Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach, Redaktion: R. Schmidt-Rost

Exaudi, 23. Mai 2004
Predigt über Epheser 3, 14-21, verfaßt von Heinz Behrends
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)


Über diesen Text predigen bedeutet der Versuch, mit einer kleinen ostfriesischen Teetasse einen Wasserfall aufzufangen.
Er fließt über wie ein Wasserstrom, der unten aufprallt, kräftig spritzt, erfrischt und staunen lässt. Ein Strom, der zur Mündung hin kraftvoll fließt und immer breiter wird.
Darum setze ich mich mit Ihnen ans Ufer und schaue ins Wasser. Und sehe Bilder, die sich im Wasser spiegeln.
Drei Bilder: Ein Haus, einen Baum, den Horizont.
Sie bewahren die drei Kernsätze des Textes: „Durch den Glauben wohnen.“ „In der Liebe eingewurzelt.“ „Die ganze Länge, Breite, Höhe und Tiefe sehen.“ Haus, Baum, Horizont..
Wir setzen uns gemeinsam ans Ufer. Gegenüber ein Haus. Viele gute Erinnerungen sind mit ihm verbunden. Ein schönes, altes Fachwerkhaus, fest gegründet. Es ruht in sich. Der Eingang, das große Fenster mit dem vertrauten Blick hinaus.
Das Elternhaus vielleicht. Ein Traumhaus, im Urlaub entdeckt.
Das Haus, ein Bild für den Glauben, das Vertrauen. Es hat ein Dach, es behütet. Der Wechsel der Zeiten im auszuhalten im haus. Vertrautheit schafft Gewissheit. Die Morgensonne, die Dunkelheit der Nacht, der Blitz gehören dazu. Sie schrecken nicht.
Das Haus hat viele Räume. Der Glaube hat viele Facetten, lässt sich nicht auf einen Satz bringen. Kein intellektueller Akt ist der Glaube, keine Leistung der Erkenntnis. Mein persönlicher Glaube hat im Theologiestudium arg gelitten. Er ist wieder gewachsen in der Begegnung mit Menschen in meiner ersten Landgemeinde und heute hier mit Ihnen.
Der Glaube schafft ein Zuhause. Im diesem Haus der Glaubens bekommt das Leben eine Gestalt, eine Einrichtung. Das Morgen- und das Abendgebet, die Hand auf der Stirn des Kindes. Die Losung, die Musik beim Wein am Abend.
„Daß Christus in euch wohne.“
Wenn ich in meinem Bild bleibe, ist Christus nicht der Eindringling, nicht der Ehrengast auf einem besonderen Stuhl, distanziert, auch kein Schnüffler, der in die Schränke guckt. Er besetzt nicht das Haus. Er lebt unaufdringlich mit mir. In einem Lebenspartner, der zuhört, klar redet, heilt, die Hand auf das Unansehnliche legt, ins Herz schaut. Er ist kein plötzlich auftauchender Gast, vor dem ich noch schnell alles aufräumen muß, wenn er an der Tür klingelt. Muß nicht schnell die schmutzige Wäsche vom Tisch nehmen und unters Sofa werfen. „In euren Herzen wohnen.“ Dort also, wo du ganz Mensch bist, Zuhause.
Es ist das erste Bild, das ich im Gras am Fluß vor Augen habe. Es ist bewusst das erste, denn ein Glaubender fragt nie zuerst: Was soll ich tun? Sondern. Was darf ich sein? Was bin ich? Wo ist mein Zuhause?

