Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach

2. Weihnachtstag, 26. Dezember 2004
Predigt über
Johannes 8, 12-16, verfasst von Monika Waldeck
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)


Der 2. Weihnachtstag ist angebrochen und Sie haben sich auf den Weg in die Kirche begeben.
Was erwarten Sie am heutigen Morgen vom Gottesdienst?

Wenn wir uns jetzt darüber austauschen würden, käme wahrscheinlich sehr Unterschiedliches zusammen.

Es ist die Zeit nach dem Heiligen Abend, der den ersten Höhepunkt des
Weihnachtsfestes darstellt, für viele Menschen eine Zeit hochgespannter
Erwartungen, nicht nur für die Kinder.
Wer einen guten Kontakt zu seiner Familie hat, verbringt diese Tage mit ihr und oft ist
die Vorfreude auf die Begegnung mit den anderen groß. Gemeinsame Erlebnisse
stehen auf dem Programm, Essen und erzählen, der Kirchgang, um sich vom
Krippenspiel der Kinder anrühren zu lassen oder die feierliche Christmette zu
erleben. Man versichert sich der anderen und gewinnt darin selbst Sicherheit.

Wenn Weihnachten mit so hohen Erwartungen besetzt ist, sitzt die Enttäuschung über nicht erfüllte Hoffnungen umso tiefer.
Mitarbeiter/innen der Beratungsstellen, Notdienste oder Telefonseelsorge können ein Lied davon singen, wie die häusliche Gewalt in diesen Tagen explodiert, aber auch, wie Menschen sich fühlen, für die der Wunsch auf ein gemeinsam verlebtes Fest unerfüllbar bleibt.
Einsamkeit zu Weihnachten ist bitterer als zu anderen Zeiten des Jahres.

Manch einer mag sich wünschen, das Fest wäre schon vorbei, weil er vielleicht gerade in diesem Jahr seine Arbeit verloren hat wie so Viele in unserer Region. Da ist es schmerzhaft, nicht mehr einfach Geschenke einkaufen zu können wie sonst und mit Angst auf die Veränderungen durch die Sozialreformen im kommenden Jahr zu blicken.

Heute ist der 2. Weihnachtstag. Das Fest neigt sich langsam dem Ende zu. So fühlen wir es, obwohl der Weihnachtskreis der Kirche erst jetzt beginnt.
Schade, sagen die einen, Gott sei Dank die anderen.
Und wir, die wir heute morgen hier versammelt sind?

Vielleicht kehrt jetzt erst bei einigen von uns Ruhe ein, die Gedanken auf den Grund dieses Festes zu richten.
Vielleicht ist es für andere leichter, heute, an diesem Brückentag zum Alltag in die Kirche zu kommen.
Vielleicht wünschen wir uns, dass etwas eingelöst wird von den Versprechen, die das Fest für uns auch in diesem Jahr wieder nicht gehalten hat.
Vielleicht möchten wir heute einfach noch einmal die Lichter des Festes in uns aufnehmen.

Ein weihnachtliches Wort des erwachsenen Jesus begegnet uns heute morgen im Text des Johannesevangeliums., wo es heißt:

"Da redete Jesus abermals zu ihnen und sprach: Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben.
Da sprachen die Pharisäer zu ihm: Du gibst Zeugnis von dir selbst; dein Zeugnis ist nicht wahr.
Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Auch wenn ich von mir selbst zeuge, ist mein Zeugnis wahr; denn ich weiß, woher ich gekommen bin und wohin ich gehe; ihr aber wisst nicht, woher ich komme oder wohin ich gehe.
Ihr richtet nach dem Fleisch, ich richte niemand.
Wenn ich aber richte, so ist mein Richten gerecht; denn ich bin`s nicht allein, sondern ich und der Vater, der mich gesandt hat."(Joh 8, 12-16)

Vertraut sind uns die Worte vom Licht am Anfang, er wird oft als Konfirmanden-, Tauf- oder Trauspruch gewählt, weil er als Leitwort über einem ganzen Leben stehen kann.
Jesus sagt von sich, er sei das Licht der Welt und spricht uns unmittelbar an, denn wir wissen: Ohne Licht gibt es kein Leben, ohne Licht wären wir verloren.
Denen, die daran glauben, verspricht Jesus das Licht des Lebens. Da verliert die Angst ihren Schrecken.
Das klingt ermutigend, besonders in dieser Festzeit, die bei uns so hoch geschätzt ist, aber auch so enttäuschend erlebt werden kann.
Solch ein mutmachendes Wort wünsche ich mir in einer beängstigenden verunsichernden Lebenssituation, denn es lässt mich fühlen, dass ich einen starken Beistand im Rücken habe, eine Kraft, die von Gott kommt.

