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Osternacht,
11. April 2004 |
Der alte und der neue Mensch Gemeinde Jesu! Zwei Staatsbürgerschaften! Das, was das Parlament vor wenigen Jahren unter bestimmten Umständen aus dem Ausland stammenden Bürgern zugestand, ist bei uns Christen Realität. „Mit Christus auferstanden“ sein heißt: So mit dem auferstandenen Herrn verbunden sein, dass Paulus von uns sagen kann: „Unser Bürgerrecht aber ist im Himmel; woher wir auch erwarten den Heiland, den Herrn Jesus Christus.“ (Philipper 3,20) Unsere wichtigste „Staatsbürgerschaft“ ist der Himmel, der uneingeschränkte Herrschaftsbereich Gottes. Unsere vorübergehende Staatsbürgerschaft ist diejenige des Landes, in dem wir leben. „Zu Gast auf einem schönen Stern“, hat mein theologischer Lehrer in Hamburg, der berühmte Theologieprofessor Helmut Thielicke, zeitweiligRektor der Universitäten Tübingen und Hamburg, seine Lebenserinnerungen überschrieben. Er hat mit diesem gelungenen Titel knapp angedeutet, dass er gerne auf dieser Erde gelebt hat, dass aber andererseits seine ganze fast 80jährige Existenz auf diesem besonders schönen Planeten nicht mehr als eine zeitlich sehr begrenzte Gastrolle war und er seine Zukunft ohne zeitliche Begrenzung von Gottes ewiger Welt erwartet hat. Das ist das höchste, was man von einem Menschen auf dieser Erde sagen kann: Er sei mit Christus auferstanden. Wer mit Christus in der Taufe auferstanden ist, für den ist Ostern nicht lediglich ein schönes Frühlingsfest mit hübschen Sitten, besonders für Kinder, für den ist Ostern vielmehr die Geburtsstunde seiner eigenen, ewigen, neuen Existenz! Den modernen Menschen ärgert es, dass es etwas geben sollte, was man nicht ablichten und im Fernsehen zeigen kann. Er kann es nicht glauben, dass es etwas Religiöses gibt, das man nicht sieht. Etwas, was noch verborgen ist, kann von großer Tragweite sein, auch wenn man es noch nicht sieht: Anders gesagt: Als ich im Mai 1987 zum Pastor einiger deutschsprachiger Gemeinden in London und Umgebung gewählt wurde, bereiteten meine Frau, unsere drei Söhne und ich uns sofort auf diesen neuen Umstand vor. Noch wohnten wir in Oldenburg und erfüllten dort unsere Pflichten in der Schule, in der Gemeinde und im Haus, aber natürlich lasen wir schon, so weit es die Zeit erlaubte, Bücher über das zukünftige Land, in dem wir später wohnen sollten. Wir vertieften unsere Kenntnis der englischen Sprache und merkten: Selbst die Jahre an Englischunterricht in der Schule würden nicht reichen, die Menschen unserer zukünftigen Heimat voll zu verstehen und auf Augenhöhe mit ihnen zu kommunizieren. Wie traurig, wenn sich Ausländer in einem Gastland nie die Mühe gegeben haben, die Sprache ihrer neuen Heimat zu erlernen. Zu einer meiner Gemeinden in England gehörte ein Schüler, der das Abitur an der Deutschen Schule London mit 1,0 machte. Er bekam einen Platz an der Elite- Universität Cambridge zugesagt. Weil dieser Schüler aber in einer Krise steckte, wollte er diesen von so vielen anderen Schülern hoch begehrten Studienplatz nicht annehmen, selbst nicht nach einem Jahr Bedenkzeit, die man ihm einräumte. Diesem Schüler sind heute viele Menschen vergleichbar. Sie sind zwar nicht alle so klug wie er, aber durch die unverdiente Gnade Gottes erhalten sie seit ihrer Taufe