Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach

8. Sonntag nach Trinitatis, 1. August 2004
Predigt über
Epheser 5, 8b-14, verfaßt von Richard Engelhardt
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" Lebt als Kinder des Lichts;
Die Frucht des Lichts ist lauter Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit.
Prüft, was dem Herrn wohlgefällig ist, und habt keine Gemeinschaft mit den unfruchtbaren Werken der Finsternis; deckt sie vielmehr auf. Denn was von manchen heimlich getan wird, davon zu reden ist schändlich. Alles aber wird offenbar, wenn`s vom Licht aufgedeckt wird; denn alles, was offenbar wird, das ist Licht. Darum heißt es:
Wach auf, der du schläfst, und steh auf von den Toten, so wird dich Christus erleuchten."
(Luther NT 1975)

Ja, liebe Gemeinde, wenn das so einfach wäre: Hier die Kinder des Lichtes – zu denen wir natürlich gehören würden – und dort die Mächte des Bösen, die ihre dunklen Pläne im Verborgenen schmieden. Wie leichr könnte man dann gerechte Kriege führen gegen den finsteren Nachbarn, dessen Grillgestank jeden Sonntag auf unsere Terasse weht und dessen Katze immer durch unseren Garten streift. Wie leicht könnte man dann die renitente Schülerin strafen, die unsere wunderbare Unterrichtsvorbereitung durch ihre unangemessenen Einwände stört. Wie leicht wäre es für unsere Politiker, wieder unter der Parole „Gott strafe England“ – oder heute vielleicht angemessener „Gott strafe die Moslems“ – zu den Waffen zu rufen. Aber wir wissen es alle: Unsere Welt ist nicht schwarz oder weiß, Licht oder Finsternis, gut oder böse. Es gibt immer wieder die Zwischentöne.

Versuchen wir es einmal anders, uns unserem Predigttext zu nähern: Wenn wir so einen Abschnitt aus einem biblischen Werk zum Nachdenken auswählen, so nennen wir diesen Abschnitt in der theologischen Fachsprache eine Perikope. Im ursprünglichen Wortsinn ist eine Perikope ein mit dem Beil zurechtgehauenes Stück Holz. Versuchen wir also das Ganze, aus dem das Stück herausgehauen ist, zu sehen. Ich denke, wir können nur dann erfassen, was der kluge und fromme Mann, der diesen Brief einmal an seine Mitchristen geschrieben hat, mitteilen wollte.

Er beginnt das Kapitel, aus dem unser Abschnitt genommen ist, mit dem Satz: „So deid nun Gottes Nachfolger als seine geliebten Kinder und lebt in der Liebe, wie auch Christus uns geliebt...hat.“ Das also ist der Grund. Christen begreifen sich als Gottes geliebte Kinder. Gott hat Ihnen in Christus vergeben. Christus hat ihnen seine Liebe durch den Opfergang an das Kreuz erwiesen. Und weil sie in diesem Bewußtsein leben dürfen, können sie Kinder des Lichts genannt werden, kann ihre Ethik, eine andere sein, hat der Antrieb ihres Handelns einen anderen Grund als all das, was sie in ihrer Umwelt erleben. Sie haben die Liebe Gottes erfahren und könnenLiebe weitergeben. Sie haben Vergebung ihrer Schuld durch Jesus Christus erfahren und können vergeben. Sie haben die Gnade Gottes erfahren und können gnädig sein.

Im Lukas-Evangelium wird eine Geschichte berichtet, die Jesus einigen leuten erzählt. Da gingen zwei Menschen in den Tempel, um zu beten. Der eine war ein geachteter bürger seiner Gemeinde, ein Pharisäer, der andere ein recht übler Bursche, ein Zöllner also Halbsabschneider und Vaterlandsverräter. Der gerechte, ehrbare Mann schritt bis vorne vor und betete: Ich danke dir Gott, dass ich nicht so einer bin wie die anderen. Der Zöllner blieb hinten stehen und betete: Gott sei mir Sünder gnädig. Jesus erklärte seinen Zuhörern, dass dieser, der sich ganz der Gnade Gottes unterwirft, der auch selbst gar nichts vorzuweisen hat, gerechtfertigt aus dem Tempel herausgehen kann..

Wenn wir das auf unseren Predigttext übertragen: Er, der Zöllner, würde nach Jesu Worten zu den Kindern des Lichts, zu Gottes geliebten Kindern gehören. Der selbstgerechte ehrbare Bürger hingegen hat zwar all die Gaunereien, Gesetzesübertretungen und vielleicht sogar Verbrechen des Zöllners nicht begangen, aber er hält sich selbst für den Größten und verachtet die Gnade Gottes. Er baut zwischen sich und gott eine Muer und sitzt nunin der Finsternis, denn das Licht der göttlichen Gnade kann diese Mauer nicht durchdringen, ihn nicht erleuchten.