Damals, zur Zeit Jesu, empfanden besonders die Pharisäer dieses Wort als Zumutung. Wie kann ein Mensch behaupten, die Kraft Gottes, das Licht der Welt zu sein? Das gab es noch nie, das setzt alle Sicherheiten und Regeln außer Kraft.
Unbeweglich, wie erstarrt scheinen sie im Text, abwehrend in ihrer Haltung.

Jesus antwortet ihnen, dass sie nichts verstanden hätten.
Weder von Jesus, noch von sich selbst.
Er gebraucht Worte der Bewegung: „nachfolgen“, „wandeln“, „kommen“, „gehen“.
Und wir verstehen, dass wir selbst angesprochen werden.
Er will uns herauslocken, will uns ermutigen, Schritte zu tun aus der Erstarrung heraus.
Wir erhalten eine Verheißung, Jesus hilft uns zu sehen, was Glaube bedeutet: eine Bewegung aus dem Gewohnten heraus.
Aus der Abwehr gegen andere, aus den Vorurteilen und den Ängsten, aus unseren Schicksalen und den Traurigkeiten, aber auch aus Sicherheiten und privatem Glück.
Das Licht ist in die Welt gekommen. Jesus Christus ist geboren. Gott hat eine Beziehung zu uns aufgenommen.

Wie ich etwas davon spüren kann?
Eine Szene aus unserer Studentengemeinde fällt mir ein.

Nach der Weihnachtsandacht sitzen wir noch eine Weile bei Plätzchen und Tee zusammen. Vier Studenten sind das erste Mal gekommen.
Vorher waren sie bei einer Zenmeditation.
„Dann können wir die Weihnachtsfeier in der ESG auch noch besuchen“, haben sie sich gedacht.
Wir kommen ins Gespräch und tauschen uns über die verschiedenen Weisen der Meditation in den östlichen und westlichen Kulturen aus.
„Mir ist aufgefallen“, sagt eine der Studentinnen, „dass es hier viel wärmer war.
Bei der Zenmeditation sass jeder mit dem Gesicht zur Wand, es gab klare, strikte Anweisungen, man begab sich allein auf die Reise zum Nichts hin. Das war mir sehr fremd.
Aber hier: Die Kerzen in der Mitte und die Gedanken zur Bibelstelle, die das Kind in der Krippe und seine Bedeutung für uns beschreiben, dazu wir alle im Kreis und mit unseren eigenen Gedanken dazu, da ging mir richtig das Herz auf. Da fühlte ich mich auf einmal wie zu Hause, ich wusste, hier gehöre ich hin.“

Diese Aussage war nicht als Diffamierung einer anderen Kultur gemeint. Sie machte die Besonderheit des christlichen Glauben deutlich.
Ich hörte in ihr, dass die Studentin einen Kontakt fand zu ihren eigenen religiösen Wurzeln.
Und das brachte in mir selbst etwas zum Klingen.
Denn das ist ja das Entscheidende des Christentums: Es hat etwas Wärmendes.

Gott nimmt zu uns Menschen Beziehung auf. Zu Weihnachten wird er als das Licht der Welt geboren, als kleines Kind. Er weiß also, wie wir uns fühlen in unserer Schutzlosigkeit, in unserer Angst und Ungeborgenheit.
Und kann uns so aus ihr herausführen.
Im Glauben an Jesus Christus, das Licht der Welt, können wir die Finsternis hinter uns lassen. Das ist das Versprechen Gottes, das Weihnachten besonders fühlbar und greifbar wird.
Vielleicht veranlasst dies nicht nur mich, heute in den Gottesdienst zu gehen.

Ich möchte Anteil an diesem Heilsereignis haben, mich verknüpfen mit den Menschen, die vor mir gelebt und daran geglaubt haben.
Ich möchte entdecken, was mir in der Ungewissheit meines Menschseins Halt und Kraft und Sinn gibt.
Ich möchte eine Antwort finden auf das Geschenk Gottes an mich. Es wird eine Antwort sein, die nur im Glauben gegeben werden kann. Argumente haben hier ihre Grenzen.

"Ich bin das Licht der Welt", sagt Jesus zu uns an diesem Weihnachtstag, "wer an mich glaubt, der wird nicht in der Finsternis wandeln."
Wir dürfen daran glauben, an jedem Tag unseres Lebens. Amen.

Monika Waldeck, Studentenpfarrerin
waldeck.esg-wiz@ekkw.de


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