Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach, Redaktion: R. Schmidt-Rost

Karfreitag, 9. April 2004
Predigt zu Luthers 8. Invokavit-Predigt
verfaßt von Karl W. Rennstich

(zum Überblick)


Leitgedanke: Die Beichte –”ein tröstlich Ding“

Karfreitag kommt von kara und bedeutet: „Sorge, Kummer“. Im Englischen haben wir das Wort noch als care in dieser Bedeutung. Eng verbunden mit diesem Begriff ist aber auch karna „ verzweifelt sein“ und „Wehklage, Lärm, Geschrei“. Christen wollen an diesem Tag sich zurückbesinnen auf das, was in Jerusalem geschehen ist.
Zur Zeit Jesus feierte man das Passah Fest, das an den Auszug der Hebräer aus Ägypten erinnert. Am Passahfest wurde ein Lamm geschlachtet, denn das an die Türen geschmierte Blut des Lammes rettete einst den Vätern in Ägypten das Leben. Wenn jüdische Kinder fragen, warum feiern wir dieses Fest? So antwortet man ihnen: „Es ist das Passah Opfer zur Ehre des Herrn, der in Ägypten an den Häusern der Israeliten vorüberging, als er die Ägypter mit Unheil schlug, unsere Häuser aber verschonte.“
Das Passah - Opfer ist für uns Christen nun Jesus. Er wird deshalb seit alters Lamm Gottes genannt. Lamm und Blut sind nun mit Jesus verbunden. Das ist der Sinn von Karfreitag. Wir haben vorhin aus der Schriftlesung vernommen, dass Jesus am Kreuz gestorben ist. Von der dritten Stunde bis zur neunten Stunde hing er am Kreuz. Wissenschaftliche Untersuchungen haben ergeben, dass ein Mensch nach drei Stunden am Kreuz so schwere Schäden erleidet, dass er niemals überleben kann. Es besteht kein Zweifel daran, dass Jesus am Kreuz gestorben ist. Für Christen gehört der Tod Jesus am Kreuz zum Glaubensbekenntnis: ” gelitten unter Pontius Pilatus, gekreuzigt, gestorben und begraben“.

Wir sollten uns die Ereignisse, die hinter diesem Namen wieder ins Gedächtnis rufen:
Der Hauptmann und die Männer, die mit ihm zusammen Jesus bewachten, kamen zur Überzeugung, sie das Erdbeben erlebten und sahen, was geschehen war, dass dieser Gekreuzigte wahrhaftig der Sohn Gottes sein muss. Sie erschraken damals. Manche Theologen vermuten, dass der Hauptmann ein Soldat aus Germanien war. Flink machten deshalb die Deutschen Christen zur Zeit der Nationalsozialisten den Hauptmann unter dem Kreuz zum Deutschen! Sie schlossen daraus stolz, dass die Deutschen die ersten gewesen seien, die erkannten, dass Jesus der Sohn Gottes war. Und weil der Sohn Gottes damals kein Jude sein durfte, machte man ihn rasch zu einem deutschen Jesus.

Wie sich die Zeiten ändern! Heute vermeiden viele Deutsche zu sagen, dass der gekreuzigte Jesus, der Sohn Gottes war.

Liebe Gemeinde!

