Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach, Redaktion: R. Schmidt-Rost

Quasimodogeniti, 18. April 2004
Predigt über 1. Petrus 1, 3-9, verfaßt von Friedrich Wintzer
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(Vorbemerkung zur Predigt: Benutzt wird die Übersetzung von Ulrich Wilckens, weil sie u.a. die taufliedartige Form der ersten Verse berücksichtigt. Auch die Predigt legt den Schwerpunkt auf die Verse 3 - 5.)

I

Für die meisten unter uns sind die biblischen Berichte vom Leiden, Sterben und Auferstehen Jesu an diesem Sonntag nach Ostern noch gegenwärtig. In Erinnerung ist das letzte Mahl Jesu mit dem Kreis der Jünger und seine Nacht im Garten Gethsemane. Jesus betete in dieser Nacht. Er brachte vor Gott, was ihn im tiefsten bewegte. Aber die mitgenommenen Jünger vermochten nicht, mit Jesus zu wachen. Sie wurden in der Nacht vor der Jerusalemer Entscheidung vom Schlaf übermannt. In einem neuen Lied wird diese Szene im Garten Gethsemane dargestellt.

"Seht hin, er ist allein im Garten. / Er fürchtet sich in dieser Nacht, / weil Qual und Sterben auf ihn warten / und keiner seiner Freunde mit ihm wacht. / Du hast die Angst auf dich genommen, / du hast erlebt, wie schwer das ist. / Wenn über uns die Ängste kommen, / dann sei uns nah, Herr Jesus Christ!" (EG 95, 1)

Wir kennen den Fortgang der Ereignisse: es folgten die Verhaftung und die Verurteilung durch den römischen Statthalter Pilatus zum schmählichen Tod am Kreuz. Karfreitag ist das Kennzeichen für den Tod eines Unschuldigen geworden. "Gestorben und begraben" heißt es im Glaubensbekenntnis. Die Männer und Frauen im Kreis um Jesus hat nach Karfreitag ein Schock des Schreckens und eine große Traurigkeit überfallen. Nach Karfreitag lastete die Frage auf ihrer Seele: "Wie wird es weitergehen mit der Sache Jesu"? Ist jetzt alles aus? Einige Jünger sind wahrscheinli ch aus Jerusalem geflohen. Sie sind, wie manche vermuten, erst einmal in Galiläa, wie wir heute sagen, untergetaucht. Nur einige Frauen sind am dritten Tag zum Grab gegangen. Sie wollten tun, was das Trauerritual von ihnen fordert. Der Karfreitag hatte bei ihnen große Trauer, Weinen und Klagen ausgelöst. Ihr Freund und Meister, Jesus von Nazareth, weilte nicht mehr unter den Lebenden. Ganz auf den Abschied eingestellt, gingen die Frauen zum Grab.

Über das unvergleichliche, staunenerregende und sie überwältigende Geschehen, das ihnen auf dem Wege zum Grab widerfuhr, gibt es keinen neutralen historischen Bericht. Es gibt nur die Kunde der Frauen. Diese berichtet eine Erfahrung, die sie verwandelte. Ihre Traurigkeit wurde - was für den distanzierten Betrachter schwer zu begreifen ist -ín eine Lebensgewißheit verwandelt. Jesus Christus erschien ihnen in einer ´Vision´ als der lebendige Herr. S o berichten es auch Petrus und später der Apostel Paulus. (Vgl. 1. Kor. 15,8). Dieses unvergleichliche, in Worte schwer zu fassende Geschehnis, hat Menschen zu Glaubenszeugen des Auferstandenen gemacht. Diese Erfahrung, die die Gedanken in die Welt Gottes führt, ist immer mit dem Lob Gottes verbunden gewesen. Er hat in der Auferweckung Jesu als Gott schöpferisch neu gehandelt. Im Lied der Christenheit wurden darum die Auferstehungskunde und das Lob Gottes miteinander verbunden. Das große Staunen wurde so zum Ausdruck gebracht. In der 2. deutschen Strophe des lateinischen Hymnus Resurrexit Dominus heißt es:
"Es ist erstanden Jesus Christ, / der an dem Kreuz gestorben ist, / dem sei Lob, Ehr zu aller Frist. / Hallejuja, Hallejuja." (EG 100, 2)

