Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach

6. Sonntag nach Trinitatis, 18. Juli 2004
Predigt über
Römer 6, 3-11, verfaßt von Christoph Dinkel

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Unser heutiger Predigttext steht in Römer 6 die Verse 3-11. Es ist neben dem Taufbefehl Christi und dem Bericht über die Taufe Jesu der wichtigste Text zum Verständnis der Taufe im Neuen Testament. Der Apostel Paulus schreibt:

Wisst ihr nicht, dass alle, die wir auf Christus Jesus getauft sind, die sind in seinen Tod getauft? So sind wir ja mit ihm begraben durch die Taufe in den Tod, damit, wie Christus auferweckt ist von den Toten durch die Herrlichkeit des Vaters, auch wir in einem neuen Leben wandeln.
Denn wenn wir mit ihm verbunden und ihm gleich geworden sind in seinem Tod, so werden wir ihm auch in der Auferstehung gleich sein. Wir wissen ja, dass unser alter Mensch mit ihm gekreuzigt ist, damit der Leib der Sünde vernichtet werde, sodass wir hinfort der Sünde nicht dienen. Denn wer gestorben ist, der ist frei geworden von der Sünde.
Sind wir aber mit Christus gestorben, so glauben wir, dass wir auch mit ihm leben werden, und wissen, dass Christus, von den Toten erweckt, hinfort nicht stirbt; der Tod kann hinfort über ihn nicht herrschen. Denn was er gestorben ist, das ist er der Sünde gestorben ein für alle Mal; was er aber lebt, das lebt er Gott.
So auch ihr, haltet dafür, dass ihr der Sünde gestorben seid und lebt Gott in Christus Jesus.

Liebe Gemeinde und heute besonders: liebe Tauffamilien!

(1) Ernst und schwer kommen die Worte des Apostel Paulus über die Taufe daher. Da ist vom Tod die Rede, von der Sünde und vom Sterben, vom Kreuz und gar vom Begrabenwerden. Der leichte, freundliche Tonfall, den wir heute zumeist mit der Taufe verbinden, fehlt in den Worten des Apostels fast völlig.

Bei der Taufe denken wir Heutigen ja eher an Gottes Segen und Schutz für die getauften Kinder. Der Taufspruch von N.N. bringt dies deutlich zum Ausdruck: „Der Herr hat seinen Engeln befohlen, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen.“ (Psalm 91,11) In der Taufe sagt Gott dem Getauften seine Nähe und Begleitung zu. Gottes Engel werden um ihn sein und ihn beschützen. Auch der Taufspruch für N.N. markiert in seinem zweiten Teil ganz klar, dass es bei der Taufe um Gottes Segen und Schutz für das Kind geht: „Ich bin mit dir, und niemand soll sich unterstehen, dir zu schaden.“ (Apostelgeschichte 18,9+10) Der erste Teil von N.N.s Taufspruch bringt noch einen anderen Aspekt der Taufe zur Geltung, nämlich den mit der Taufe verbundenen Anspruch, dass die Getauften als Kinder Gottes leben sollen. Deshalb gilt für sie: „Fürchte dich nicht, sondern rede und schweige nicht!“ Die Taufe sagt uns nicht nur Gottes Geleit zu, sie soll uns auch mit dem Mut ausstatten, vor andere hinzutreten und klare und deutliche Worte zu finden, wenn es denn nötig ist.

Aber von Tod, von Kreuz und Begräbnis ist in den Taufsprüchen der beiden heute getauften Kinder nicht die Rede. Und auch sonst kommen diese ernsten Themen eigentlich bei unseren Taufen nicht vor. Der Unterschied im Tonfall ist dabei so deutlich, dass man sich fast fragt, ob Paulus und wir überhaupt dasselbe meinen, wenn wir von der Taufe sprechen.

Schauen wir also genauer hin, was der Apostel Paulus mit seinen schweren und ernsten Worten meint. Denn Paulus hat seine Worte immer mit Bedacht gewählt, an ihm kommen wir nicht vorbei, wenn wir wirklich verstehen wollen, was es mit der Taufe und mit Gottes Schutz und Geleit auf sich hat.