Der ”Wittenberger Kirchensturm“, die Frage nach dem richtigen Verständnis der Messe und das Mönchsgelübde, machten es Martin Luther unmöglich, sich noch länger auf der Wartburg auszuhalten. Dem besorgten Kurfürst Friedrich von Sachsen schrieb er am 5. Mai 1522, dass er sich keine Sorgen machen solle, denn er stünde unter dem Schirm des Höchsten, Jesus. Weil Martin Luther spürte, dass der Kurfürst schwach war im Glauben, wollte er ihn ”auf keinen Fall als den Mann ansehen, der mich schützen oder retten könnte“. Christus habe ihn nicht gelehrt, unter Schädigung eines anderen Christ zu sein. Vielmehr habe er mehrfach für den Kurfürsten gebetet, dass dessen Glaube wachsen möge.
In Wittenberg zeigt Martin Luther in seinen acht Predigten , die unter dem Namen Invokavitpredigten in die Geschichte eingegangen sind, den Mangel der Schwärmer auf, und die Schwäche des theologisch-philosophisch hochgebildeten Wissenschaftlers Philipp Melanchthon, der zu wenig Verbindung mit der so genannten Basis hatte.
Dem stellt Luther in seiner ersten Predigt am 9. März 1522 am Sonntag Invocavit die Hauptstücke des christlichen Glaubens und Lebens gegenüber. Die Wittenberg seien, so betont Luther, ersten s Kinder des Zorns und seien sich wohl bewusst, ”dass alle unsere Werke, Sinne und Gedanken ganz und gar nichts sind“ und zweitens , dass Gott seinen eingeborenen Sohn gesandt hat, auf dass wir an ihn glauben; und wer auf ihn vertrauen wird, soll von der Sünde frei sein und ein Kind Gottes. Es fehle den Wittenbergern aber drittens an der Liebe, “denn ohne diese Liebe ist der glaube nichts“ . Luther warnt die Christen in Wittenberg, sie sollten aufpassen, ”dass aus Wittenberg kein Kapernaum werde“ –und denkt dabei an Matthäus 11,23 wo es heißt:”... du, Kapernaum, wirst bis in die Hölle hinuntergestossen werden“.

Viertens tut uns auch not die Geduld. Es gehe nicht ohne Verfolgung, wenn die Christen ihren Glauben leben, doch ”so nimmt der Glaube durch viele Anfechtungen und Anstöße immer zu und wird von Tag zu Tag gestärkt“. ”Merke ein Gleichnis! Die Sonne hat zwei Eigenschaften: den Glanz und die Hitze. Es ist kein König so stark, dass er den Glanz der Sonne biegen oder lenken könnte; der bleibt an seinem Orte. Aber die Hitze lässt sich lenken und biegen und ist immer um die Sonne herum. So muss der Glaube allezeit rein und unbeweglich in unserem Herzen bleiben, und wir dürfen nicht davon weichen; aber die Liebe biegt und lenkt sich, (je nachdem) unsere Nächster begreifen und folgen kann. Es gibt etliche, die können gut rennen, etliche wohl laufen, etliche kaum kriechen. Darum dürfen wir nicht unser Vermögen, sondern das unseres Bruders betrachten, damit der im Glauben Schwache nicht vom Teufel zerrissen werde, wenn er dem Starken folgen wollte“.

Zu den wirklich großen Dingen gehört die Beichte
In seiner achten Predigt geht Luther dann auf das Thema Beichte ein. Sie sei ”ein tröstlich Ding“ , denn sie bestehe aus zwei Teilen, dass man die Sünde bekenne und dass man die Absolution oder Vergebung vom Beichtvater empfange als von Gott selbst; wenn man nicht daran zweifle, sondern fest glaube, seien die Sünden dadurch vergeben vor Gott im Himmel.

Die Urbeichte finden wir beim Karfreitagsgeschehen am Kreuz. Lukas berichtet (23, 32 – 49) vom Gespräch der zwei rechts und links von Jesus mitgekreuzigten Männer. Der eine spottet. Der andere wendet sich gegen seinen Mit- Hängenden und bekennt seine Schuld: ”denn wir empfangen, was unsre Taten verdienen; dieser aber hat nichts Unrechtes getan. Und er sprach: Jesus, gedenke an mich, wenn du in dein Reich kommst! Jesus wird zu Beginn der Kreuzigung zum Anwalt: ”Vater vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!“ Und hier wird er schließlich zu dem, der sein Wort mit der Tat in Übereinstimmung bringt. Jesus Schweigen führt zu seinem Tod. Schweigen ist auch ein Modus des Redens. Doch das Tiefste ist das Wort: ”Absolvo te - ich spreche die los und frei“ hat seine Beglaubigung im Wort Jesus: ”Wahrlich, ich sage dir: heute wirst du mit mir im Paradies sein” Lukas 23, 43)

Die eigene Schuld einzugestehen fällt vor allem uns Deutschen offenbar sehr schwer. Wir finden die tollsten Ausreden- und das ist wohl auch der Grund für die Unfähigkeit der Deutschen die notwendigen Reformen in Angriff zu nehmen. Immer ist der andere schuld. Wie ein Mehltau legt sich das auf die Gesellschaft. Wir erleben diese Tragik in besonderer Weise heute in den Diskussionen über die notwendigen sozialen Reformen und im Verhältnis der Generationen zu einander.

