Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach

Christfest I, 25. Dezember 2004
Predigt über
Micha 5, 1-4a, verfasst von Jan Szarek (Polen)
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)


Micha 5, 1-4a. Du, Bethlehem Efrata, die du klein bist unter den Städten in Juda, aus dir soll mir der kommen, der in Israel Herr sei, dessen Ausgang von Anfang und von Ewigkeit her gewesen ist. Indes läßt er sie plagen bis auf die Zeit, daß die, welche gebären soll, geboren hat. Da wird dann der Rest seiner Brüder wiederkommen zu den Söhnen Israels. Er aber wird auftreten und weiden in der Kraft des Herrn und in der Macht des Namens des Herrn, seines Gottes. Und sie werden sicher wohnen; denn er wird zur selben Zeit herrlich werden, so weit die Welt ist. , er wird der Friede sein.


Nach langer Zeit ist im Januar 2000 mein Wunsch, das Heilige Land zu besuchen, in Erfüllung gegangen. Ich konnte mit einer Reisegruppe aus Polen 10 Tage in Israel verbringen. Wir haben in Bethlehem gewohnt und von da viele Ausflüge gemacht.
Alles was in den letzten Jahren über Bethlehem in den Medien zu lesen und zu hören war, konnten wir an Ort und Stelle beobachten. Krieg, Besatzung, Stacheldraht, Not und Tod haben wir mit den eigenen Augen fast jeden Tag gesehen.

Alle diese schrecklichen Bilder passen nicht in unsere schöne Weihnachtszeit, aber so schaut unsere tägliche Welt aus. Das war schon zu Zeiten des Propheten Micha nicht anders. Das Land und Bethlehem wurden zwischen den Weltmächten zerrieben.
Von dem Königreich Israel ist nur eine kleine Insel – das Südreich zurückgeblieben und das sollte auch bald untergehen. Bethlehem, das 7,5 km von Jerusalem entfernt gelegene Städtchen, hatte in dieser Zeit keine strategische und politische Bedeutung.
Aber gerade diese kleine Siedlung in Juda war der Geburtsort des König David. Der Prophet spricht hier von einem neuen König:
„Aus dir soll mir der kommen, der in Israel Herr sei, dessen Ausgang von Anfang und von Ewigkeit her gewesen ist“. (Micha 1,1.)Diese Worte haben die Hohenpriester bezogen auf den Messias, den König, der sein Volk erretten würde.
Auf diesen neuen Spross aus dem David Stamm, den Messias, wartete seit 700 Jahren vor den Tagen Micha, dass Volk Israel. Unter ihnen auch Simeon, Hanna und viele andere warteten auf die Erlösung Jerusalems.

Lange mussten alle warten, dass die Weissagung des Propheten Micha sich erfüllte, bis die Zeit kam und Lukas konnte berichten. „Und als sie dort waren, kam die Zeit, dass sie gebären sollte“(Luk.2,6.).
Still und verborgen wird in Bethlehem ein Kind aus davidschen Königgeschlecht geboren. Jesus Christus wurde in Bethlehem in Juda geboren. Dieses “gottverlassene Nest“ hat Gott zum Geburtsort seines eigenen Sohnes erwählt, nicht Jerusalem oder Rom, ganz im Schatten der gewaltigen Metropolen. Ja, Gott hat eine merkwürdige Vorliebe für das Kleine, für das Geringe, für die Verachteten, für die, die man übersieht und von denen man nichts erwartet.
Dieses hilflose Menschenkind entspringt unmittelbar dem Herzen Gottes. Es verkörpert die erbarmende Liebe Gottes. Es steigt wie ein guter Hirte in die Schluchten der Welt um die Verlorenen heimzutragen. Jesus kam zu uns als der gute Hirte. Micha gebraucht das Bild vom guten Hirten, wenn er sagt: „ Er wird auftreten und weiden...“. Jesus hat sein Leben für uns eingesetzt (Joh.10.11). Er hat uns durch seinen Tod befreit von den Mächten, die unser Leben zerstören wollen.

Weinachten ist ein Fest der Freude und wir haben noch in den Ohren das Engelswort: „ Siehe, ich verkündige euch große Freude“.
Die Tür zur Freude steht offen, wir brauchen nicht mehr zu warten. Jesus Christus ist gekommen. Weinachten ist ein Weg zu uns, zu dir.
Die Tür zu Gott steht offen. Jetzt wartet Gott auf uns, dass wir kommen.

Wir haben guten Grund zu Freude, weil Gott einen neuen Anfang gemacht hat. Womit? Dass Er uns den Friedensfürst gegeben hat. Jesus Christus ist unser Friede, so bezeugt der Ap. Paulus. Er hat Frieden für uns geschaffen am Kreuz (Eph 2,15.), bei ihm gibt es Vergebung für alle Schuld, er hat weggenommen, was uns von Gott trennte. Frieden ist ein Zustand, in dem wir mit Gott verbunden sind, ihn als Bundesgenossen haben.
Das prophetische Wort sagt uns: Der Friede, den wir uns wünschen, ist nicht eine Utopie, von der wir vergeblich träumen, sondern der Friede ist auf Erden! Ein Anfang ist gemacht, der Friedenherrscher, der Friedefürst ist gekommen! Er möchte auch in unseren Herzen Frieden schaffen, uns mit dem himmlischen Vater versöhnen. Nur der Friedefürst kann unseren Konflikt mit Gott bewältigen.

Viele Menschen haben schon die Erfahrung gemacht, dass Christus uns auf dem Weg der Nachfolge verändert, so dass wir zu Friedensstiftern werden. In einer Zeit voller Unruhen, Konflikten und Kriegen ist friedensförderndes Verhalten der Christen nötig. Aber ohne Frieden mit Gott gibt es keinen dauerhaften Frieden unter den Menschen.
Wir wissen auch, dass ein weltumspannender Friede, den sich unzählige Menschen wünschen, nicht allein von uns Menschen machbar ist. Aber wir haben Grund zur Freude und zur Hoffnung, weil der Friede das letzte Wort ist. Frieden und Freude sind Kennzeichen des Reiches Gottes (Röm. 14.17). Diesen dauerhaften Frieden, der keine Grenzen kennt wird uns Christus bringen, wenn er wiederkommt.

Gottes Zusagen durch den Propheten Micha gleichen einem Weihnachtspaket, das Gott uns schickt, das wir auspacken dürfen. Seine Geschenke sollen wir fröhlich in unseren Alltag mitnehmen. Mitten in Unfrieden, mitten im Hass und mitten im Krieg hat er, der Friede ist, seine Herrschaft angetreten, und dieser Friede hat das letzte Wort.
Amen .
(Zu dieser Predigt kann man auch das polnische Lied:“ Unfriede herrscht auf Erden..“ im EG Nr. 617 von Z. Jasnota 1977 gebrauchen)


Dr. Jan Szarek
Altbischof der Ev.-Augsburgischen Kirche
in Polen
j.szarek@luteranie.pl


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