(2) Die Taufe ist für den Apostel Paulus ein Zeichen, ein Symbol. Die Taufe verbindet unser eigenes Leben und Ergehen mit dem Leben und Ergehen Christi. Durch die Taufe wird Jesu Schicksal auch zu unserem Schicksal. Die Taufe ist ein Akt der Identifikation mit Christus und zwar sowohl mit seinem Leiden und Sterben als auch mit seiner Auferstehung und mit seinem Leben in Herrlichkeit bei Gott. Beide Seiten des Schicksals Jesu eignen wir uns in der Taufe an.

Für alle Kenner der Antike sei hier angemerkt, dass es ähnliche Vorstellungen auch in den Mysterienreligionen des Altertums gab. Eine Schicksalsgemeinschaft zwischen der Kultgottheit und ihren Anhängern findet sich auch im Isis-Kult und in anderen antiken Kulten. Paulus greift zur Erklärung der Taufe mithin auf bekannte Muster seiner Zeit zurück. Die Akzente werden dann allerdings anders gesetzt.

Nun aber zum Kern der Sache: Die Taufe verbindet uns mit Jesus und seinem Schicksal. Symbolisch gewinnen wir in ihr Anteil am Sterben, aber auch an der Auferstehung Jesu. Wir werden bei der Taufe natürlich nicht selbst gekreuzigt und begraben, wir identifizieren uns nur mit dem, der gekreuzigt und begraben wurde. Zugleich aber gewinnen wir in der Taufe auch Anteil am Leben Jesu, an seiner Auferstehung, an seiner Freiheit von allen bösen Mächten, an seiner Freiheit von Tod und Vergänglichkeit. Die Taufe macht uns wie Jesus zu einem Kind Gottes, das Gott liebt und dem er das ewige, das unverlierbare und unzerstörbare Leben schenkt. „Sind wir aber mit Christus gestorben“, schreibt Paulus, „so glauben wir, dass wir auch mit ihm leben werden, und wissen, dass Christus, von den Toten erweckt, hinfort nicht stirbt.“ Die Taufe ist für Paulus das Zeichen, dass wir in Christus das ewige Leben gewinnen, das Leben, das dem Tod und jeder Zerstörungsmacht standhält.

Die Taufe ist für Paulus in erster Linie die Befreiung von der Macht der Sünde und des Todes. Wer getauft ist, der hat den Tod gleichsam schon hinter sich. Wer getauft ist, lebt schon im neuen Leben, in dem Leben, das unverlierbar ist, weil es ein Leben mit Gott ist, ein Leben in der Liebe, ein Leben in Verantwortung für den Nächsten, ein Leben, über dem Gottes Schutz und Segen steht. Der Philosoph Theodor W. Adorno hat einmal den viel zitierten Satz geschrieben: „Es gibt kein richtiges Leben im falschen.“ (Minima moralia, 1951, Suhrkamp). Für Paulus, so könnte man in Abwandlung dieses Satzes sagen, ist die Taufe der Beginn des richtigen Lebens mitten in allem, was falsch, tödlich und zerstörerisch ist. Die Taufe verbindet unser Leben mit dem Leben Gottes. Sie gibt uns Anteil an seiner schöpferischen Kraft, an seiner lebensschaffenden Liebe. Die Taufe ist ein Zeichen der Freiheit und des Mutes, der Zuversicht und des Gottvertrauens: Gott rettet dich und schützt dich, er überlässt dich nicht dem Bösen, er gibt dich dem Tod nicht preis. Gott hält dich und trägt dich hindurch, er ist dir treu mit seiner Liebe, so wie er treu war zu Christus, den er hindurchgetragen hat durch das bitterste Sterben.

