Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach, Redaktion: R. Schmidt-Rost

Reminiszere, 7. März 2004
Predigt über Römer 5, 1-5, verfaßt von Anne Töpfer
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)


"Da wir nun gerecht geworden sind durch den Glauben,
haben wir Frieden mit Gott durch unsern Herrn Jesus Christus;
durch ihn haben wir auch den Zugang im Glauben zu dieser Gnade, in der wir stehen und rühmen uns der Hoffnung der zukünftigen Herrlichkeit, die Gott geben wird.
Nicht allein aber das, sondern wir rühmen uns auch der Bedrängnisse, weil wir wissen, dass Bedrängnis Geduld bringt,
Geduld aber Bewährung, Bewährung aber Hoffnung,
Hoffnung aber lässt nicht zuschanden werden; denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist."

Liebe Gemeinde!

Es gibt Zeiten, in denen werden Geschichten erzählt. Da sprudeln einem die Worte nur so aus dem Mund. Erlebnisse und Erfahrungen teilen wir mit anderen. Wir lassen sie teilhaben an lustigen Ereignissen. Oder wir schütten unser Herz aus und sind froh, wenn wir jemanden haben, der oder die uns ein Ohr schenkt und zuhören kann und will. Manchmal lachen wir uns schlapp, weil so was Komisches passiert ist und wir auch anderen etwas zum lachen gönnen.

Und dann gibt es Zeiten, da geht es nicht um Geschichten, da geht es um Grundsätzliches. Da muss erst einmal klar gestellt werden, was denn die Basis ist, auf welchem Fundament wir stehen.
Dies ist in unserem Land z.B. das Grundgesetz.
Ich würde mir wünschen, dass es irgendwann in absehbarer Zeit weltweit die Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen ist.
Für unseren Glauben sind es verschiedene biblische Texte u. a. Worte des Apostels Paulus – wie die heutigen aus seinem Brief an die Gemeinde in Rom.

Es ist keine Geschichte, deshalb auch nur schwer zu behalten. Ich jedenfalls musste diese Worte immer wieder lesen. Das ist keine leicht verdauliche Kost, sondern etwas zum durchbeißen, zum sich aneignen. Das muss durchbuchstabiert und in unser Leben übersetzt werden – auch auf die Gefahr hin, nicht alle theologischen Aspekte bis in ihre tiefsten Tiefen ergründen zu können, jedenfalls nicht mit einer Predigt an einem Sonntag. Dafür ist Paulus zu umfassend in seinem Brief, den er seinem Besuch in Rom voraus schickt. Er will Grundsätzliches schreiben und so spricht er von Rechtfertigung, von Frieden, von Jesus Christus, durch den wir all das kennen und geschenkt bekommen, er spricht vom Zugang zum Glauben und von der Hoffnung auf die künftige Herrlichkeit, von Bedrängnis und Geduld, von Bewährung, vom Heiligen Geist und von der Liebe.

Alles, was er sagt, gehört zum „Grundgesetz“, zu den Grundlagen unseres christlichen Glaubens. All das gehört dazu und sollte hörbar und erfahrbar sein, wenn wir wie heute, taufen und Menschen wie Jacqueline und Hannes Philipp durch die Taufe in die Gemeinde aufnehmen.

Aber gerade aus so einem Anlass heraus und weil mit Jacqueline und Hannes Philipp auch ihre Familien und die Freunde der Familien gekommen sind, wird es doch auch darum gehen, verständlich zu bleiben. Es wird darum gehen zu predigen und nicht eine Vorlesung zu halten, dass können die Professoren an der Göttinger Universität besser.

Also: Was ist das Wichtigste?
Ich glaube, dass es das ist, was Jacqueline und Hannes Philipp schon erlebt haben und mit dem Paulus den heutigen Abschnitt beendet.
Das Wichtigste und das Grund-legendste im Leben ist die Liebe!

Damit meine ich – Valentinstag hin oder her – Frühlingserwachen alle Jahre wieder – beileibe nicht nur die Liebe zwischen zwei Partner, seien es Mann und Frau oder Mann und Mann oder Frau und Frau.
Liebe ist mehr, weit mehr als das unbestritten schöne Gefühl von Schmetterlingen im Bauch, als die Nervosität, wenn man dem anderen gegenüber steht und nicht mehr weiß, ob man klar denken kann oder nur noch Blödsinn redet. Liebe ist mehr als Verliebtheit, so schön sie auch ist.

„Denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen …“ so sagt es Paulus. Das ist eine der grundlegenden Feststellungen, die zu unserem Leben als Christen dazugehört. Bevor wir irgendetwas tun und können, ja bevor wir überhaupt auf eigenen Füßen stehen, sagt jemand ja zu uns … ist jemand für uns da.
Zwar nicht genauso wie ihr/sie als Eltern für ihre Kinder da sind, aber dennoch ist ihr Erleben als Eltern eine Erfahrung, die uns das Andere, nämlich Gottes Nähe und Gottes Liebe ahnen lässt.

Und ich weiß wohl, dass nicht jedem Kind die gute Erfahrung geschenkt ist, von den eigenen Eltern geliebt zu werden. Ich glaube aber dennoch, dass es für weitaus die meisten gilt.
Diese Liebe kann nicht bewiesen werden. Alle Versuche dies zu tun, würden im Aufzählen von Taten oder Geschenken stecken bleiben, deren Beweiskraft höchst fragwürdig ist.

Wenn ich in den Konfirmandengruppen frage: „Glaubt ihr, dass eure Eltern euch lieb haben/lieben?“ dann sind die meisten, trotz des schwierigen Alters, fest davon überzeugt, obwohl sie ihre Eltern oft peinlich finden und es zuhause immer wieder Stress gibt.
Wenn es darum geht, zu erzählen, warum sie denn so sicher sind, dann fehlen ihnen oft die Worte oder ich höre Sätze wie:
“Ich weiß es eben!“
Und das ist gut so!

Das ist gut so, weil es eben deutlich macht, Liebe ist mehr, als ich zeigen, beschreiben oder gar beweisen kann. Liebe ist etwas, was tief in meinem Herzen sitzt, zu mir gehört, verlässlich ist, auch wenn nicht alles so läuft, wie ich es mir wünsche. Liebe ist, dass ich weiß, egal was auch geschieht, ich werde nicht verlassen, sondern die Verbindung ist belastbar und trägt auch in schweren Zeiten.

Was, wenn es gelingt, für uns Menschen gilt, das, so sagt Paulus, gilt in einem noch viel höheren Maße für Gott. Wo wir vielleicht auf der Suche nach Freunden oder einem Lebenspartner schon darauf achten, dass wir zusammen passen, dass die Chemie stimmt und schauen, ob wir gemeinsame Interessen haben oder die Überlegungen anstellen und fragen: kann ich mir vorstellen, mit dem oder mit der alt werden? da sagt Gott bedingungslos ja zu jedem Menschen.

Diese Liebe, griechisch: Agape, schenkt uns Gott, er hat sie ausgegossen in unsere Herzen.
Paulo Coelho, beschreibt diese Agape in seinem Buch: Auf dem Jakobsweg (Diogenes, S.128)folgendermaßen:
„Agape ist die alles umfassende, vollkommene Liebe, die Liebe, die den verschlingt, der sie erfährt. Wer Agape kennt und erlebt, sieht, dass auf der Welt zu lieben das einzig Wichtige ist. Dies war die Liebe, die Jesus für die Menschheit empfand, und sie war so groß, dass sie die Sterne erschütterte und den Lauf der Geschichte des Menschen veränderte. Sein einsames Leben war imstande, etwas zu tun, das Königen, Heeren und Kaiserreichen nicht gelang.“

Diese Agape ist uns geschenkt, daran erinnern uns die Worte des Paulus. Sie ist umsonst, gratis und für jede und jeden da. Vorleistungen sind nicht nötig – ja nicht möglich.
Denn „Gott hat uns nicht geliebt, weil wir gut sind, er hat nicht etwas an uns geliebt, etwas Schönes, Wahres oder Göttliches, sondern er hat uns geliebt, obschon wir seine Feinde waren. Vergesst das nie, dass der Anfang der Liebe Gottes zu euch nicht von euch, sondern von ihm ausgegangen ist!“ so sagte es Hans Joachim Iwand in einer Predigt am 10. März 1945

Diese grundsätzliche Aussage über Gott, zieht all das andere aus unserem Predigttext nach sich (– aber keine Angst, es kommt jetzt keine zweite Predigt.)

Keine leicht verdauliche Geschichte und doch etwas fürs Herz – und dass das so ist, muss ja auch immer mal wieder gesagt werden. AMEN

Pastorin Anne Töpfer
Steffensweg 65
37120 Bovenden
annetoepfer@t-online.de


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