Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach

8. Sonntag nach Trinitatis, 1. August 2004
Predigt über
Matthäus 7,22-29, verfaßt von Jørgen Demant
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)


'Die Häuser in unserem Leben'

Bei der Predigtvorbereitung sehe ich etwas Fernsehen. In den Nachrichten sehe ich etwas, was meiner Predigt eine neue Richtung gibt. Ich hatte mir gedacht, etwas über das Gleichnis mit den beiden Häusern zu sagen - das eine auf Sand gebaut, das andere auf einem Felsen. Ich hätte wohl von dem Haus gesprochen, in dem wir uns befinden: dem Kirchengebäude.

Aber da sehe ich im Fernsehen, wie einer von zwei anderen Häusern erzählt, die in einem heutige Kontext die Tagesordnung bestimmen, nämlich der Börse und dem Krankenhaus.

Deshalb handelt meine Predigt diesmal von drei Häusern: der Börse, dem Krankenhaus und dem Kirchengebäude. Denn mir scheint, als sei Gott nicht nur im Kirchengebäude zu finden, sondern auch in der Börse und im Krankenhaus. Wer weiß, wo da auf Sand gebaut wird und wo auf Felsgrund.

Die drei Häuser ragen in die Landschaft, architektonisch. Schon immer hat man in der westlichen Zivilisation die Börse, das Krankenhaus und die Kirche deutlich erkennen können. Man denke nur an die Kopenhagener Börse. Das rote Gebäude mit dem grünen Dach. Gelegen im Zentrum der Macht, neben Parlament und der Schloßkirche.

Das Gebäude liegt zentral. Im Zentrum, dahin strömt das Geld, und das Geld ist ein Netzwerk in unserer Gesellschaft, auch wenn man Münzen heute zugunsten von Kreditkarten abgeschafft hat.

Man denke an das Krankenhaus, groß und mächtig ragt es in die Landschaft. Man soll nicht im Zweifel sein, wenn man krank wird, sondern man soll wissen, wo man erlöst und geheilt werden kann.

Oder die Kirche. Z.B. unsere Kirche hier. Sie ist auf einem Erdhügel errichtet, für Behinderte fast schon ein Berg, den man besteigen muß. Die Kirche auf dem Berg, da ist man dem Himmel näher. So ist es gewesen seit der Zeit Jesu. Die Rede von den beiden Häusern, die auf Sand und auf Felsen gebaut sind, wurde auf einem Berg gehalten. Denn hier war man dem Himmel näher.

Sieht man die Sache historisch, könnte man sagen: Am Anfang war die Kirche (das Haus der Religion), dann kamen die Börse (das Geld-Haus) und das Krankenhaus (die Gesundheitsanstalt). Drei zentrale Institutionen in unserer Gesellschaft.

Die Kirche war das erste und wichtigste Haus. Sie war das Fundament der Gesellschaft. Hier hörte man die Stimme Gottes: Gott, der die Welt und das Universum geschaffen hat. Der Rahmen für unser Leben. Gott war der, der aus dem Nichts schaffen konnte. Gottes Sohn war der Mann, der den Menschen von Krankheit und Tod heilte. Gottes Sohn war der, der den Feind zurechtwies, als dieser kam und ihm eine Münze zeigte und fragte: Was ist wichtiger, Steuern für Gott zu bezahlen oder dem Kaiser? Und die Antwort war: Gib dem Kaiser, was des Kaisers ist und Gott, was Gottes ist. Das Haus der Kirche war der Fels. Jesus war der Eckstein dieses Hauses.

Und dann gab es Häuser, die sich an die Kirche anlehnten. Dicht, aber doch mit gewissem Abstand. Mit einer anderen Architektur. Denn hier ging es um etwas anderes. Das Hospital kam als ein Nebengewinn für die ersten Klöster. Es war eine heilige Pflicht, sich der Kranken und Schwachen anzunehmen, für Leib und Seele zu sorgen. Die Kirche hat mit dazu beigetragen, das Sozial- und Gesundheitswesen zu institutionalisieren. Die waren abhängig von der Religion.

