Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach

Drittletzter Sonntag des Kirchenjahres, 7. November 2004
Predigt über
Matthäus 5, 13-16, verfaßt von Erik Høegh-Andersen (Dänemark)
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)


22. Sonntag nach Trinitatis, in Dänemark "Allerheiligen" bzw. Totensonntag

Licht ist etwas Merkwürdiges und Eigenartiges. Am Tage ist es überall. Im Himmel und auf Erden. Aber der Himmel selbst, leuchtet der? Nein, der Himmel leuchtet, die Sonne scheint. Die Sonne wirft ihr Licht in die Atmosphäre, in den Himmel und ruft so die Farbe des Himmels hervor, leuchtend blau.

Die Erde, die geschaffene Welt, leuchtet die? Nein, aber im Licht von oben wird alles deutlich. Im Licht von der Sinne sehen wir einander und die ganze geschaffene Welt in ihrer Mannigfaltigkeit und ihrem Reichtum.

Der Mond übrigens, leuchtet der? Nein, der Mond in sich ist ohne Farbe, eine Kugel, die tot und kalt ist. Aber die Sonne scheint auf den Mond, auch wenn es hier dunkel geworden ist. Deshalb scheint der Mond für uns in einem warmen und vertrauten Licht.

Aber der Mensch, kann der leuchten? Natürlich kann es das. Aber wiederum, das Licht verdankt sich nicht sich selber. Es scheint nur, weil es von etwas erfüllt und erleuchtet ist, das größer ist als es selbst. Es leuchtet, weil sich lebenschenkende Kräfte in ihm rühren. Eine Lebenslicht, das brennt. Es ist, als sei der Mensch von einem Leben berührt, einer Kraft, die letztlich von Gott kommt.

So sind wir wohl alle Menschen begegnet, von denen wir sagen können, daß sie leuchten. Man kann ihnen in die Augen sehen. Und man weiß: Hier ist Leidenschaft, Herzenswärme, hier ist eine tiefe Freude am Dasein. Ja, hier ist ein Mensch, der nicht in erster Linie an sich selbst denkt, sondern von etwas ergriffen ist, von etwas lebt, das tiefer ist und größer.

Heute ist Allerheiligen. Ein Tag, an dem wir besonders an unsere Toten denken. Die Worte: "Ihr seid das Licht der Welt" passen gut in diesen Zusammenhang. Denn daran denken wir: Menschen, die Licht in unser Leben gebracht haben und in das Leben der Welt. Und die je in ihrer Weise das Leben reicher und größer für uns gemacht haben, als es sonst wäre.

Wir gedenken natürlich nicht perfekter und vollkommener Menschen. Keine Heiligen, wenn man so will. Darauf werde ich zurückkommen. Sondern wir denken an Menschen, die ganz einfach im Guten wie im Bösen ihr Leben gelebt haben. Menschen aus Fleisch und Blut, die vom Leben berührt waren, vom heiligen gottgeschaffenen Leben. Menschen mit Vorzügen und Fehlern und Versagen, die uns aber etwas gegeben haben, das wir nicht missen möchten. Licht von denen, alles, was sie uns geschenkt und gelehrt haben, all das wollen wir heute bedenken und festhalten. Etwas, auf das wir stolz sind und für das wir dankbar sind. Denn wir wissen, daß wir etwas Wichtiges mit uns tragen. Wir wissen, daß es ein Licht gibt, das nicht versteckt oder ausgelöscht werden soll, sondern irgendwie bei uns bleiben und leuchten soll.

Ich glaube, daß wir hier etwas Wesentliches haben, an dem wir festhalten müssen. Es ist ja sonst gute lutherische Lehre, daß Heilige, jedenfalls Heiligenverehrung in unserer Kirche nichts zu suchen hat. Wir brauchen keine Heiligen als Zwischeninstanz zwischen Gott und uns, keine, die wir anrufen und anbeten können, damit unser Gebet auch an rechter Stelle gehört wird. Nein, hier stehen wir so wie wir sind vor der Liebe Gottes, vor Christus. Natürlich ist das korrekte lutherische Lehre. Christus allein.

Aber was uns Allerheiligen dennoch zeigen kann, daß ist dies, daß die Liebe Gottes uns auch durch andere Menschen erreicht. Ja, dort, wo wir vor allem etwas über Leben und Liebe gelernt haben, da geschah dies wohl bei den meisten von uns durch Menschen, denen wir in unserer Kindheit und später begegnet sind. Das können Personen sein, deren Worte wir gelesen haben und die uns in unserem leben etwas Neues vermittelt haben. Man lernt in so vielfältiger Weise und durch viele verschiedene Menschen von dem Entscheidenden, von dem Leben, daß wir nicht für uns leben, sondern für etwas, was größer ist als wir, für den anderen Menschen, für Gott.

Vielleicht kann man sagen, daß wir alle Prismen oder Spiegel sind, die je in ihrer Weise das Licht aus der Sonne der Liebe verbreiten. Manchmal sieht man das Licht wunderbar in einem anderen Menschen leuchten, in einer Weise und in einem Spektrum, das wir zuvor nicht gesehen haben. Das kann eine Offenbarung sein, einem solchen Menschen zu begegnen. Andere Male ist es fast nicht zu sehen, daß das Licht da ist, nur Mattheit und Finsternis ist im Blick des anderen. Als ende alles dort.

Aber das dementiert nicht, daß unsere Bestimmung darin besteht, daß es der Gedanke Gottes mit uns ist, daß wir mit unserem Leben, so unterschiedlich es bei diesem und jenem ist, seine Liebe widerspiegeln.