Die Beichte ist ein ”tröstlich Ding“, - wenn sie denn geschieht. Denn Worte sind nicht Schall und Rauch. Worte sind eng verbunden mit dem, der sie sagt. Vàclav Havel sagte in seiner Rede anlässlich der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels zum Thema: Ein Wort über das Wort. ” Dasselbe Wort kann einmal ein Baustein des Friedens sein, und ein anderes Mal kann jeder einzelne seiner Laute vom Echo der Maschinengewehre dröhnen".
Im Deutschen ist ”Wort“ verbunden mit ”Name“ und  hängt wohl auch mit ”sagen” zusammen. Das im Alten Testament in der Ursprache benutzte Wort dabar hängt aber auch mit Wüst e zusammen. Wüste ist ein Symbolwort für Angst, Not, Hunger und Verzweiflung . In der Wüste gibt es die Ermattung. Menschen straucheln und fallen vor Durst nieder. Sie werden müde und können und wollen nicht mehr weitergehen. Wüste gibt es auch im Alltag: Der Blick nach vorne ist wie verschlossen. Alles sieht dunkel aus. Die Hoffnung hat keine Kraft mehr. Nur der Druck, die Depression bleibt. Unter Depression zu leiden ist schlimm, denn es gibt dann keine Freude mehr, die Freude aber ist das Frohlocken des Herzens, das Beschwingende im Leben. Fehlt diese Freude, dann fehlt die Springfeder des Lebens und alle Probleme werden wie riesige Berge, die über einem zusammenfallen. Sie lassen nur noch den Blick nach hinten offen. Dieses Wort »hinten« hängt in der Bibel auch mit dem Wort (dabar) zusammen. In der Depression gibt es keine Zukunft mehr, es kommt nichts mehr von vorne auf einen zu – Zukunft -, sondern es gibt nur noch die belastende, bleierne Vergangenheit und Gegenwart. Angst heißt eigentlich die Gurgel zuschnüren , so dass man nicht mehr atmen kann.
Hoffnung und Trost gehören zusammen
Die Hoffnung hat ihren Grund nicht im Menschen selber, sondern sie kommt von außen. Die Hoffnung macht den Menschen stutzig, sie läßt ihn »in Erwartung aufspringen« und hüpfen. In der Jägersprache weiß man noch, dass unser deutsches Wort verhofft mit der Überraschung verwandt ist: Der Hirsch »verhofft« bedeutet: er sieht sich um, stutzt, er läßt sich erschrecken und fängt zu hüpfen an. Die auf Jahwe hoffen, erhalten plötzlich eine neue Energie, sie können wieder gehen, ohne durch Depression niedergedrückt zu werden; sie können ohne Ermüdung durchhalten, weil ihnen Kraft zukommt. Das ist der Trost. Trost hängt mit trauen und treu zusammen. Wie so viele andere Worte wurde das Wort Trost durch die keltischen Missionare in die deutsche Sprache eingeführt. Zuversicht, Vertrauen und getrost heißt » mit Vertrauen erfüllt « sein. Treue und trauen hängen aber mit dem Wort »glauben« zusammen. Der Glaubende wird »beherzt«. Sein leeres Herz wird gefüllt mit einer neuen Hoffnung, die ihm wieder Mut gibt, so dass er nach vorne sehen kann und nicht mehr nur nach hinten. Und was sieht er vorne ? Er sieht, dass vor ihm einer geht, dem er nachfolgen kann. Einer, der durch die Tiefe des Leidens hindurchgegangen ist bis ans Kreuz und ins Dunkel des Grabes hinabgestiegen ist. Der aber aus diesem dunklen Grab herausgeholt worden ist und lebt. Er ist unsere Zu-kunft. Er kommt auf uns zu am Ende der Zeit und nimmt uns als die Seinen auf.
Beichte und Wiedergutmachung nach Bartolomé de Las Casas (1484- 1566 )
Zur gleichen Zeit wie Martin Luther bemühte sich der Spanier Bartolomé de Las Casas um das rechte Verständnisses der Beichte in Lateinamerika, in einem völlig anderen kulturellen Kontext, nämlich der brutalen staatlichen Missionierung eines mittelamerikanischen Landes unter dem Vorzeichen der neuen Religion ”Profit“ – damals Gold genannt.