Die Börse wurde ein zentrales Gebäude, als man die Naturalienwirtschaft aufgab zugunsten der Geldwirtschaft. Nicht mehr eine Gans für eine Kuh, sondern eine Münze und ein Wertpapier wurde der Tauschwert. Nun konnte man auch mit Geld und Wertpapieren spekulieren.

Die Kirche, das Krankenhaus und die Börse. Drei wichtige Institutionen der Gesellschaft. Sie hielten die Wirklichkeit in gang und auf dem rechten Weg, gaben Richtung und Ziel.

Aber der Mensch wußte seit alter Zeit, was am wichtigsten war: Erst Gott, dann der Bankier und der Arzt. Das Kirchenhaus war das erste Haus, dessen Grund Christus war. Er war der Weg und die Wahrheit. Er gab Richtung und Ziel für das Leben, das man zu leben hatte. In ihm fand man sich zurecht in der Einrichtung des Lebens, und es bestand kein Zweifel, wo Ermunterung, Trost und Hilfe zu finden waren, wenn einem der Boden außerhalb der Kirche unsicher wurde.

Natürlich ging der Mensch dann auch zur Bank - man mußte sorgen für Fortschritt und Wohlstand in Haus und Familie. Und der Bankier war ein guter Ratgeber, denn auch wenn man Geld nicht essen kann, kann man es für schlechte Zeiten aufbewahren. Und wurde man krank an Leib und Seele, suchte man das Hospital auf. Der Arzt konnte heilen, so daß der Mensch imstande war, ein gesundes und normales Leben zu führen.

Heute ist das sicherlich anders. Die Kirche ist nicht mehr das erste Haus. Die Kirche ist nicht allein der Felsgrund im Leben der Menschen. Und dann kommen die anderen Häuser diesem Haus zu Hilfe - oder besser das Haus der Kirche ist ein Konkurrent für die anderen beiden Häuser geworden.

Eben das wurde deutlich im Fernsehen. Die Börse und das Krankenhaus wurden wie Kathedralen beschrieben. Als heilige Stätten. An der Börse wurde man durch Experten darüber informiert, wie Menschen nach dem 11. September auf die unsicheren Aktienmärkte reagieren. Der Aktienindex war wie ein Roulette. Die Menschen von heute erfahren die Auf- und Abbewegungen des Aktien- und Geldmarktes wie einen Unsicherheitsfaktor - können wir uns überhaupt sicher fühlen? Der Mann von der Börse mit dem Telefon in der einen Hand und dem Auge auf den Monitor gerichtet tut alles, um uns zu sichern.

Die Börse ist eine Religionsanstalt, eine Kirche, die für die Sicherheit der Menschen sorgt. Nur eine kleine Bewegung am Aktienmarkt, und wir werden nervös, greifen zum Geldbeutel oder dem Mobiltelefon, suchen am Internet, ob sich das nun auf unser Konto auswirkt - unsere Sicherheit und Garantie in der Welt.

Aber weiß man, worauf man baut, auf der Bank und all ihrem Wesen? Wirtschaftliche Sicherheit und Garantie.

Und die Diskussion um Krankenhäuser hat allmählich Dimensionen erreicht, die jeder religiösen Diskussion würdig wären.

Die Krankenschwester, der Arzt, die Krankenhausdirektor haben den Verbrauchern gegenüber gerade zu stehen, die Kritik vorbringen in einer Sprache, bei der wir das Krankenhaus fast als Haus der Lebensverlängerung, der Verjüngung und Unsterblichkeit verstehen - ein Haus, das nicht nur unser Leben verlängern und verschönern, sondern uns fast auch Unsterblichkeit geben kann. Man weiß, auf wen man baut, das Krankenhaus und all sein Wesen, Gesundheit, Wohlsein, Schönheit, Unsterblichkeit.

Ja aber, werden einige sagen, ist das nicht völlig in Ordnung mit den beiden Häusern, der Börse und dem Krankenhaus? Sie geben und wirtschaftliche Sicherheit und Unsterblichkeit. Sind das nicht gute Fundamente? Wünschen wir uns nicht eben dies für uns und unsere Kinder?

