Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach

Heilige drei Könige, 6. Januar 2005
Predigt über
Matthäus 2, 1-12, verfasst von Erik Bredmose Somonsen (Dänemark)
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Die Geschichte von den drei Weisen aus dem Morgenland, die nach Judäa kamen, um das neugeborene Kind zu sehen - oder den neugeborenen König, wie sie ihn nennen, ist eine der Geschichten, zu denen man unmittelbar Zugang findet, weil sie so einfach und anschaulich ist. Sie ist wie ein Märchen. Im Grunde hören wir nichts darüber, wie viele Weise es waren, aber die Tradition hat sie allmählich zu drei Weisen gemacht, vielleicht weil die Zahl drei eine heilige Zahl war, und die Zahl drei finden wir bekanntlich auch in vielen bekannten Märchen. Es handelt sich oft um drei Brüder, die in die Welt hinausziehen, um ihr Glück zu versuchen, oder um drei Prüfungen, die man bestehen muß oder dergleichen. Matthäus ist der einzige der Evangelisten, der diese Geschichte überliefert, er berichtet uns übrigens nichts darüber, daß die drei Weisen Könige sind, das ist auch etwas, was die Nachwelt dazugedichtet hat. Und das hat ja auch einen guten Effekt, daß es gerade Könige sind, die kommen und das kleine Kind anbeten. Die Ortsangabe darüber, woher sie kommen, ist auch märchenhaft: das Morgenland. Das duftet ja geradezu nach Märchen und Mystik. Wo dieses Morgenland genauer liegt, ist völlig gleichgültig, denn eine Erzählung, wie wir sie hier vor uns haben, beschränkt sich nicht auf Aussagen, die an einen bestimmten Ort und eine bestimmte Zeit gebunden sind. Die Erzählung will vielmehr etwas sagen, das wahr ist und allgemein gültig für alle Menschen zu allen Zeiten. Nach dem Morgenland im geographischen Sinne zu suchen, wäre nicht nur absurd, sondern auch ein völliges Mißverständnis, denn diese Frage hat überhaupt keine Bedeutung für das, was die Erzählung von den Weisen sagen will. Die Erzählung von den Weisen will uns nämlich u.a. sagen, daß wir die Wahrheit und den Sinn des Lebens nicht durch die Wissenschaft finden können. Wir können nicht das herausanalysieren, worum es hier im Leben geht. Weder der Historiker, der Mediziner, der Chemiker, der Psychologe oder andere können in ihren Fächern durch ihre Wissenschaft den Sinn und die Bedeutung des Daseins ergründen - und das kann der Theologe übrigens auch nicht.

Wir können weit kommen in der Wissenschaft, viel können wir herausfinden, wie die Dinge zusammenhängen und funktionieren, woraus alles besteht und dergleichen. Aber die Fragen danach, wer wir sind, warum wir existieren, was wir mit unserem Leben sollen - die liegen außerhalb des Bereichs der Wissenschaft. Solche Fragen werden von vielen Wissenschaftlern sogar direkt als irrelevant und störend abgewiesen.

Wenn es um die Frage nach dem Sinn des Ganzen geht, bewegen wir uns in einem ganz anderen Bereich, weil wir da jeder mit seinem eigene Leben fragen. Hier geht es nicht um fachliches Wissen und Können, nicht um Ausbildung oder Spezialwissen, sondern vielmehr darum, mit offenem und empfänglichem Sinn im allgemeinen Sinne zu leben - und hier ist etwas dran an dem Worte Jesu: Wer Ohren hat zu hören, der höre.

Wir empfangen Bruchstücke für den Sinn des Lebens immer dann, wenn wir eine gute Geschichte lesen oder hören. Wir können heutzutage gewiß vieles, aber was den Sinn des Lebens anbetrifft, sind wir in bezug auf die Menschen früherer Zeiten keinen Schritt weiter gekommen - vielleicht ganz im Gegenteil. Es bedurfte immer guter Geschichten, damit die Menschen Sinn und Bedeutung, Richtung und Ziel in ihrem Dasein fanden, und so ist es auch heute. So wie es einmal Mythen, Sagen und Märchen waren, die den Menschen Ziel und Sinn und Geborgenheit im Dasein vermittelten, so sind es auch heute die guten Geschichten, die den Sinn des Lebens tragen.