(3) Die Taufe ist ein Zeichen, ein Symbol. Sie verweist auf eine andere Realität, auf die Welt Gottes, auf jene andere Sicht der Dinge, die durch Gott als das transzendente Gegenüber der Welt verbürgt wird. Die Taufe zeigt uns, dass Gott uns frei macht von allen Verkrüppelungen und Zerstörungen, die uns täglich quälen. Sie macht uns deutlich: auch dann, wenn wir versagen, dann, wenn uns niemand etwas zutraut, dann, wenn wir Fehler machen und in die Irre gehen, dann, wenn wir uns einsam und von aller Welt verlassen fühlen, auch dann sind wir Gottes Kinder. Die Taufe stellt unser ganzes Leben mit seinen Höhen und auch mit allen Abgründen in das Licht der göttlichen Liebe. Durch die Taufe werden wir von außerhalb unserer selbst, werden wir von Gott her identifiziert. Der Theologe Ernst Lange hat das einmal so formuliert „Jesus identifiziert uns als die von Gott Geliebten, […] er identifiziert uns durch Vergebung. Und er identifiziert uns als Bürger des Reiches Gottes, das wirklich alternativ ist zu der Welt, in der wir gefangen und verkrüppelt sind“. (in: Was nützt uns der Gottesdienst?)

(4) Man könnte sich überlegen, ob man das alles nicht auch ohne Taufe haben könnte. Gott wird seine Liebe wohl kaum von den paar Tropfen Wasser abhängig machen, die einem Täufling bei der Taufe den Kopf benetzen. Die Taufe ist kein magischer Akt, der durch die Anrufung des dreieinigen Gottes und den schieren Vollzug der Handlung Gottes Haltung zu uns verändert. Die Taufe ist ein Zeichen, ein Symbol für uns Menschen. Sie zeigt uns, dass unser irdisches Leben mit dem himmlischen Leben Gottes verbunden ist. Die Taufe macht uns klar, dass unsere Existenz nicht im Vorfindlichen aufgeht, dass wir mehr und anderes sind, als unsere Mitmenschen von uns wissen und über uns sagen. Die Taufe zeigt uns, dass unser Leben ein Teil des Auferstehungslebens Christi ist. Durch uns will Christus die Welt verwandeln, durch uns, durch unsere Hände und unseren Mund ist Jesus gegenwärtig und gibt die Liebe Gottes weiter an seine Geschöpfe.

Noch einmal: Gott braucht die Taufe nicht, um uns zu lieben. Aber wir Menschen brauchen die Taufe, weil wir es allzu oft im Alltag nicht glauben, dass wir Kinder Gottes sind. Die Taufe ist das Zeichen, das uns an unsere göttliche Bestimmung erinnert. Und weil wir Menschen Worte allzu leicht vergessen, deshalb ist die Taufe ein solch konkreter und ein in gewisser Weise archaischer Akt. An unserem Körper müssen wir es fühlen, am Körper eines anderen Menschen müssen wir es erkennen, dass wirklich wir, dass wirklich dieser Mensch von Gott geliebt wird. Mehr als jedes Wort es sagen kann, zeigen das Wasser und das Auflegen der segnenden Hand, dass unser ganzes Leben, der ganze Mensch mit Seele und Leib unter Gottes Liebe und Segen stehen.

Was wir heute an diesen beiden Kindern gesehen haben, das gilt für jede und jeden von uns. So wie diese Kinder ganz und gar zu Gott gehören, so gehören auch wir zu ihm. So wie diese beiden Kinder mit Christus in der Taufe verbunden werden und Anteil an seinem Auferstehungsleben gewinnen, so gilt das auch für uns: auch wir sind solche, die den bitteren Tod, den Tod des sinnlosen und verfehlten Lebens hinter uns haben. Vor uns liegt die Zukunft Gottes. Wir sind, genauso wie diese beiden Kinder, Bürger des Reiches Gottes. Wir haben den Auftrag, die Welt nach Gottes Willen zu gestalten mit unserem Verstand, mit unserer Tatkraft und vor allem mit unserer Liebe. Und in all dem erinnert uns die Taufe daran: Gott ist bei uns, er gibt uns seine Kraft und seinen Mut. Gottes Liebe und Gottes Segen umfängt unser ganzes Leben, unsere Seele und unseren Leib. – Amen.

Vorschlag Predigtlied : EG 200, 1+2+4, Ich bin getauft auf deinen Namen

PD Dr. Christoph Dinkel
Pfarrer
Gänsheidestraße 29
70184 Stuttgart
christoph.dinkel@arcor.de


 


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