II

Der erste Sonntag nach Ostern nimmt auf dieses Grundzeugnis der Kirche von Karfreitag und Ostern besonderen Bezug. Beides ist ja nicht zu trennen. Wieder bringen das die Lieder zum Ausdruck. Marin Luther dichtete kein eigenes Passionslied, aber er nahm den Bezug auf Karfreitag in sein Osterlied mit hinein. Joh. Seb. Bach schuf daraus seine große Kantate:
"Christ lag in Todesbanden, / für unsere Sünd gegeben, / der ist wieder erstanden / und hat uns bracht das Leben." (EG 101, 1)

In den Anfängen der Christenheit fanden die Taufen in der Osternacht statt. Nach der Nacht, frühmorgens im aufsteigenden Licht des Tages, wurden die neu hinzugekommenen Erwachsenen getauft. Sie trugen als äußeres Zeichen der Taufe weiße Kleider. Sie sprachen das Bekenntnis zum gekreuzigten und auferstandenen Herrn. Sie priesen Gott um des großen Wunders willen, daß er Jesus Christus nicht im Tode gelassen hat. Mit anderen Worten gesagt: Der heilige, hocherhabene und barmherzige Gott hat dem gekreuzigten Jesus von Nazareth nach dessen Tod Anteil an seinem ewigen Leben gegeben. Zu diesem Glauben und Vertrauen rufen uns die biblischen Zeugen. Der Text für die heutige Predigt steht im 1.Brief des Petrus, Kap.1 in den Versen 3-9 (nach der Übersetzung von Ulrich Wilckens):

3. Gepriesen sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus: In seiner großen Barmherzigkeit hat er uns neu gezeugt (wiedergeboren) Zum Leben, auf das wir hoffen dürfen Durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten; 4. Zum Empfang eines Erbteils, das unvergänglich, unbefleckt und unverwelklich Im Himmel für euch verwahrt ist. 5. Und Gottes Macht hält durch den Glauben über euch Wacht, Daß ihr das Heil erlangt, das schon bereit liegt, Offenkundig zu werden, wenn die Endzeit anbricht. 6. Dann werdet ihr jubeln, die ihr jetzt, wo es sein muß, noch ein wenig durch allerlei Versuchungen Leid erfahren müßt. 7. So soll sich nur um so mehr herausstellen, daß euer Glaube echt ist, viel wertvoller als Gold, das vergeht, selbst wenn es seine Echtheit durch s Feuer hindurch bewährt. Das wird euch zu Lob, Herrlichkeit und Ehre gereichen, wenn Jesus Christus aus der Verborgenheit hervortreten wird. 8. Ohne ihn zu sehen, liebt ihr ihn. Noch ohne ihn zu schauen, glaubt ihr gleichwohl an ihn: So werdet ihr jubeln in unaussprechlicher, herrlicher Freude, 9. wenn ihr das Ziel eures Glaubens erreicht: das Heil eures Lebens.

Der verlesene biblische Text zeichnet sich durch eine gehobene Sprache aus. Feierlich klingen die ersten Verse. Der Eingangsvers ist auch der Wochenspruch dieser Woche. Aber auch in anderen gottesdienstlichen Zusammenhängen wird er öfters gebraucht. Er thematisiert ja einen Grundaspekt christlichen Glaubens. "Gelobt (gepriesen) sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns nach seiner großen Barmherzigkeit wiedergeboren (neu gezeugt) hat, zu einer lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung Christi von den Toten." Der Vers will aussagen, was unverzichtbar ist am christlichen Glauben. Besonders hervorgehoben hat der Verfasser des 1. Petrusbriefes den Hoffnungsaspekt. Gegen die Resignation und Verzagtheit und gegen den Lebenspessimismus hat er frohgemut die christliche Hoffnung gestellt. Er kennt vom Karfreitag her die Bedrängnis von Leid und Anfechtung in dieser Welt. Er weiß, welchen Tod in Verlassenheit Jesus im Gehorsam gegenüber Gott auf Golgatha erlitten hat. Der Karfreitag kann in dieser Weltenzeit nicht vergessen werden. Jesus hat zudem Schwestern und Brüder im Leiden. - Aber wir Christen sollen in unserem Glauben nicht kurzatmig werden. Christen sollen nicht nur vom Karfreitag her denken. Denn Ostern ist Gottes Argument für die Hoffnung. Ostern richtet unseren Blick nach vorn. Hier kann unsereiner "positiv" denken lernen, sich von der Resignation abzuwenden beginnen. Denn seit Ostern ist Jesus nicht nur unser Mitmensch im Leiden, sondern er ist derjenige, der als unser Bruder den Weg in Gottes Herrlichkeit vorausgegangen ist. Wir dürfen auf Gottes zukünftige Welt hoffen, auch wenn diese unserem Wissen noch verborgen ist.