Der Sohn eines Kaufmanns aus altem Adelsgeschlecht in Sevilla, kam 1502- nach dem Studium der alte Sprachen, Geschichte und Philosophie - mit seinem Onkel auf einem der 32 Schiffe unter der Leitung von Kolumbus nach Westindien. Inzwischen waren die kolonialen Handelsniederlassungen dem so genannten Encomienda System gewichen, das Indios zu Leibeigenen und Sklaven machte. Der Großgrundbesitzer und Sklavenhalter Bartolomé De Las Cassas brachte Schweine und andere Haustiere aus Europa in die Neue Welt. Von 1507-09 studierte er Theologie in Rom und feierte 1510 als erster katholischer Priester die erste Primiz in der so genannten Neuen Welt , ohne ”einen Tropfen Wein, da es auf der ganzen Insel keinen gab“. Im gleichen Jahr kamen auch drei Dominikanermönche nach Espanola. Als Kaplan nahm Bartolomé De Las Cassas an der Eroberung Kubas teil, die er in seiner Historia des las Indias « ausführlich beschreibt. Nach seiner Bekehrung Pfingsten 1514 gibt er allen Besitz an die Indios zurück und widmet sein Leben dem Schutz der misshandelten und unterdrückten Indios. Er verweigert den spanischen Großgrundbesitzern die Absolution bei der Messe, wenn sie nicht bereit wären, ihre Besitzungen an die Indios zurückzugeben, denn es sei geraubtes Gut.
1516 veranlasst er den Kardinalregenten Cisneros zu einem Reformplan für Westindien und wird zum »universalen Prokurator aller Indios in Westindien« eingesetzt. Er scheitert 1521 mit seiner Missionssiedlung in Paria und wird 1523 Dominikaner im Kloster Santo Domingo und gründete das kleine Kloster Puerto de la Plata. In der Zeit der »Eroberungen« durch Cortes un d Pizzaro, schrieb Las Casas sein berühmtes Werk De Unico Vocationis modo omnium Gentium ad Veram Religionem . Es ist die erste Missionstheologie zur Zeit der Reformation im Geiste der spanischen Spätscholastik. Darin entwickelte er seine Theorien über die Rechtsgrundlagen und Methoden der Kolonisation in Amerika. 1542 erhob er auf der von Karl V. einberufenen Junta von Valladolid Anklage gegen das spanische Kolonialsystem. Das führte zum Erlass der » Neuen Gesetze «.
Auf Anweisung von Karl V. wurde er Bischof von Chiapa, konnte jedoch 1545 seine Pläne leider nicht durchsetzen und verzichtete bald wegen des Widerstandes der spanischen Siedler auf sein Bischofsamt. Von 1547 bis 1566 kämpfte er in Spanien weiter für die Rechte der unterdrückten Indios und gegen die Mißstände in Amerika. Er war der erste, der den Sklavenhandel als Verbrechen und Sünde bezeichnete, obwohl er selber noch als Sechzigjähriger 1544 »vier Negersklaven, durch königliche Gunst ihm zugesandt« als Bischof von Chiapa bei sich hatte. Aber 1552 erkannte er bei seiner zweiten Bekehrung auf Grund von Sprüche 24,11-12 seine Mitverantwortung für den Sklavenhandel. Von nun an kämpfte er für die Befreiung der Sklaven in aller Welt - wie ein Exkurs in der Historia zeigt.
Siebzig Jahre nach der Eroberung Haitis durch Kolumbus, als alle Konquistadoren gestorben waren, legte der Prokurator und Anwalt aller Indios 1564 vor Kaiser, Prinz und Indienrat, angesichts des nahenden Todes ”im Namen der Dreifaltigkeit“ Zeugnis ab von sich selbst: ”Ich lasse in Westindien Jesus Christus, unseren Gott zurück: gegeißelt, gequält, geohrfeigt und gekreuzigt, und zwar nicht nur einmal, sondern tausendfach“. Las Casas wurde als Missionar zum Politiker, Anthropologen, Theologen, Juristen, Historiker und Naturwissenschaftler.
