Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach

16. Sonntag nach Trinitatis, 26. September 2004
Predigt über
2. Timotheus 1, 7-10, verfaßt von Alois Schifferle
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)


„Geist der Kraft und der Liebe: Seelsorgliche Anweisungen für Timotheus“

Wir haben heute mit Recht etwas gegen Pauschalurteile. Wir dürfen und können aber nicht einseitig und verallgemeinernd sprechen und urteilen, wenn es um den selbstlosen Dienst für Christen geht.

Werdet offen für Christi Geist! Christi Geist ist ein Geist der Hoffnung. Wer die Zukunft nur dunkelt sieht, wer behauptet, der Mensch und die Welt hätten keinen Sinn mehr, der hat Gott vergessen. Gott verlässt die Welt nicht, seine Pläne mit ihr scheitern nicht.

Gottes Geist befreit den Menschen aus der Gefangenschaft der Schuld, aus der Verstrickung in selbstsüchtiges Denken und Streben. Er befreit zu einem guten und erlösenden Gebrauch der menschlichen Freiheit. Auch heute öffnet der Geist Christi den „blinden“ Zeitgenossen die Augen für die wahren Werke des Lebens, für Gottes Gegenwart und Wirken in der Schöpfung und im Gang der Geschichte.

Der Herr hat den Menschen als Hilfe das Gebet zusätzlich aufgetragen, damit er die Welt von seinem Herzen her umforme; damit er sie verwandle im Heiligen Geist; damit er sie menschlicher mache; damit er in ihr zusammen mit Christen das Reich Gottes auferbaue. Im Gebet vor allem liegt für uns Christen unsere Stärke. Der Glaube hilft in besonderer Weise. Er schenkt uns den erforderlichen Mut, unseren Weg im Vertrauen auf Gott, der auch der Herr unserer Geschichte ist, hoffnungsvoll und besonnen zu gehen.

Der Heilige Geist vermittelt zusätzlich die Liebe, die Jesus Christus gebracht und gelebt hat. Derjenige, den der Heilige Geist erfasst hat, kann nicht anders, als sich liebend und helfend den Mitmenschen zuzuwenden. Wo Menschen füreinander da sind und an dem Schicksal anderer teilnehmen, kann dies nicht verborgen bleiben.

Offen werden für Christi Geist bedeutet dann aber, dass dieser Geist Gottes in Christus sich nicht auf ein bestimmtes Bild von Christsein und Kirchesein festgelegt hat. Kirche hat ihre Gestalt nach zu wachsen (!), in den Formen der Frömmigkeit aber auch in den Hilfestellungen für das Leben des Menschen grundsätzlich.

Der Geist Gottes – der weht, wo und wie er will (vgl. Joh 3,8) – begründet und bestärkt die Verheißung Jesu Christi, dass da, wo sein Wort laut wird, wo Menschen um die Gabe des Heiligen Geistes bitten, wo Menschen im Gottesdienst zusammen sind, Gottes Geist wirksam wird! Christi Geist bewirkt in uns Menschen, offen zu werden und unsere persönlichen vielfältigen Begabungen in den Dienst des je Anderen, des je Nächsten zu stellen. Vielfalt muss nicht zur Last werden, sondern ist Ausdruck des Reichtums und wird die Gemeinschaft bereichern, wenn die Liebe das Miteinander bestimmt, denn, so sagt die Schrift, „Gott hat uns nicht einen Geist der Verzagtheit gegeben, sondern den Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit.“ Nicht Angst und Verzweiflung also, die zum Abschirmen vor dem Anders-Sein des Anderen zwingen, sondern Kraft, Liebe und Besonnenheit, welche das So-Sein des Anderen ernst nehmen, bewirken Gemeinschaft, bewirken Einheit in Vielfalt. In der Kirche ist leider oft die Haltung des Bewahrens und des Festhaltens am Gewohnten vorherrschend. Es mangelt oft daran, das Verständnis für die wichtigen Dinge kritisch zu schärfen. Doch der Heilige Geist, wie wir es im siebten Vers des ersten Kapitels gehört haben, duldet keinen Stillstand, sondern leitet an, Bewährtes zu bewahren und Neues zu wagen! Wir brauchen uns zudem nicht wegen des Bekenntnisses zum Herrn zu schämen, denn Gottes Geist, welcher der Kirche verheißen ist, trägt das Kennzeichen der Bewegung und des Wachsens. Das fängt beim Einzelnen an. Der Glaube lässt sich nicht auf Teilbezirke menschlichen Lebens beschränken, sondern will in allen Bereichen des Menschseins hineinwachsen. Auf der von den Pastoralbriefen angefertigten Bühne ermahnt der Apostel Paulus daher Timotheus stellvertretend für uns – in seinem Schreiben aus der Gefangenschaft wegen seines Bekenntnisses zu Christus – : Gott, der uns gerettet und gerufen hat, gibt uns die Kraft, uns für das Evangelium einzusetzen, ein Bekenntnis in diese Zeit zu setzen, in der es mehr Mut braucht sich zu bekennen als etwa vielleicht da und dort in früheren Epochen! (Vgl. 2. Tim 1,9). Wichtig ist hierbei die Erkenntnis: Nicht auf Grund eigener Verdienste und Werke, sondern aus eigenem Entschluss und aus Gnade sind wir gerechtfertigt. Das heißt: Nicht wir können uns aus eigenen Werken und Wirken rechtfertigen, sondern Gott in Christus und seinem Geist ist es, der uns je schon gerechtfertigt hat. Unsere Religion ist daher auch nicht eine Verdienstreligion, wonach ich mir einen Platz in der Ewigkeit zu verdienen habe, sondern wir sind je schon gerechtfertigt durch die Heilstat Gottes in Jesus Christus: Karfreitag, Grabesruhe, Karsamstag, Ostern und Auferstehung.

Prof. Dr. Alois Schifferle
Lehrstuhl für Pastoraltheologie
Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt
Alois.Schifferle@ku-eichstaett.de


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