Der Theologe Karl Barth hat gegen Ende seines Lebens seinen Freund in einem Telefongespräch ermutigt: "Gott sitzt im Regiment! Darum fürchte ich mich nicht. Bleiben wir doch zuversichtlich auch in den dunkelsten Augenblicken. Lassen wir die Hoffnung nicht sinken, die Hoffnung für alle Menschen, für die ganze Völkerwelt!" Barth wußte in diesem Telefonat nicht, daß diese Sätze zu den letzten in seinem Leben zählen würden. Ähnlich hat der Fernsehmoderator Hans-Joachim Kuhlenkampf am Ende seines Lebens von der christlichen Hoffnung her sein Ziel benannt. Sein knappes Vermächtniswort lautete: "Ich weiß nicht, wohin ich gehe, aber ich hoffe."

III

Manche Bibelausleger vermuten, daß in den wohlgeformten überschwenglichen ersten Versen des heutigen Predigttextes ein altes Tauflied aufgenommen worden ist. Christen werden hier auf den Neuanfang ihres Lebens durch die Taufe hin angeredet. Der Briefschreiber verwendet ein kühnes Bild. Die Taufe ist für ihn eine ´neue Zeugung´ des Menschen, eine ´Wiedergeburt´. So möchte er das Ergriffensein vom Geist Gottes andeuten. Vor Augen hat er Erwachsene, die die Taufe bewußt als Abkehr von ihrer bisherigen Religion empfangen haben und sich über das Heil ihres Lebens freuen.

Unsere heutige Taufpraxis ist differenzierter und vielgestaltiger als in der damaligen Zeit. Die Taufe kann heute an unterschiedlichen Stellen im Lebenslauf von Menschen stehen. Es gibt Taufen, die im Erwachsenenalter vollzogen werden. Besonders aus den Landeskirchen der ehemaligen DDR hat es darüber eindrückliche Berichte gegeben. Menschen, die solche Taufen für sich erbitten, wollen dadurch ihre Hinwendung zum christlichen Glauben vol lziehen. Diese Taufen sind in besonderer Weise Bekenntnistaufen. Die Getauften wollen eine Wendung im Leben vollziehen. Die Gabe der Taufe soll ihr Leben verändern. Andere Taufen können am Anfang eines von Eltern und Paten verantwortlich begleiteten Lebensweges stehen. Das Wissen über den christlichen Glauben wird dann vor allem im Konfirmandenunterricht erlangt. Grundsätzlich ist die erste Einführung in den christlichen Glauben aber eine Aufgabe der kindlichen Erziehung. Biblische Geschichten sollten kindgemäß erzählt werden; es ist gut, wenn Kinder schon früh das Beten lernen und seinen Ernst begreifen. Schließlich erfolgen Taufen heute immer wieder an der Schwelle zur eigenen Entscheidungsfähigkeit, nämlich im Alter von ca. 8-15 Jahren.

Manche Beispiele fallen mir dazu ein. Ich denke an Eltern, die darauf Wert legen, daß Kinder alt genug sind, um die Taufe bewußt miterleben zu können. Wir Erwachsenen sind dann gefragt, wie wir Kindern und Jugendlichen die Taufe verständlich machen können. Der Taufunterricht, auch mit Hilfe von Eltern, wäre ein guter Reformansatz. Die unterschiedlichen Taufalter haben insofern eine positive Bedeutung für das Gespräch zwischen Christen und auch Kirchenfernen. Sie könnten Anlaß dazu sein, daß die Verständigung über die Taufe wieder fruchtbarer und lebendiger wird. Hier sind das eigene Nachdenken und der gegenwärtige Gedankenaustausch gefragt.