Und weiter: Ist das Haus der Kirche hier nicht auch eine Form von Versicherung, eine Garantie gegen die Unsicherheit, gegen die Unruhe, gegen die Willkür? Und ist nicht Jesus jemand, der uns Unsterblichkeit und ewiges Leben verspricht?

Dazu ist erstens zu sagen, daß wir seit dem Anschlag auf das World Trade Center am 11. September 2001 und dem direkten Angriff auf die amerikanische Wirtschaft alle in der westlichen Welt klar geworden sind über die Verwundbarkeit der Wirtschaft und des Wohlstandes. Und zweitens: Die Lebensverlängerung an Leib und Seele, an der das Krankenhaus hart arbeitet, gibt ja keine Garantie für Lebensqualität im geistlichen Bereich. Aber das kann man ja diskutieren.

Aber dann ist ja richtig, daß das Haus der Kirche daran festhält, das Fundament, der Felsgrund in unserem Leben zu sein. Ja unser ganzer Gottesdienst heute zeugt davon, daß hier von Gott geredet wird, der unser Vater sein will, von Jesus, der unser Bruder sin will, und dem Heiligen Geist, unserem Freund. Das ist der Inhalt unseres Kirchenhauses. Geist und Glaube. Das wird einem unruhigen Herzen angeboten, dem Menschen, der sich auf unsicherem Boden fühlt, der Seele, die bange Ahnungen von sich selbst und der Zukunft hat.

Aber haben du und ich eine Garantie dafür, daß das Fundament hält? Daß der Geist und der Glaube aus diesem Haus standhalten, wenn ich in mein eigenes kleines Haus zurückkehre? Mein Haus auf Erden und auf der Ebene?

Dazu ist zu sagen, daß es keine andere Garantie gibt als unsere Erfahrung. Das Haus hier stellt keine Garantien - das tun die Börse und das Krankenhaus ja oft, aber hier gibt es das nicht. Nur deine eigene Erfahrung- es wird sich zeigen.

Aber genügt das nun für dein und mein Leben? Daß es sich erweisen wird, ob das Haus auf Felsgrund oder auf Sand gebaut ist?

Ja, es gibt eines mehr. Ich kann nur auf das verweisen, was die Leute auf dem Berg damals, als sie Jesus vom Haus auf dem Felsen oder auf Sand erzählen hörten, sagten: Sie wunderten sich über die Vollmacht, mit der er sprach.

Worin besteht seine Vollmacht? Darin, daß er zu dem stand, was er sagte, und danach lebte! Was er sagte, das tat er auch. Er sagte nicht dies und tat etwas anderes.

Mit Vollmacht reden bedeutet, daß man selbst das lebt, was man glaubt.

Jesus legte ein Fundament, eine Grundlage für das Vertrauen und die Liebe zum Leben. Was auch mit ihm geschah, wem er auch begegnete, da war Liebe und Vertrauen in ihm. Davon lebte er, so starb er. Das war die Sicherheit, in der er lebte. Und die war sehr unsicher, denn sie führte ihn in den Tod. Und die Unsterblichkeit besteht darin, daß Gott das Leben auferweckte, damit wir an ihm teilhaben können. So daß es das Fundament und der Felsgrund unsres Hauses werden kann.

Mann kann sein Leben und sein Haus daheim auf Geist und Glauben aus unterschiedlichen Häusern bauen. Für mich aber ist es unumgänglich mit der Vollmacht, der Kraft, die sich aufdrängt aus dem Glauben und Geist Jesu, seiner Liebe und seinem Vertrauen.

Ich habe nur das Wort von seinem Leben, ich habe drei Handvoll Wasser gesehen, vergossen über einem Kinderkopf, und ich kann ein Stück Brot essen und etwas Wein trinken. So verwundbar ist die Sicherheit in den Zeichen. Es sind keine Beweise.

Aber ich übergebe mich vorläufig dem als dem Grund - und rechne damit, daß der Bankier und der Arzt dafür sorgen, was ansonsten noch nötig ist. Amen.

Pfarrer Jørgen Demant
Hjortekærsvej 74
DK-45 88 40 Lyngby
Tel.: ++ 45 - 45 88 40 75
email: j.demant@wanadoo.dk


(zurück zum Seitenanfang)