Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach

Erntedank, 3. Oktober 2004
Predigt über
2. Korinther 9, 6-15, verfaßt von Matthias Opitz
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)


Homiletische Vorüberlegungen:

Der Text steckt voll von Themen. Eines der zentralen ist wohl die Gerechtigkeit. Schließlich will Paulus mit der Sammlung für die Gemeinde in Jerusalem die Koinonia stärken. „Keine Angst vor gerechtem Handeln, Gott wird uns nicht unversorgt lassen.“ So könnte man wohl Paulus’ Argumentationsfigur zusammen fassen. Dabei greift er auf die Schöpfungstheologie in der hebräischen Bibel zurück, wie wir sie etwa in Psalm 8 finden.

Sicher mag es in einer Parochialgemeinde, reizvoll zu sein, das Thema Schöpfung und Gerechtigkeit auszubreiten. Die aktuelle politische Debatte gäbe hier die Themen vor.

Meine Hörer sind um grossteil hochbetagte Menschen aus der Geriatrie, die nun die Grenzen ihrer bisherigen Kraft spüren. (Patienten der Geriatrie und Schwestern im Ruhestand eines Diakonissenmutterhauses) „Welche Gaben hatte ich, und welche habe ich noch.“ Ist hier oft eine Frage. Ich möchte in Anlehnung an Paulus zeigen, wie verschwenderisch Gott uns mit Gaben und Möglichkeiten ausstattet. Wir müssten unsere Gaben – auch solche, die uns eher lächerlich vorkommen – nur einsetzen. Gottes Ausstattung mit Möglichkeiten endet auch nicht im Alter. Die eigenen Gaben immer wieder neu zu entdecken und in Einsatz zu bringen, das ist die Aufforderung meiner Predigt. Der Hörbarkeit wegen, stelle ich eine art Kunsmärchen in das Zentrum. Ich bin mir bewusst, dass ich in meiner Predigt die Gerechtigkeits- und Koinoniathematik des Textes außer acht lasse. Um der Hörer willen, gehe ich diese Verkürzung ein.

Predigt:

Liebe Gemeinde,

ich habe hier eine kleine Tüte mit Saatgut mitgebracht. Wenn ich diese kleinen Körner sehe, dann bin ich immer wieder erstaunt, dass daraus solche großen Früchte wachsen. Solche wie diese hier auf dem Altar! Welch ein Reichtum wohnt in der Natur, dass sie aus so kleinen Dingern Pflanzen macht, die Tiere und Menschen nähren und erfreuen können. Erntedank ist ein Tag, über dieses Wunder zu staunen.

Auch Paulus macht sich Gedanken über den Zusammenhang von Saat und Ernte. Er sammelte nämlich Geld für die verarmte Gemeinde in Jerusalem. Um der Korinther Geldbörsen zu öffnen, lässt er sie über Gottes schöpferischen Reichtum staunen:

„Habt keine Angst!“ sagt er zu seiner Gemeinde, „Gott gibt Samen und Brot genug –ihr könnt weitergeben! Die Früchte der Gerechtigkeit können unter euch wachsen und die Früchte des Dankes können in anderen Gemeinden gedeihen!“

Liebe Gemeinde, Ich will heute mit Ihnen nicht über ihr Geldvermögen sprechen. Ich möchte lieber auf das Bild von dem göttlichen Samen zurück kommen, und mit ihnen überlegen, was wir mit Gottes Gaben in unserem Leben machen.

Ich glaube nämlich tatsächlich: Gott beschenkt uns von Beginn unseres Lebens an mit einer Art Samentütchen. Diese Samen sind unsere Möglichkeiten und Fähigkeiten. Oft sind sie sehr klein! Winzig wie diese Samenkörner. Lohnt es sich die auszustreuen – oder sind sie vielleicht gar zu gering und gefährdet?