Keine Wissenschaft kann z.B. herausfinden, was Tapferkeit und Gerechtigkeit sind. Man kann ja nicht hingehen und ein Stück Tapferkeit oder ein Stück Gerechtigkeit finden und sagen: Hier habt ihr es, so sehen sie aus. Nein, wir müssen eine Geschichte erzählen, die uns einen tapferen Mann oder eine gerechte Frau zeigen, damit wir verstehen können, was diese Begriffe meinen. Und so ist es mit vielen Dingen, die im Leben wichtig sind, sie brauchen alle gute Geschichten.

Es sei denn, es wird für uns in andere Weise sichtbar, indem es uns z.B. offenbart wird, sichtbar wird, und dies heute. Das Fest der Heiligen drei Könige hat man auch Epiphanias genannt. Epiphanie bedeutet, daß etwas in unsere Welt einbricht, in der wir leben. Etwas wird sichtbar, was vorher verborgen war. Und eben dies sehen die Weisen. Sie sind keine Wissenschaftler - jedenfalls nicht nur Wissenschaftler, sondern vielmehr eben Weise, und das ist etwas ganz anderes. Der Wissenschaftler hat ein großes Wissen, die Weisen aber haben Weisheit. Weise sein oder Weisheit besitzen heißt, sich auf das Leben verstehen und Einsicht zu haben in das, was es heißt, ein Mensch zu sein, und das ist etwas ganz anderes als Wissen. Man kann sehr wohl viele Bücher gelesen haben und dennoch ganz dumm sein in bezug auf das Leben - und umgekehrt kann man Lebensweisheit und Einsicht bei einem Ungelehrten finden - der Ungelehrte kann nämlich all das aufnehmen, was ihm widerfährt - und dadurch sehend werden.

Aber natürlich kann man es auch kombinieren. Dieselbe Person kann gelehrt sein und weise, Wissen und Weisheit besitzen.

Wie es sich nun in dieser Hinsicht mit den Weisen verhielt, die auszogen, das weiß man nicht, aber jedenfalls waren sie imstande zu endecken und wahrzunehmen, zu sehen und zu hören, das sich da etwas tat, als sie am Himmel einen großen Stern über Judäa sahen. Sie sahen sofort, daß sich nun in der Welt etwas Großes offenbarte.

Und als sie den Stern gesehen hatten, setzten sie sich nicht erst hin und analysierten die Sache kritisch, ob das nun auch richtig wart, daß so etwas geschehen konnte. Sie zogen vielmehr sofort los, um den König zu finden und anzubeten.

Als sie nach Judäa kamen, vergaßen sie für eine Weile ihre Weisheit und verließen sich auf das, was wir Allgemeinwissen nennen könnten. Deshalb suchten sie den Neugeborenen am Schloß des Königs in der Hauptstadt Jerusalem. Denn nach der Logik, die sich dort geltend macht, wo alles auf Wissen beruht, sollte ein König natürlich hier geboren werden.

Aber auch hier war Wissen nicht genug. Eine Offenbarung aus der Höhe geht ihre eigenen Wege - sie ist dem menschlichen Wissen nicht unterworfen. Die Weisen mußten nach Bethlehem, um dort das Kind in einem Stall zu finden, gewickelt und in einer Krippe liegend. Als sie dorthin kamen, fielen sie nieder und beteten es an und gaben ihm kostbare Geschenke, denn hier war ja das Ziel ihres Suchens. Das Licht, das sie am Himmel gesehen hatten, sagen sie nun in dem neugeborenen Kind. Sie hatten eine Offenbarung vom Himmel gesehen und erlebt. Den Umfang dieser Offenbarung konnten sie natürlich nicht erkennen - daß sie alles in der Welt unter ein neues Vorzeichen stellen sollte, das wüsten sie nicht, aber sie hatten sich dem neuen Licht, das sie gesehen hatten anheim gegeben und sich von ihm binden lassen. Sie sahen das Licht, das in die Welt kam, und es wurde für ihr Leben entscheidend.

Laßt uns nur studieren, klüger werden über diese Welt, das kann sehr nützlich und von Vorteil sein. Aber wir dürfen nicht zulassen, daß dieses Wissen uns blind und taub macht für all das, was wirklich etwas bedeutet, all das, was unser Leben trägt und ihm Sinn, Wahrheit und Bedeutung gibt.

Möge uns die Weisheit zuteil werden, daß wir uns von diesem Licht leiten lassen, das mit dem Kind in der Krippe in der Weihnacht in die Welt kam. Amen.

Pfarrer Erik Bredmose Somonsen
Præstebakken 11
DK-8680 Ry
Tel.: ++ 45 - 86 89 14 17
E.mail: ebs@km.dk

Übersetzung aus dem Dänischen: Eberhard Harbsmeier

 


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