Aber das Bild bedarf einer Ergänzung. Sonst wird es zu eng, zu bürgerlich, zu idyllisch.
Darum der Baum. Ich sehe die Bäume am Ufer, vor allem den einen, nahe am Haus.
„Ihr seid fest verwurzelt in der Liebe.“
Da steht der Baum wie er dort schon immer gestanden hat, lange vor mir, noch lange nach mir. Er streckt sich aus nach dem Himmel,. Alles überfließende ragt in die Höhe. Er breitet sich aus. Verwundbar ist er auch.
Und die Wurzeln. Ja, das wesentliche sehen wir nicht. Die Wurzeln. Fasziniert sind wir, wenn die Wurzeln einmal über den Boden kraftvoll kriechen. Was sind die Wurzeln meiner Liebe, meiner Liebesfähigkeit. Ich sehe jemanden leiden, es erbarmt mich seiner. Jemand kann nicht mehr schreien mit lauter Stimme, ich sehe seine schreienden Augen. Ich sehe eine Frau und bin verwandelt. Alles sehe mich anders.
Was sind meine Wurzeln? Sie sind nicht von mir in die Erde gelegt. Vor-Erfahrungen sind es. Liebeserfahrungen umgeben mich in meiner Geschichte. Gott hat die Wurzeln gesetzt. Ich nähre mich durch sie.
Das Haus, das Vertrauen und die Liebe, der Baum. Ich sitze in seinem Schatten und ruhe mich aus. In der Liebe des anderen, in Gottes Liebe. Das Vertrauen darf nicht bei sich bleiben, gefangen in den eigenen vier Wänden. Deshalb der Baum mit seiner Ausrichtung und Verwurzelung.
Das Haus nicht selbst gebaut, den Baum nicht selbst gepflanzt. Das Herz der Botschaft von Jesus ist die Entdeckung, dass ein Mensch von Gott ausgehen muß, um bei sich selber anzukommen.
Wer begreift, dass er sein ganzes Leben Gott verdankt, kann nicht einem anderen das Leben rauben. Wer glaubt, dass Gott ihn behütet und ernährt, wird sich nicht an Hab und Gut klammern oder seiner von einem anderen bemächtigen lassen.
Glaube und Liebe sind die Quelle allen Tuns. Und sie richten den Menschen aus, weg von sich.
Darum das dritte Bild. Ich hebe meine Augen höher und sehe den weiten Horizont. Himmel und Erde berühren sich.
„So könnt ihr begreifen, was die Breite und Länge, Höhe und Tiefe ist.“ Da tut sich ein weiter Raum auf.
Ich schaue über das Wasser, das Haus und den Baum hinaus weit bis an den Horizont. So groß ist Christus.
Hier versagt meine Sprache. Sie ist zu schwach, zu beschreiben. Aber ich ahne, wie eng ich denke. Ich sehe die Begrenzung in meinem Herzen, in meiner Kirche. Weil die Welt für manchen klein ist, kann sein kleiner Geist ihn nicht fassen. Vor fünf Jahren wurden von Christen in meiner Landeskirche noch der Notstand ausgerufen, weil eine Frau zur Bischöfin gewählt wurde.
Wenn Christus in mir wohnt, wenn ich mich in Liebe ausstrecke, wirken alle Ängste kleinkariert.
Ich schaue den Strom hinab. Meine Blicke folgen dem fließenden Wasser. Meine Bilder versagen. Ich werde „erfüllt von der ganzen Gottesfülle.“ Was soll sich ein spröder Niedersachse darunter vorstellen! Ganz voll sein von Gott. Wenn ich voll von etwas bin, dann möchte ich von nichts anderem mehr hören, dann wünsche ich, dass alle zuhören. Dann muß ich es einfach los werden.
Da sitze ich mit ihnen am Ufer, sehe die Bilder, stehe auf und schaue zurück. Dorthin, woher ich gekommen bin
Ich schaue auf mein schwaches Vertrauen. Mein Haus ist eine Baustelle, eine Ruine. Meine Liebe? Erloschen, geschwächt. Der Baum saugt mühevoll das Wasser aus dem Fluß, dürre Blätter hänge an ihm.
Der Apostel fasst seine Bilder in ein Gebet. Eine Fürbitte. Er selbst erbittet für andere, was noch aussteht.
Daß der Glaube ein festes Zuhause wird, die Liebe wie ein starker Baum, dass ich die ganze Fülle erkenne und sie in mir überfließt.
Er betet inständig und intensiv. „Ich beuge meine Knie.“ Ich gehe vor jemandem in die Knie, den ich liebe, dem ich meine ganze Bedürftigkeit zeige, schutzlos, vertrauensvoll.
Ich habe einmal am Ufer des Stroms gesessen und diese Bilder gesehen, das Haus, den Baum, den Horizont und möchte dahinter nicht mehr zurück. Gott wird sie mit Leben füllen. So wird es sein.
„Aber Gott, „der überschwänglich tun kann über alles hinaus, was wir bitten oder vorstellen, dem sei Ehre in der Gemeinde und in Christus Jesus zu aller Zeit, von Ewigkeit zu Ewigkeit. So schließt der Apostel seine Fürbitte und ich meine Predigt. Amen.

Heinz Behrends, Superintendent Leine-Solling
Entenmarkt 2, 37154 Northeim
Heinz.Behrends@leine-solling.de


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