einen Platz höchster Ehre, nämlich an Gottes Tisch, für alle Ewigkeit. Aber weil sie in einer Krise stecken, sagen sie einfach nein, und ziehen Zweitrangiges und Vergängliches dem Hochwertigen und Bleibenden vor. Wie jammerschade, zum Weinen traurig! Bei vielen meiner Besuche merke ich: Es dreht sich fast alles nur um diese kleine, schöne, aber doch vergängliche Welt. Das Denken dreht sich im Kreise! Die Gespräche drehen sich im Kreise! Die kleine, begrenzte Welt dreht sich im Kreise! Klein und begrenzt ist alles, was lediglich irdisch ist. Es findet seine Grenze mit dem Tod. Jede Todesanzeige, jede Nachricht von einem Unglück oder einer Terrortat erinnert mich daran: Mensch, du musst sterben! Ich versuche, diese Wahrheit zu verdrängen und zu vergessen. Ich versuche, mir einzureden, sterben würden ja bislang immer nur andere, ich selbst sei doch noch immer davongekommen; und was bis jetzt gelungen sei, dem Tod ein Schnippchen zu schlagen, könne doch noch Jahr um Jahr weiterhin gelingen! Und was ist dann? Das alles wäre tatsächlich sehr betrüblich, wenn es nicht OSTERN gegeben hätte und diese große Oster-Botschaft nicht existierte: Wir haben den Tod in unserem Personkern schon hinter uns, weil wir als Christen in unserem Geist mit unserem Herrn auferstanden sind! Wir haben, ohne dass man es uns ansehen kann, den größten Wert in uns: Leben vom Auferstandenen, ewiges, unzerstörbares Leben. Die Qualität dieses Lebens besteht nicht in der Anhäufung von vergänglichen Dingen. Die Qualität dieses Lebens besteht darin, dass wir durch Christus ein enges und inniges Verhältnis zu dem Schöpfer aller Dinge pflegen dürfen. Die Qualität dieses Lebens besteht darin, dass wir diesen Schöpfer Vater nennen dürfen. Wir dürfen diesen König aller Könige und Herrn aller Herren nicht nur Vater nennen, wir sind in Wahrheit seine Kinder! Wie Helmut Thielicke dürfen wir Christen diesen schönen Stern lieben, auf dem wir ein paar Jährlein zu Gast sind. Wir dürfen diesen Stern und das Lebens auf ihm schon deshalb lieben, weil er von Gott selbst so wunderbar geschaffen und eingerichtet worden ist. Wir dürfen sogar dabei mithelfen, dass es auf diesem Stern wohnlicher, menschlicher, gerechter und friedlicher zugeht. Aber wir wollen der Faszination dieses „Sterns“ nicht so verfallen, als lebten wir auf ihm für alle Ewigkeit. Wir wollen der Anziehungskraft dieses schönes Sterns nicht zuungunsten unserer ewigen Heimat erliegen. Christen leben mit einem Geheimnis.Ihr Geheimnis ist ihr Leben mit Christus in Gott. Dies Geheimnis ist neugierigem Zugriff verborgen. Von diesem Geheimnis kann man als Glaubender gelegentlich einen „Zipfel“ wahrnehmen, selbst an Kranken- oder Sterbebetten, in der Dramatik eines gebrochenen Lebenslaufes oder einer menschlichen Katastrophe. Aber Gott wird das Unvollkommene und Fragmentarische in seiner Liebe vollenden. Darum wird die Welt nicht unendlich Ostern feiern. Ostern zielt auf die Vollendung der Welt Gottes im Reich seiner Liebe. Dann kommt ans Licht, was jetzt weithin irdischen Augen verborgen bleibt. „Einmal öffnet sich die Tür, und ich steh nicht mehr im Dunkeln, Klage nicht, mein Herz, vertrau, einmal wird sich alles wenden. (Gerhardt Fritzsche, 1911- 1944, gefallen) Amen Dr. Albrecht Weber |
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