Es gibt dazu eine kleine Geschichte von drei Bauern und ihrem Saatgut. Die möchte ich Ihnen heute morgen erzählen. Vielleicht erfahren wir dort etwas darüber, wie man gewinnbringend mit der eigenen Saat umgehen kann:

Ich erzähle also die Geschichte von drei Bauern, und ihrem Saatgut:
Es waren einmal drei Bauern, die auf ihrem Weg einen Fremden trafen: Der schenkte jedem von ihnen einen kleinen Sack mit Saatgut. „Sät es aus!“ sagte er den Bauern, „so werdet ihr reich sein in allen Dingen.“

Zu Hause öffneten die drei gespannt jeder bei sich in der Stube seinen Beutel. Der erste von ihnen, als der seine Saat sah, sprach er: „Wer weiß ob die auch aufgeht? Ich will die Sämlinge lieber gleich zu meinen Getreide legen und mein Brot daraus backen. Dann ist es sicher aufgehoben. Und so tat er und das bisschen Saatgut fiel auf dem Getreidespeicher nicht weiter auf. Der Müller hat es vermahlen und der Bäcker verbacken und der Bauer ließ sich das Brot gut schmecken.

Der zweiter Bauer war ein schüchterner und auch misstrauischer Geselle. Er nahm die Körner und brachte sie zu einem Freund. Der kannte sich mit Samen gut aus. Als der aber die Körner sah, fing er zu lachen an: „Da hat dich einer zum Narren gehalten, Freund!“ sagte er, „Das ist lauter Unkraut! Den Sack kannst Du wegwerfen. Dieser Same lohnt der Mühe nicht!“

Beschämt ging der zweite Bauer nach Hause und warf den Sack in die Ecke. „Ich lasse mich doch nicht zum Gespött machen!“ sagte er, „soll doch diese Unglückssaat verderben! Ich werde es nicht aussäen!“

Der dritte Bauer jedoch ging fröhlich nach Hause und streute seinen Samen tapfer auf das Land. Da kamen auch die Vögel und fraßen etwas davon. Da sagte der erste Bauer, als er das sah, zu sich selber: „hätte der die Saat doch gleich vermahlen und verbacken. So hätte er wenigstens einmal den Bauch voll gehabt, wie ich.“

Ein Teil der Saat blieb aber liegen und als die Frühlingssonne über das Land strich, gingen die Sämlinge auf und brachten die ersten Blätter hervor. Da kam der zweite Bauer mit seinem Freund, dem Körnerkenner daher. „Du siehst“ sprach der Freund, „ diese Saat ist das Land nicht wert, auf dem es wächst: Ich sehe Hirschgabe und Tausendgold und sogar die gemeine Brennnessel. Wer will so etwas haben? Du tatst gut daran deinen Beutel Saatgut in die Ecke zu legen!“

So kam der Sommer und brachte gute Wärme und fetten Regen, und das Land blühte auf, von vielfältigsten Pflanzen, Kräutern und Sträuchern. Sicher, die anderen Bauern lachten und höhnten, als sie den bunten Garten sahen. „Was willst Du denn damit anfangen?“ spotteten sie. „Hättest den Samen besser im Sack lassen sollen!“ Doch unser fröhlicher Sämann machte sich nichts daraus. Und als dann der Winter kam und die Zipperlein und Krankheiten den anderen in die Glieder fuhren, da hatte er aus den Kräutern und Unkräutern, die aus der Saat gewachsen waren, so manche Salbe und Säfte gebrüht, so er den anderen damit noch helfen konnte. Nur über einige der Pflanzen wunderte auch er sich: Die wuchsen gar zu langsam. Doch als unser dritter Bauer schon lange gestorben war, freuten sich seine Kinder über den wunderbaren Buchenwald der dort gewachsen war.

Liebe Gemeinde, ich glaube, diese drei Bauern sind geradezu typisch, für die Art und Weise, wie wir Menschen mit unseren Gaben und Saatgut umgehen:

Da gibt es die einen, die können und wissen so viel, doch sie würden das niemals für andere einsetzen. Da sitzt die Angst davor: „Ich brauche das alles selber,“ sagen die. „Wer weiß, was die Zukunft bringt!“ Die sind wie der erste Bauer. Die haben am Ende vielleicht genug für sich. Doch es gibt keinen Gewinn.