Das Evangelium des heutigen Sonntags ist ein Abschnitt aus der Bergpredigt. Da wird berichtet, dass Jesus denen, die ihm zuhören, sagt: „Ihr seid das Licht der Welt, ... ihr seid das Salz der Erde.“ Und die, die ihm zuhören, sind keine auserwählte Gruppe besonders frommer oder anständiger Leute. Es sind Menschen unterschiedlichster Herkunft. Jeder hat seine eigene Biographie, seine eigene Last, seine eigenen dunklen Stellen. Trotzdem sind sie alle naxh Jesu Willen Licht der Welt, sie stehen im Licht Gottes, Kinder des Lichtes, sie stehen im Licht der Gnade Gottes.

In diesem Rahmen, liebe Gemeinde, sieht unser Predigttext schon ganz anders aus. Da geht es also nicht um einen Aufruf an die Guten, die Kinder des Lichts, endlich den finsteren Gestalten, den Mächten der Finsternis, das Handwerk zu legen. Vielmehr geht es darum, durch die Gestaltung des Lebens „lIcht der Welt“ zu sein, die Aufgabe eines Leuchtturms zu übernehmen. Im heutigen Sonntgsevngelium heißt es: „So soll euer Licht leuchten vor den Menschen, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen.“

Für eine christliche Gemeinde in einer Umwelt, die von Gottes Gnade nichts weiß, vielleicht auch gar nichts wissen will, ist das nicht leicht. Wir sehen es doch an uns, wie schnell Ideen, und Verhaltensmuster unserer Umgebung auch Eingng in unseren Gemeinden und bei uns gefunden haben und immer noch finden, derer wir uns übrigens oft schon nch wenigen Jahren schämen. Wie ist es z.B. mit der Idee der „Selbstverwirklichung“? Ist es wirklich möglich, dass sich jemand, der sich als Gottes geliebtes Kind versteht, selbst verwirklicht, den Blick nur auf sich richtet? Und auch in unserer Kirche wird nicht selten jemand, dem „Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit“ in seinem Handeln wichtig sind, geringschätzig als „Gutmensch“ abqualifiziert – ganz zu schweigen von der Übernahme jener znischen, menschenverachtenden Sprache unserer Wirtschaft, die auch in Kirche und Diakonie Eingang gefunden hat. Da werden auch bei uns „Stellen abgebaut“, wo in Wirklichkeit Menschen Menschen mit ihrer Leistung für überflüssig erklärt werden. Da müssen in der Diakoniestation einer Kirchengemeinde eben auch Mitarbeiterinnen „freigesetzt“ werden, was doch eigentlich bedeutet, dass man sie für überflüssig erklärt und arbeitslos macht. Und im Altenheim muß auch in der Kirche „rationalisiet“ werden, was einfach bedeutet, dass die hilfebedürftigen Menschen die geliebte Bezugsperson verlieren, die etwas Geduld und immer wieder ein freundliches Wort hatte.

Wir sollten uns schon sehr demütig die Sätze aus unserem Predigttext anhören: „Prüft, was dem Herren wohlgefällig ist, habt keine Gemeinschaft mit den unfruchtbaren Werken der Finsternis; deckt sie vielmehr auf.“ Prüft also nicht unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten, sondern als gottes geliebte Kinder, was dem Herrn gefällt oder, wie es der Apostel Paulus im Römerbrief sagt, was Gottes Wille ist, nämlich das Gute und Wohlgefällige und Vollkommene.

Zu keiner Zeit in der Geschichte der christlichen Gemeinde ist es leicht gewesen zu prüfen, was Gottes Wille ist, und das denn auch zu tun. Irrwege, manchmal sehr schlimme Irrwege, hat es immer wieder gegeben. Aber immer wieder haben es einzelne Christen und die Gesamtheit der Gemeinden versucht, neu nach Wegen zu suchen, als Licht der Welt, als Gottes geliebte Kinder, sein Wort auch durch die Tat weiterzutragen. Da, wo sie als Kinder des Lichts aus der Gewißheit leben konnten, dass Gott in Christus vergeben hat, wurde denn auch die Freiheit sichtbar, die Güte, die Gerechtigkeit, die Wahrheit.

Ich denke, nach dieser Frucht, nach Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit haben viele Menschen heute eine große Sehnsucht. Wir Christen, wenn wir denn Kinder des Lichtes sind, wenn wir uns denn als Gottes geliebte Kinder verstehen, hätten da etwas anzubieten. Hören wir es: „Wach auf, der du schläfst“. Gebe Gott uns den Mut, zu prüfen – uns zu prüfen und das, was wir zu sagen und zu tun haben – damit wir sein Wort glaubhaft weitertragen können.

Amen.

Pastor i.R. Richard Engelhardt
37083 Göttingen
Lotzestr. 53
Tel.: 0551-3706970
Fax: 0551-3706962


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