Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach, Redaktion: R. Schmidt-Rost

Ostermontag, 12. April 2004
Predigt über 1. Korinther 15, 12-20, verfaßt von Hilmar Menke
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Was wäre wenn? "Was wäre, wenn das alles nicht? Was wäre, wenn die Rede von der Auferweckung Jesu von Nazareth eine Täuschung wäre, die Hoffnung auf die Auferweckung der Toten eine Illusion?

Ich bewundere den Mut des Paulus, der diese Gedanken bis zur letzten Konsequenz durchdenkt, der die Antworten ohne Scheu ausspricht - für den das alles nicht eine spitzfindige Denkübung ist, sondern eine Frage von tödlichem Ernst, von wahrhaft tödlichem Ernst - denn die Antwort auf die Frage „Was wäre, wenn das alles nicht stimmte" - diese Antwort kann nur lauten: Dann wäre nur der Tod! Dann wäre nur der sinnlose Tod!

Der Tod Jesu am Kreuz wäre ohne Sinn - ein Glied in der langen Kette der sinnlosen Opfer vor ihm und nach ihm. bis heute! - des sinnlosen Opferns von Leben für irgendeine „Sache", für eine Idee. ein Ideal - auch der sinnlosen Selbstopfer!

Dann wäre auch das Leben Jesu ohne Sinn - ein Glied in der langen Kette der Menschen, die von Gott geredet haben, von seiner Liebe - von Menschen, die mit ihrem ganzen Leben, die Wirklichkeit und die Wahrheit Gottes, die Mitmenschlichkeit und die Hoffnung bezeugt haben. Dann wäre auch mein Leben ohne Sinn und ohne Ziel, dann wäre ich - so wie manche sagen in dieses Leben, in diese Welt hineingeworfen, um eine Spanne Zeit herumzuirren, ein Spielball dessen, was man dann vielleicht Schicksal nennt - und sicher wäre nur der Tod, das vollkommene, absolute Ende, nach dem nichts mehr kommt!

Vielleicht wäre das Leben für mich dann sogar leichter, so paradox das klingen mag: Dann könnte ich mich in dieser Welt einrichten, mir ein paar schöne Jahre machen, ohne Rücksicht auf die Menschen neben mir, dann könnte ich leben, wie ich wollte.

Aber, merkwürdig;: :Der Mensch scheint das nicht zu können - er muß anscheinend nach dem Sinn fragen, er muß über sich und die Welt hinausdenken - er muß ein Ziel haben
er muß nachdenken...

Und, wenn er kein Ziel hat, keinen Sinn sieht - dann kann er nicht leben, dann kann er bestenfalls dahinvegetieren, bis endlich alles zuende ist - oder seinem Leben selbst dies Ende setzen,. damit endlich Schluß ist.

Ja, ich bewundere den Mut des Paulus, der sich in seinen Gedanken dieser Sinnlosigkeit aussetzt! Ich bewundere die Konsequenz, mit der er beides auf einander bezieht:. Die Auferweckung Jesu und die Auferweckung aller Menschen, die Auferstehung Christi und seine - meine - eigene.

Wir können eben nicht sagen: Es mag ja sein, daß Gott damals diesen Jesus von Nazareth auferweckt hat, seinen Sohn - als einmaliges Zeichen - aber für die Menschen, für mich selbst kann das nicht gelten.

„Wenn die Toten nicht auferstehen" - wenn das nicht für alle Menschen gilt - auch für mich "dann ist Christus auch nicht auferstanden" - sowenig wie wir sagen könnten:
Für mich erwarte ich noch etwas, für mich ist der Tod nicht das Letzte, das Ende - aber, an die Auferstehung Jesu kann ich nicht glauben.

Beides gehört zusammen - Vergangenheit und Zukunft - und beides trifft sich in meiner Gegenwart - hat heute und jetzt Konsequenzen, bestimmt hier mein Leben.
Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft sind untrennbar mit einander verbunden.

Noch einmal so deutlich gesagt, wie Paulus es uns sagen wollte: Gibt es Gottes lebenschaffende Tat in der Vergangenheit nicht, dann wird es sie auch in der Zukunft nicht geben - und die Gegenwart ist ohne Sinn!

Gibt es Gottes lebenschaffende Tat in der Zukunft nicht, dan hat es sie auch in der Vergangenheit nicht gegeben - und die Gegenwart ist ohne Sinn!

"Nun aber ist Christus auferstanden von den Toten und der Erstling geworden unter denen die da schlafen!"

„Kein Wunder, daß Paulus das behauptet"- so sagen manche - „Kein Wunder, daß er eben dann die wirkliche, letzte Konsequenz nicht zieht!

Wenn das wirklich.so ist, daß für ihn nur dann nur die Sinnlosigkeit übrigbliebe - wenn es wirklich stimmt, daß der Mensch einen Sinn braucht, um existieren zu können - dann muß Paulus sich eben an diese Aussagen klammern.

Oder, manche sagen es noch schärfer: "Dann mußten die Anhänger Jesus damals eben die Geschichte von der Auferstehung Jesu erfinden, sich diese Illusion machen und sie weitergeben bis zu uns, damit wir uns auch in diese Wunschwelt retten können...

Aber, wenn wir bedenken, was damals geschah, mit den Jüngern und Freunden Jesu, auch mit Paulus, dann kann ich einfach nicht daran glauben, daß sie die Auferstehung erfunden haben, daß sie sich Illusionen machten:
Die Frauen, die da zum Grab gegangen sind, haben jedenfalls keine Geschichte erfunden.
Was sie erlebten, das konnten sie selbst nicht glauben: "Sie flohen von dem etwas, denn, sie fürchteten sich".

Die Menschen, die zuerst den Bericht der Frauen hörten - sie haben das nicht als Erlösung aus der Sinnlosigkeit. mit freudigem Herzen angenommen - sie haben es nicht geglaubt ... Paulus selbst hat der Propaganda geglaubt, die Jünger hätten den Körper Jesu gestohlen, um damit das Scheitern Jesu - und ihr eigenens - zu überspielen.

Alle, die die Auferstehung Christi bezeugen, an uns weitergeben - alle mußten sie erst überwunden werden - in ihrer Resignation, ihrer Furcht, ihrem Unglauben, ihrer Skepsis - überwunden durch den lebendigen Herrn!
Nein, ich kann es nicht glauben, daß sie das alles erfunden haben sollen!

"Nun aber ist Christus auferstanden von den Toten, und der Erstling geworden unter denen, die schlafen" - die große Freude darüber, das das stimmt - sie ist erst später zu den Jüngern und den Freunden Jesu gekommen. - sozusagen mit Verzögerung.

Vielleicht. ist es ja bei uns - bei mir - auch so.

Vielleicht müssen auch wir erst überwunden werden - mit unseren Vorbehalten und Zweifeln - ehe wir die große Osterfreude spüren können - die Freude darüber, daß er lebt' - und daß ich leben werde - die Freude darüber, daß sein Leben und sein Tod einen Sinn gehabt haben und daß dadurch auch mein Leben und Sterben einen Sinn bekommt.

Vielleicht müssen wir es uns auch gegenseitig immer wieder sagen und bestätigen, so wie es die Menschen in den orthodoxen Kirchen zu Ostern tun:

„Christus ist auferstanden - er ist wahrhaftig auferstanden" Amen.

Superintendent Hilmar Menke, Cadenberge
HHFJMenke@aol.com


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