IV

Der heutige Predigttext aus dem 1. Petrusbrief enthält mehrere Stichworte. In Verbindung mit dem Osterfest und mit Bezug auf die Erwachsenentaufe eröffnet er Zugänge zu dem christlichen Katechismus. Der Glaube ist sein erstes Stichwort. Der Briefschreiber fügt Gedanken hinzu über die Anfechtung und über die Gefährdung des christlichen Glaubens. Kritik gab es schon immer, besonders unter den distanzierten Zuschauern. Aber wer über den christlichen Glauben mitreden will, der ist eingeladen, eigene Erfahrungen mit ihm zu machen. Sonst bleibt er draußen vor der Tür stehen. Nur jemand, der selbst lebenspraktisch und denkerisch den christlichen Glauben ausprobiert, kann Erfahrungen mit ihm machen. Nur so wird sich erweisen, ob der Glaube eines Menschen echt ist und von diesem zu einer Herzenssache gemacht worden ist. Der Verfasser des 1. Petrusbriefes fügt hinzu, daß durch von außen kommende Anfechtungen und Versuchungen die persönliche Echtheit des Glaubens erprobt werde. Er verteilt in diesem Fall ein Gütesiegel. Ein für echt befundener Glaube sei vor Gott "kostbarer als das vergängliche Gold", das mit dieser Welt einmal vergehen wird, selbst wenn durch Feuerschmelze seine Reinheit erwiesen worden ist.

Das 2. Stichwort des verlesenen Predigttextes ist die Hoffnung, die österliche Zuversicht des christlichen Glaubens. Ein Christ schaue nach vorn. Sein Leben habe ein Ziel, das nicht an die Todesgrenze gebunden ist. Auf Leben im Angesicht des heiligen Gottes hoffen wir durch die Auferstehung Jesu von den Toten. Diese Hoffnung ist freilich in dieser Weltenzeit kein Wissen. Die Sprache des Glaubens bedarf darum der Bilder und Symbole.

Der Predigttext für den heutigen Sonntag nach Ostern ist vor einigen Jahrzehnten geändert worden. Früher stammte der Predigttext des Sonntags aus dem 1. Johannesbrief. Dieser Brief ist mir heute im Sinn. Seine Gedanken sollen zum Anlaß genommen werden, um ein 3. Stichwort zu den zwei genannten Begriffen aus dem 1. Kap. des 1. Petrusbriefes hinzuzufügen. Das Stichwort lautet Liebe. Dies Wort möchte ich entfalten in seiner dreifachen Gestalt, in der es im Neuen Testament beschrieben wird. Jesus selbst wurde gefragt, welches das höchste Gebot sei. Wir kennen seine Antwort. Er gab sie im Anschluß an Mose. (Vgl. Mt 22, 37ff) Voran steht die Gottesliebe. "Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüt." Das andere aber ist ihm nach Jesu Urteil gleich: "Du sollst Deinen Nächsten lieben wie dich selbst".

Wir erleben es immer wieder: die Macht der Liebe kann Entfremdungen und Feindschaften überwinden,. Es kann geschehen, daß Trennungen geheilt werden. Im 1. Johannesbrief steht das zuversichtliche und auch erstaunliche Wort: "Wir wissen, daß wir aus dem Tod in das Leben gekommen sind; denn wir lieben die Brüder und Schwestern." (3, 14) Darum sind wir nicht gefragt, ob wir unsere Nächste oder unseren Nächsten sympathisch finden, sondern diese sollen als unsere Mitmenschen unsere notwendige Hilfe finden. Und was meint Jesus schließlich mit dem Satz, den Nächsten zu lieben wie sich selbst? Er denkt nicht an die egoistische Selbstliebe, die nichts anderes ist als brutaler Egoismus. Mit dieser dritten Form der Liebe ist die Selbstannahme gemeint. Sie ist die Freiheit, sich selbst anzunehmen, auch wenn einem vieles an sich selbst nicht gefällt. Was möge uns also heute im Gedächtnis bleiben? Glaube, Hoffnung und Liebe sind die drei Stichworte und Symbole für Lebenswirklichkeiten, die uns in den Monaten nach Ostern begleiten mögen. Sie sind Meilensteine auf dem Weg zu Gottes neuer Schöpfung. Gepriesen sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus. Liedvorschläge: EG 99; 561 (Rheil. / Westf.) Jesus unser Trost und Leben; 331, 1.2.9-11

Prof. em. Dr. Friedrich Wintzer
53340 Meckenheim
Stettiner Weg 12
e-mail: fWintzer@t-online.de

 


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