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Okuli,
14. März 2004 |
Von Kleidern und Bildern Die dritte Invokavitpedigt Luthers handelt von den Dingen, die weder verboten noch geboten sind, nämlich dem Mönchtum und den "Bildern". Folgt man den Ausführungen in dieser Predigt, so wollte Luther weder Mönchtum noch Bilder abschaffen, sondern beides sollte frei sein - Bilder und Mönchskutte sind erlaubt, man darf nur kein Gesetz und keinen Zwang daraus machen. Schwieriger ist die Sache mit den Bildern - aber auch aktueller. Aber eigentlich geht es um dasselbe. "Die Kappe erwürgt dich nicht", sagt Luther von den Mönchsgewändern - das ist richtig, aber kann man das auch von Bildern sagen? Sind Bilder wirklich so harmlos wie Mönchskleider? Ja sind Kleider eigentlich so harmlos? Für uns heute ist schwer nachvollziehbar, wie Luther noch Jahrelang in Möonchskleidern herumlaufen und dennoch den Papst eine Ausgeburt des Satans nennen konnte. Stehen Mönchskleider nicht gerade für falsche Gelübde, die den Menschen versklaven. Man denke heute an die Uniformen in den Kriegen, sie sind ja Symbole, Treueid gegenüber dem Führer, der Menschen unterdrückt hat, ja zu Verbrechen veranlaßt hat. Uniformen sind nicht harmlos - sie sind Symbole für eine Verpflichtung, sie heiligen die Gewalt und einen angeblich gerechten Krieg. Kleider sind nicht nur "äußerliche" Dinge, und selbst Luther hat wohl nach seiner Hochzeit aufgehört, in Mönchskleidung durch Wittenberg zu gehen. Von Uniformen geht Magie aus - deshalb nehmen wir das heute ernst - und man würde es wohl niemandem erlauben, heute noch in Naziuniformen herumzulaufen und sich damit herausreden, das sei nur ein äußerlich Ding und wolle die schönen Kleider nicht wegwerfen. Selbst die Soldaten, die nach dem Kriege mit Naziorden meinten herumlaufen zu müssen, entfernten doch das Hakenkreuz! Luther wußte vielleicht selbst, daß das so einfach nicht ist - deshalb manipulierte der die zehn Gebote und ließ das zweite Gebot aus als angeblich jüdisch und zeitbedingt (als ob das nicht Und heute wissen wir, daß Bilder unterdrücken können. Wir wissen auch, daß Revolutionen nicht gelingen können ohne einen Bildersturm. Wir alle haben das Bild in Erinnerung, als Sadam Husseins monumentale Statue von den Amerikanern niedergerissen wurde. Wahrlich kein Kunstwerk, aber ein monumentaler Abgott. Eine wichtige symbolische Handlung, wie das Stürzen der Lenin- und Stalindenkmäler bei den Revolutionen in Osteuropa. Wo ist da eigentlich der Unterschied zu Karlstadt damals in Wittenberg, der die Heiligenältäre niederriß? Der Heiligenkult, der Marienkult war für die Menschen damals wohl ebenso Symbol der Unterdrückung wie heute ein Sadam Hussein Statue oder ein Stalin- oder Lenindenkmal. Und haben es die Menschen damals nicht ebenso als Befreiungstat empfunden, daß nicht nur die Freiheit des Evangeliums verkündigt wurde, sondern auch die Symbole der Unterdrückung beseitigt wurden. Ist es nicht etwas naiv, zu verlagen, man solle die Sadam Hussein Statue nicht niederreißen, sondern statt dessen sich davor stellen und eine Rede über Demokratie halten. Wir wissen heute mehr als Luther: Die symbolische Tat, das Bild, wirkt stärker als viele Reden! Und Luther selbst: Ist nicht das Verbrennen von Büchern eine mindestens genauso revolutionäre Tat! Wieso darf man Bücher verbrennen, soll aber Götzenbilder stehen lassen? Ich denke, daß nur derjenige die Predigt Luthers wirklich nachvollziehen kann, der auch die Bilderstürmer und die Radikalität und den Zorn der Leute damals versteht. So wie ich heute die Menschen verstehe, die Stalindenkmäler stürzen, Stasigebäude stürmen oder Sadamstatuen einreißen. Ohne Aggressivität keine Revolution! Auch Luther kannte diese Aggressivität, wenn sie auch bei ihm mehr verbal in groben Attacken gegen den Papst ihren Ausdruck fand. Wie befreit man sich von einem solchen falschen Gottesbild? Durch Polemik, Aggression? Es gibt einen Roman, der heißt "Gottesvergiftung", der mit diesem falschen Gottesbild kämpft. Ein literarischer Bildersturm gegen das falsche Gottesbild. Ich denke, man muß diese Aggression verstehen können, die Wut der radikalen Reformatoren um Karlstadt in Wittenberg, den Haß Luthers gegen den "gerechten Gott", gegen das Papsttum. Die Wut gegen Unterdrückung und Verlogenheit der Mächtigen. Damals wie heute. Aber, und so verstehe ich heute Luthers Predigt gegen den Bildersturm: Bildersturm mag notwendig sein, keine Revolution ohne Bilderstrum. Eine Lösung ist er nicht. Das Denkmal Sadam Husseins ist umgestürzt - aber Demokratie ist dadurch noch nicht ausgebrochen, vielleicht eher Anarchie, Lenindenkmäler sind umgestürzt, aber deshalb ist die Freiheit noch nicht gekommen. Ich habe von einer Frau gehört, die nach einer sehr schmerzvollen Trennung von ihrem geliebten Mann das gemeinsame Ehebett in den Hof trug und eigenhändig mit der Axt zertrümmerte. Ihr Kommentar: Das war notwendig, das tat wirklich gut, es ging mir danach besser. Man versteht diese Frau, das war eine Befreiungstat! Vielleicht hatte Karlstadt ein ähnliches Gefühl, als er die Mönche aus einem Kloster vertrieb oder einen Heiligenaltar niedegerissen hatte. Er sah hier nicht Kunstwerke wie wir heute, sondern Symbole der Unterdrückung. Wer will ihm das eigentlich verdenken? Ein Befreiungsschlag ja. Aber keine Lösung des Problems. Da gebe ich Luther Recht! Bilder können unterdrücken, das hat Luther vielleicht unterschätzt, wir wissen heute mehr über die Macht von Bildern. Aber es gibt eine Unterdrückung in uns, die tiefer liegt, und eine Befreiung, die mehr ist als die Zerstörung von Symbolen der Unterdrückung, darin hatte Luther Recht.
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