Seine Gegner in Spanien klagten Las Casas der lutherischen Häresie an, besonders deshalb, weil er das biblische Verständnis der Beichte zum Zentrum seiner Theologie gemacht hatte.
Echte Buße ist Las Casas zufolge der erste Schritt auf dem Weg zur Gewinnung der Menschen für Christus . Er verweist auf den Satz des Kirchenvaters Augustin, dass „der Mensch durch den Glauben gerechtfertigt werde, ohne die guten Werke“ (UVM, S. 448). Aber er betont meistens aus den Schriften des Augustin und aus der Bibel diejenigen Stellen, die eindeutig davon sprechen, dass der Glaube sich durch die Werke sichtbar erweisen müsse. Weil Las Casas in seinem Werk vor allem ein ethi­sches Anliegen vertritt, können wir auch kaum erwarten, dass er sich ausführlich mit der Frage des Zusammenhangs von Glaube und Werken und ihrer Beziehung zur Rechtfertigung beschäftigt. Er wehrt sich einerseits gegen eine rein theoreti­sche Busse und Rechtfertigung, die sich nur abstrakt im Geist des Menschen vollzieht und keine praktischen Konsequenzen zeigt und andererseits gegen ein oberflächliches Verständnis von ”Werken“. Mit Augustin betont Las Casas „keiner soll sich für einen Christen halten, außer er praktiziert die Lehre Christi und ahmt sein Beispiel nach. Denn kann man den für einen Christen halten, des­sen Brot keinen Hungrigen sättigt? Dessen Trank keinen Durst löscht? An dessen Tisch keine Armen speisen?.“ (UVM, S. 448- 450). Die Umsetzung der Liebe in den Werken der Barmherzigkeit bringt die Liebe zur Vollendung. (UVM, S. 452). Diejenigen Christen, die an der Eroberung der Neuen Welt be­teiligt seien, würden leider oft ge­rade das Gegenteil dessen tun, was Christen praktizieren sollten. Las Casas nennt diese Menschen ”Namenschristen“ (UVM, S. 472).
Wenn Übeltäter nach began­genen Schandtaten auf dem Totenbett liegen, tun sie so als ob sie die läng­ste Zeit in größter Askese Buße getan hätten und bekennen, dass Gott gnä­dig sei und barm­herzig. In ihrem Testament verfügen sie, dass man aus dem Nachlass einige Arme einkleide, oder dass man in irgendeinem Kloster einen Altar errichte, an dem man regelmäßig die Messe lesen könne. Doch das sei noch nicht ein gutes Werk im Sinne der Bibel. Las Casas erinnert daran, dass bereits Augustin schreckliche Beispiele erzählte habe von Menschen, die Gott dankten, weil sie durch Diebstahl zu Reichtum ge­kommen waren oder die Almosen gaben, von dem Geld, das sie durch Ungerechtigkeit erworben hätten (UVM, S. 446- 448). Ein begangenes Unrecht kann nach Las Casas nicht durch irgendwelche Art von „guten Werken“ gesühnt wer­den. Gewalt in irgendeiner Form gegen einen Mitmenschen kann nur durch Wiedergutmachung und durch Genugtuung gesühnt werden.
Wiedergutmachung ist vor allem notwendig für die Seligkeit dessen, der Unrecht getan hat, denn „ohne vollständige Wiedergutmachung und Genugtuung kann man nicht gerettet werden.“ Las Casas verweist auch in diesem Zusammenhang auf Augustin, der geschrieben habe: „Wenn das fremde Gut, durch das man gesündigt hat, zurückgegeben wer­den kann, aber nicht zurückge­geben wird, so ist dies keine echte Buße, sondern nur eine vorgetäuschte, und die Sünde wird nicht vergeben, außer man gebe das Gestohlene zurück.“ Echte Buße zeigt sich nach Las Casas darin, dass begangenes Unrecht wieder gutge­macht wird. Was auf der Beziehungsebene zum Mitmenschen an Schaden ange­richtet wurde, muss reziprok wiedervergolten werden. Wiedergutmachung muss deshalb nach Las Casas ganz konkret geschehen. Das Einkleiden von Armen oder die Spende von Almosen genügen nicht. Auch nicht der Wiedergutmachungsversuch in vertikaler Beziehungsebene wie Askese oder die Stiftung eines Altars.
