an die beiden Erzählungen wachrufen.

Mt 12, 38 Einige von den Schriftgelehrten und Pharisäern sprachen zu Jesus: Meister, wir möchten gern ein Zeichen von dir sehen. 39 Und er antwortete und sprach zu ihnen: Ein böses und ehebrecherisches (so die wörtliche Übersetzung von moixalis) Geschlecht fordert ein Zeichen, aber es wird ihm kein Zeichen gegeben werden, es sei denn das Zeichen des Propheten Jona. 40 Denn wie Jona drei Tage und drei Nächte im Bauch des Fisches war, so wird der Menschensohn drei Tage und drei Nächte im Schoß der Erde sein. 41 Die Leute von Ninive werden auftreten beim Jüngsten Gericht mit diesem Geschlecht und werden es verdammen; denn sie taten Buße nach der Predigt des Jona. Und siehe, hier ist mehr als Jona. 42 Die Königin vom Süden wird auftreten beim Jüngsten Gericht mit diesem Geschlecht und wird es verdammen; denn sie kam vom Ende der Erde, um Salomos Weisheit zu hören. Und siehe, hier ist mehr als Salomo.

Harry Potter trägt seins auf der Stirn,
mein Kollege hat seins hinten auf das Auto geklebt,
Ehepaare tragen es an der rechten Hand.
Das von Harry Potter hat die Form eines Blitzes,
das meines Kollegen sieht aus wie ein Fisch,
das von Ehepaaren ist ein Ring.

Zeichen – wir Menschen suchen nach Zeichen, nach augen- und sinnenfälligen Hinweisen und Beweisen für alles das, was wir nicht sehen können, aber doch so dringend ersehnen.
Nichts von dem, was wirklich wichtig ist im Leben, können wir sehen, anfassen, einpacken und aufbewahren. Alles, was wirklich zählt, entzieht sich unserem unmittelbaren Begreifen. Und darum brauchen wir Zeichen und Beweise für alles, auf das wir so dringend angewiesen sind: Liebe, Gottes Kraft und Segen, Verständnis und Freundschaft.

Harry Potter ist klein, Brillenträger und unauffällig. Aber sein Zeichen macht ihn so besonders. Er hat es im Kampf gegen den dunklen Lord Voldemort als Wunde davongetragen. Die blitzförmige Narbe steht für den Sieg des Guten über die dunklen, lebensfeindlichen Kräfte und ist darum ein Zeichen der Hoffnung und Ermutigung für jeden Zauberer, der es sieht.
Mein Kollege ist ein engagierter Pfarrer, unermüdlich unterwegs in der Gemeinde. Überall da, wo er mit seinem Auto fährt oder parkt, zeigt er: Ich bin unterwegs im Zeichen des Fisches. Ich bin Christ und das bin ich aus Überzeugung. Das dürfen alle sehen und das sollen alle sehen.
Ein Ehepaar sitzt heute hier unter uns und hat etwas ganz Besonderes vor, die kirchliche Trauung nach 25 Jahren Ehe. So lange tragen sie das Zeichen ihrer Verbindung schon am Finger. Der Ehering zeigt fast überall immer noch, dass der Bund der Ehe ein ganzes Leben lang dauern soll, dass die Ehe eine runde Sache ist. Und dieses Zeichen macht für jeden anderen Menschen, der es sieht, deutlich: der Ringträger ist einem Menschen verbunden bis ans Ende des Lebens.

Zeichen - wir Menschen lieben Zeichen und Hinweise und Beweise, dass Dinge, die wir nicht sehen und manchmal auch nicht erklären können, doch wahr sein müssen. Wir sehnen uns danach, deutliche Zeichen zu sehen, dass das, was so wichtig ist im Leben und zugleich nicht machbar und nicht in unserer eigenen Hand, dass das doch möglich ist: Die Macht des Guten, die Aufrichtigkeit des Glaubens, die Ewigkeit der Treue und der Liebe. Wir Menschen sind misstrauisch und verwirrt und ängstlich, wenn wir auf gut Glauben hin vertrauen müssen und nicht sehen und anfassen können.