Und ein Heiliger, wenn wir überhaupt dieses Wort gebrauchen, das ist wohl ein Mensch, der in seiner besonderen Weise das Licht Gottes in der Welt verbreitet. Es handelt sich nicht darum, daß hier ein besonderer Status in bezug auf Gott wäre wie in der katholischen Kirche, sondern es geht um einen Menschen, der uns mit seinem Leben und seinen Worten etwas gezeigt hat, das wir sonst nicht gesehen hätten.

Ich möchte hier eine kleine etwas banale Geschichte nennen, die ihr vielleicht auch als Kinder gehört habt, um zu erklären, was ein Heiliger ist.

Ein Junge kommt in die Kirche zusammen mit seiner Mutter und fragt, was das für merkwürdige Figuren oben in den Glasfenstern sind. Das sind wohl irgendwelche Heiligen, sagt die Mutter. Was sind Heilige? fragt der Junge. Das weiß seine Mutter nicht. Aber als der Junge sie eine Zeitlang angeschaut hat, sagt er: "Nun weiß ich es, Heilige, das sind Leute, durch die das Licht hindurchscheint".

Leute, durch die das Licht hindurchscheint - das sollen wir in Wirklichkeit alle sein. "Kinder des Lichts", "Himmellichter, wenn auch klein" werden sie in unseren Liedern genannt.

Natürlich wissen wir, daß die Sonne selbst Licht und Leben bringt. Natürlich wissen wir, daß wir letztlich von der Liebe Gottes leben. Aber so wie wir an einem Sommertag nicht ohne weiteres immer die Sonne sehen können, sondern nur das, was die Sonne erhellt, so sollen wir auch die Liebe Gottes um uns herum sehen in der Welt, in der wir leben. Dort in der offenen Begegnung mit anderen wird das Evangelium Gegenwart, Wirklichkeit, dort setzt es sich durch, wird zu Erfahrung, Licht und Leben.

Dazu mag und die Feier der Allerheligen helfen, daß wir sehen: Wir brauchen unsere Geschichte nicht zu überspringen, um zu Gott zu kommen. Wir können auch unsere Augen öffnen, uns umsehen unter denen, die wir um uns haben, und denen, die vor uns waren. Menschen, die alle je in ihrer Weise göttliches Licht verbreitet haben, uns Einsichten gegeben haben, uns Wege gezeigt haben von unschätzbarer Bedeutung. Wir können daran denken, was Luther und Grundtvig und die anderen großen Liederdichter bedeutet haben. An die denken, die uns neue Horizonte gegeben haben und eine Basis, auf der wir stehen können.

Ihr seid das Licht der Welt. Ihr seid das Salz der Erde. Das Licht der Welt. Das Salz der Erde. Salz ist etwas, was die anderen Gewürze hervorhebt, dem Geschmack Charakter verleiht. Salz verhindert Verderben und Fäulnis, es reinigt, es beißt in offenen Wunden.

Ohne das Salz der Menschen wäre das Dasein leicht öde und langweilig, unser Leben würde verfaulen. Deshalb muß jemand zuweilen ausmisten, ja und nein sagen, auch wenn das beißt und weh tut. Es muß jemanden geben, der dazu beiträgt, daß unser Leben miteinander Fülle und Charakter bekommt und nicht nur zu gleichgültiger und verwässerter Geselligkeit verkommt.

Ihr seid das Salz der Erde, Ihr seid das Licht der Welt. Andere waren das vor uns. Nun aber liegt es an uns, das Licht durch unser Leben widerzuspiegeln, für das zu leben, was größer ist als wir selbst.

Und denke daran: Das Licht soll nicht verborgen werden, nicht unter den Scheffel gestellt werden. Wir sollen so auftreten, wie wir sind - natürlich nicht als perfekte Menschen, denn das sind wir nicht, und das sollen wir auch nicht sein, sondern als unvollkommene Menschen, die für etwas leben, das größer ist.

Das soll deutlich werden für unsere Kinder und für andere hier im Leben, es ist nicht gleichgültig, es lohnt sich, dafür zu kämpfen, es ist etwas Großes, mit dem wir es hier zu tun haben, das Licht hat gesiegt, die Nacht ist um, das soll man uns anmerken. Die Nacht, die alles verbergen und die Welt verfinstern will, daß wir glauben, alles habe nichts zu bedeuten.

Nein, ihr sein das Licht der Welt - ihr seid das Salz der Erde. Das ist eine enorme Erwartung, die in diesen Worten liegt. Eine Erwartung, die sagt: Es ist nicht gleichgültig, ob wir da sind oder nicht. Ob wir da sind mit unserer Gegenwart, Liebe, unseren Gedanken, Haltungen, unserem Leben.

Ja, es bedeutet ja nichts, was ich tue und sage, denken wir. Doch, es bedeutet etwas. Als Christen wissen wir von dem Größten, der Gnade Gottes, vom Licht der Liebe. Wir schulden einander, wir schulden unseren Kindern, daß das nicht nur zu Finsternis und Nichts in uns wird.

Unsere Würde, unsere vornehmste Lebensaufgabe ist, daß wir Licht des Himmels sind, auch wenn wir nur klein sind. Amen.

Pfarrer Erik Høegh-Andersen
Prins Valdemarsvej 40
DK-2820 Gentofte
Tel. ++ 45 - 39 65 43 87
e.mail: erha@km.dk


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