Weitaus öfter aber scheint mir aber der Typ des zweiten Bauer vertreten zu sein. Das sind Leute, die sich ihrer eigenen Gaben schämen. Früher als Kind konnten die zum Beispiel gut zeichnen oder sie hatten einen besonders aufmerksamen Blick für die Schönheiten der Natur. Doch von den Eltern und in der Schule hörten die bloß: „Was ist das für ein Unsinn! Für so etwas hast Du Zeit?“ Und so warfen diese Beschämten ihre Gaben in die Ecke- fassten keinen Stift mehr an und nutzen nur einen kümmerlichen kleinen Teil ihres Saatgutes. Schade drum! Unsere Welt wäre reicher, wenn jeder seine Gaben einsetzte –ohne Furcht und ohne Scheu.

Die wenigsten von uns, liebe Gemeinde, sind so, wie der dritte Bauer, der seine Samen unbekümmert über das Land ausstreut und sich von den anderen nicht beirren lässt. Am Ende ist er klug genug, mit allem, was da wächst etwas Gutes anzufangen.

„Wer da kärglich sät, der wird auch kärglich ernten; und wer da sät in Segen, der wird auch ernten im Segen!“ Es lohnt sich also, liebe Gemeinde, die Hände mutig aufzutun und den Samen munter in die Welt zu streuen, so wie er uns gegeben wird.

Liebe Gemeinde, ich komme zurück auf diese kleine Samentüte hier auf meiner Kanzel. Ich glaube Gott legt uns in unserem Leben Samentüten in Überfülle in die Hand. Genug um aus der Welt einen prächtigen Garten zu machen. Es ist aber an uns, sie auszustreuen und wachsen zu lassen.

„Ja, aber;“ werden jetzt einige von Ihnen denken, „das ist ja schön und gut! Doch jetzt sind wir in hier in einem Krankenhaus, und unsere Kräfte sind begrenzt. Welchen Samen sollten wir jetzt schon ausbringen können?“ Und andere werden denken: „Ja, als ich noch jung war, da hatte ich Kräfte zur Verfügung. Doch jetzt, was kann ich jetzt schon noch, in meinem Alter?“

Liebe Gemeinde, „Der aber Samen reicht dem Säemann und Brot zur Speise, der wird auch euch Samen reichen und ihn mehren und wachsen lassen die Früchte eurer Gerechtigkeit.“ schreibt Paulus

Ich glaube: Gott hört unser ganzes Leben hindurch nicht auf, uns neue Samentüten zu schenken. Doch natürlich verändern sich die Gaben:

Der eine hatte früher die Kraft schwere Arbeit zu verrichten, nun aber hat er die Gabe, gute Worte zu finden, Und damit kann er die, die um ihn sind, erheitern und aufrichten. Vielleicht auch hier im Krankenzimmer.

Die andere hatte früher die Kraft andere Menschen zu versorgen und zu pflegen. Jetzt aber hat sie die Zeit und die Muße, ihre Hände zu falten und für die anderen zu beten.“

Sie sehen, liebe Gemeinde, Same ist immer da. Nur meist erscheint er uns zu gering und wir glauben nicht, dass daraus etwas wachsen könnte. Doch sehen sie auf die Samentüte und betrachten sie die Früchte auf dem Tisch. So winzig sind die Samen und so groß kann die Frucht werden. Schätzen Sie also ihre Gaben nicht gering. Streuen Sie ihren Samen aus und überlassen sie es Gott, die Frucht wachsen zu lassen. Und dann, wenn der Garten blüht, werden wir alle Gott danken.

Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen

Nacher könnten gesungen werden: Wir pflügen und wir streuen. (kleines Senfkorn Hoffnung (leider nicht im Gesangbuch)

Matthias Opitz
Rohnsweg 1
37085 Göttingen
Tel: 0551- 5177875
Matthias-kernopitz@web.de


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