„Gib uns ein Zeichen“, sagen die Schriftgelehrten und Pharisäer zu Jesus. „Zeig uns, dass du wirklich im Auftrag Gottes handelst. Wir möchten gern etwas von dir sehen.“ Sie haben Grund dazu, so zu fragen. Denn für die, die sich auskennen in der Schrift und der religiösen Überlieferung, ist das, was Jesus tut, eine Anmaßung und oft genug nahe dran an Gotteslästerung. Er will im Namen Gottes handeln, predigen, Sünden vergeben, Wunder wirken? Wie kann er sich ausweisen? Wie kann er eindeutig erklären und beweisen, dass er der ist, für den er sich ausgibt und für den ihn einige halten? Sie haben Grund dazu, so zu fragen und Erklärungen zu verlangen.
Sie sind nicht die ersten und nicht die letzten, die ein Zeichen von Jesus fordern. Immer wieder wehrt Jesus diese Anfragen ab. Hier tut er es mit besonders schroffen Worten. Böse und ehebrecherisch- treulos nennt er die Fragenden.
So sehr er ihr Anliegen auch ablehnt, gibt er ihnen doch Anhaltspunkte, Orientierungshilfen. Damit sie die Zeichen erkennen, die sie längst haben.
Und das sind die beiden biblischen Gestalten, der Prophet Jona und die Königin von Saba. Ihre Geschichten sind kleine Hinweise für die, die eigentlich große Taten und eindeutige Beweise wollen.
Wir vergegenwärtigen uns die Geschichten, zuerst die von Jona:

Ein Lektor/ eine Lektorin:Der Prophet Jona sollte im Namen Gottes predigen und die Bewohner der Stadt Ninive zur Buße rufen. „Predige wider sie, denn ihre Bosheit ist vor mich gekommen.“
So sprach Gott zu Jona. Aber Jona wollte diesen Auftrag nicht, er hatte große Zweifel daran, dass die Stadt auf ihn hören würde. Darum flüchtete er vor Gott.
Er geriet in Seenot und wurde von einem großen Fisch verschluckt. Drei Tage lang blieb er in seinem Bauch. Da hat Jona nachgedacht und gebetet, und als der Fisch ihn wieder ausspuckte, ist er willig und bereit, Gottes Auftrag zu erfüllen.
Er predigt den Bewohnern von Ninive: „Tut Buße, kehrt um, lasst ab von eurem schäbigen Lebenswandel und wendet euch Gott zu. Ihr könnt nicht vor ihm fliehen.“ Und Ninive hört auf ihn und tut Buße. Der Prophet Jona hat Gehör gefunden in der Stadt und mit ihm ist Gottes Wort gehört und verstanden worden.

Das Zeichen des Jona: er war wie vom Erdboden verschluckt und tagelang wie tot, dann aber hat er das Leben wiedergefunden und das Gottvertrauen und seine Kraft. Gott ist größer als der Tod und liebt das Leben. Eine kleine Vorahnung von Ostern klingt da an. Und genau das beabsichtigt Matthäus auch, wenn er hier an Jona erinnert. Und siehe, hier ist mehr als Jona. Das Kreuz und die Auferstehung Christi sind die Zeichen, die Gott gibt. Eindeutig für den, der glaubt. Aber kaum ein Beweis für den, der nicht glaubt.
Das Zeichen des Jona ist aber noch mehr: es ist auch sein Ruf zur Umkehr, seine Bußpredigt, die auf fruchtbaren Boden fiel und Gehör fand in dem Sündenpfuhl Ninive. Jona predigte voller Gotteskraft und erreichte die Menschen auch. Was er nicht für möglich gehalten hatte, geschah: Sie änderten sich, sie besserten sich, sie wandten sich Gott zu.
Ein deutliches Zeichen für Gottes Beharrlichkeit und Barmherzigkeit. Und siehe, hier ist mehr als Jona.

Wir erinnern uns an die Geschichte der Königin von Saba, wie sie uns in der Bibel erzählt wird:

Ein Lektor/ eine Lektorin: Die sagenumwobene Königin von Saba hörte von König Salomo. Der regierte in Israel mit großem Gottvertrauen und großer Weisheit. Die Königin begab sich auf die Reise in das ferne Israel, um sich selbst ein Bild zu machen und Salomo kennen zu lernen. Sie stellte ihm viele kluge Fragen. Und er wusste viele kluge Antworten. Und so lobte sie ihn schließlich und sagte: Ich habe es nicht glauben wollen, aber ich habe es mit eigenen Augen gesehen. Du bist ein kluger, weiser König, gesegnet mit vielen Reichtümern.“ Sie lobte auch Gott, den Herrn, der Salomo auf den Thron gesetzt hatte, und sagte: Weil Gott, der Herr, sein Volk Israel lieb hat für immer, hat er dich zum König gesetzt, dass du Recht und Gerechtigkeit übst.“ Und sie beschenkte König Salomo mit kostbaren Dingen.“

Das Zeichen der Königin von Saba war: Sie hörte von der großen Weisheit des König Salomo und war fasziniert und fühlte sich wunderbar angezogen davon. Sie wollte ihn kennen lernen, sie war neugierig. Sie machte eine weite, gefährliche Reise und fand schließlich heraus: es stimmt alles, was ich von ihm gehört habe, er ist klug und weise und gesegnet mit vielem. Und das alles, weil sein Gott ihn liebt und zum König gemacht hat.
Die Königin von Saba war beseelt von dem Wunsch, die Weisheit zu ergründen. Sie folgte ihrer Neugier und vertraute sich einem ganz neuen, unbekannten Weg an. Und sie ließ sich überzeugen. Hinter der Weisheit und dem Reichtum des Königs Salomo entdeckte sie Gottes Liebe und seinen Segen. Und siehe, hier ist mehr als Salomo.