Echte Buße hat nach Las Casas immer zwei Dimensionen: eine vertikale und eine horizontale Dimension . Nur wenn beide praktiziert würden, genüge man der Forderung Gottes, wie sie in der Heiligen Schrift niedergelegt sei, denn echte Buße umfasse die Beziehung des ein­zelnen Menschen zu seinem Mitmenschen und die Beziehung des ein­zel­nen Menschen zu Gott.
Las Casas richtet sich in seiner Abhandlung, De Unico vocationis modo om­nium gentium ad veram religionem in erster Linie an die Unterdrücker. Das waren damals die Spanier in enger Verbindung mit anderen christli­chen Ländern in Europa. Im Jahre 1542 hörte Karl V. von Spanien, der Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation den Bericht aus dem Munde von Las Casas, der in einer weiß- schwarzen Kutte vor ihm stand und viele Jahre Mönch gewe­sen war in Haiti, und anderen mittel­amerikanischen Ländern. Las Casas war inzwischen ein alter Mann geworden. Er las aus seinem Brevisma ("Kurzer Bericht von der Verwüstung der Westindischen Länder") und betonte immer wieder: „Ich habe es selber gese­hen“! Mit Entsetzen hörte der Kaiser die Worte des gelehrten Mönches: „Die Christen machten breite Galgen und hängten daran zur Verherrlichung Christi und der zwölf Apostel je dreizehn Indianer auf.“ (Texte und Dokumentationen . Entdeckung, Eroberung, Widerstand. Missionswerk der Ev. Lutherischen Kirche in Bayern 2/ 91). Der Grund, dass die Christen so endlos viele Seelen getötet und vernichtet haben, ”war letztlich nur das Gold, um sich in wenigen Tagen so gewaltige Reichtümer aneignen zu können und in hohe Verhältnisse aufstreben zu können, die in keinem Verhältnis zu den Personen standen.“ (Ebenda )
Las Casas schreibt über die deutschen Kaufleute: ”sie wüteten weit grausamer unter ihnen (den Indianern) als alle be­reits erwähnten Barbaren (gemeint sind die Spanier); ja noch viehi­scher und ra­sender als die blutgierigsten Tiger und wütigsten Wölfe und Löwen. Vor Geiz und Habsucht handelten sie weit toller und verblendeter als alle Vorgänger, ersannen noch abscheulichere Mittel und Wege, Gold und Silber zu erpressen, setzten alle Furcht vor Gott und dem Könige und alle Scham vor Menschen hintenan; und da sie so große Freiheiten genossen und die Jurisdiktion des ganzen Landes in Händen hatten, so vergaßen sie beinahe, dass sie Sterbliche waren.“ (Europa im Weltsystem 1492- 1992 U. Duchrow / Junge Kirche- Beilage September 1991)
Karl V. zog sich aus Enttäuschung über den Verlauf der Geschichte der Kirche in Europa und in der Neuen Welt ins Kloster zurück und überließ die Regierungsgeschäfte seinem Sohn Philipp.
Amen

Gebet
Menschen gehen zu Gott in ihrer Not,
flehen um Hilfe, bitten um Glück und Brot,
um Errettung aus Krankheit, Schuld und Tod.
So tun sie alle, alle, Christen und Heiden.

Menschen gehen zu Gott in seiner Not,
finden in arm, geschmäht, ohne Obdach und Brot,
sehen ihn verschlungen von Sünde, Schwachheit und Tod.
Christen stehen bei Gott in seinem Leiden.

Gott geht zu allen Menschen in ihrer Not,
sättigt den Leib und die Seele mit seinem Brot,
stirbt für Christen und Heiden den Kreuzestod,
und vergibt ihnen beiden.
(Dietrich Bonhoeffer)

Prof. Dr. Karl W. Rennstich
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Tel: +49-(0)7121-372651
Mobile: +49-(0)174-595-5914
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