Das sind die kleinen, aber deutlichen Hinweise, die Jesus hier denen gibt, die Zeichen von ihm fordern. Jona, seine Bußpredigt und seine wunderbare Rückkehr ins Leben, und die sagenhafte Königin von Saba, die sich von ihrem Wunsch nach Weisheit leiten ließ und viel über Gott lernte.

Zeichen wollt ihr? Beweise dafür, dass Gott groß ist und mächtig?
Jesus gibt keine Zeichen auf Verlangen– er versagt dem teuflischen Versucher in der Wüste das Zeichen, er weist hier die Schriftgelehrten deutlich in ihre Schranken.
Aber es wird auch von vielen Wundern und Heilungen berichtet. Zeichen seiner Gotteskraft gab er also doch, aber nicht, um etwas zu beweisen, sondern um Menschen zu helfen.

Jesus und die Zeichen. Hier lehnt er die Anfrage besonders scharf ab. Und er zeigt damit: Glauben heißt Vertrauen und nicht Beweisen, es gibt kein Wunder und kein Zeichen, das uns den Glauben abnehmen könnte. Glauben bleibt Vertrauenssache und darum ein Wagnis. Genau so ein Wagnis wie die Liebe zu einem anderen Menschen. Die Beziehung zu Gott ist manchmal wie die Beziehung zu Menschen, wie eine Lebensgemeinschaft, wie eine Ehe. Und wir können uns die Liebe gegenseitig genauso wenig beweisen wie Gott uns beweisen kann, dass er Gott ist. Wenn in einer Liebesbeziehung ständig Beweise und aussagekräftige Zeichen eingefordert werden, ist das keine Liebe. Und wenn wir von Gott verlangen, dass er sich uns ständig beweisen soll, ist das kein Glaube.
Zeichen können Glauben nicht ersetzen. Sie können ihn stärken in schwierigen Zeiten, Kraft geben und neuen Mut. Aber Beweise gibt es nicht.
Ein geflügeltes Wort will uns glauben machen: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Aber beim Glauben und in der Liebe gilt es genau anders herum:
Kontrolle ist gut, Vertrauen ist besser. Durch Kontrolle wird jede Liebe klein gemacht, und der Glaube ist chancenlos. Vertrauen aber hält die Liebe und den Glauben lebendig.

„Gib uns ein Zeichen.“ Diese Bitte ist nur zu verständlich.
Aber sie ist auch eine Falle. Denn Zeichen können gute, sinnvolle Hinweise sein, aber sie beweisen nichts. Sie ersetzen nicht die Liebe, nicht den Mut, nicht die gute Überzeugung und Leidenschaft für eine Sache, sie ersetzen nicht den Glauben und das Vertrauen in Gott und seinen guten Willen für uns.
„Gib uns ein Zeichen.“ Das größte Zeichen, das wir haben, ist das Kreuz: Gott nimmt unsere Schuld auf sich. Es ist verbunden mit der Auferstehung: Gott ist stärker als der Tod.

Wir Menschen suchen nach Zeichen, nach augen- und sinnenfälligen Hinweisen und Beweisen für alles das, was wir nicht sehen können, aber doch so dringend ersehnen.
Beweis können sie nicht sein, aber sie können stärken und vergewissern und ermutigen.
Ob die Blitznarbe auf der Stirn oder der Fisch am Heck des Autos oder der Ring am Finger:
Zeichen sind keine Garantie für Gelingen, Glück, Segen, Mut und Stärke.
Zeichen sind kleine Hilfen zum Glauben, zum Lieben, zum Vertrauen.
Wir brauchen sie. Und das ist in Ordnung.
Solange wir begreifen, dass die Zeichen nichts beweisen, sondern nur erinnern und vergewissern.

Jesus hat Thomas, dem Ungläubigen, erlaubt, sich zu vergewissern und seine Hand in die Wundmale zu legen. „Fass mich ruhig an und schau genau hin. Ich trage noch die Zeichen des Kreuzes am Leibe. Jetzt bin ich auferstanden und ganz lebendig. Überzeuge dich, aber dann glaube einfach.“

Und Gottes Friede, der mehr und größer ist als alles, was wir verstehen können, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.

Pfarrerin Dr. Petra Savvidis
Zum Vulting 13a, 59514 Welver-Schwefe
savvidisp@hotmail.com


 


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