Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach, Redaktion: R. Schmidt-Rost

Estomihi, 22. Februar 2004
Predigt über 1. Korinther 13, verfaßt von Reinhard Schmidt-Rost
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)


Ungehaltene Narrenpredigt für den 22. 2. 2004

Lieder
Nun danket all und bringet Ehr 322, 1 – 3. 5 – 7
Großer Gott, wir loben Dich 331, 1 – 3 und 11
Nun aufwärts froh den Blick gewandt 394, 1 – 5
Herr, wir bitten: Komm und segne uns 607

Text 1. Korinther 13, 1 – 13

Liebe Gemeinde,
ich sag' nichts Neues, liebe Leute,
doch manchmal ist grad' Altes gut,
und weil ein Narr sich niemals scheute,
sag' ich das Alte grade heute
denn heute kocht das Narrenblut.

Der alte Song von Bruder Saulus,
Ihr wisst, das Hohe Lied der Lieb'
zeigt seinen Weg vom Saul- zum Paulus,
vom Eiferer, der voller Schaulus-,
t/die Christen ins Gefängnis trieb,

zum Boten einer neuen Liebe,
die gründlich sucht nach Harmonie,
die noch im täglichsten Getriebe
ganz ohne alle Seitenhiebe
bei großem Ärger doch verzieh.

Die Kraft, die alles Leben würzte,
sobald geöffnet ihr das Herz,
die keinen Schwachen jemals stürzte,
kein zartes Leben je verkürzte,
und sich erbarmte jedes' Schmerz.

Die Kraft, die jedem Glockentone
die lebensvolle Farbe mischt,
sie sitzt auf keinem hohen Throne,
hält keine Sklaven sich zum Frone,
hat stets dem Bettler aufgetischt.

Die Liebe wirkt wie Vitamine,
wie Calcium und Magnesium
sie reicht zum Bruch die feste Schiene!
Auf Wunden? Brei der Honigbiene!.
Macht Münder, die da maulen, stumm.

Gewiß, sie hat kein leichtes Leben,
bricht mit Gewalt sich keine Bahn,
das widerspräche ihrem Streben,
die Hingefall'nen aufzuheben
- und die verstrickt in eitlen Wahn,

die überschüttet sie mit Güte -
sucht noch im schärfsten Meinungsstreit,
ob auch die Zwietracht noch so wüte,
nach Zeichen, daß uns Gott behüte,
daß sein Erbarmen nicht mehr weit.

Und hofft, - ihr Hoffen ist ohn' Ende,
so wie ihr Glaube felsenfest,
glaubt ständig an die gute Wende,
reicht voller Hoffnung beide Hände,
weil sie sich nicht erbittern lässt.

Das geht nur selten ohne Klage,
weil Menschenherzen nicht so sind,
daß sie beständig alle Tage
mit einem Gleichmut gleich der Waage
und voll Vertrauen wie ein Kind

den Frieden sich gefallen lassen,
den Gottes Geist der Welt geschenkt,
den wir durch Zank und Haß verprassen,
in Gold einwechseln an den Kassen -
Daß Menschengeist sich so beschränkt!

Wir fassen schwer die große Weite,
mit der uns Gottes Liebe lockt,
wir sehen halt nur unsre Seite,
- der andre trägt die Schuld am Streite -,
der Liebe Lebensfluß, er stockt.

Die Liebe, wie sie hier beschrieben,
leuchtet im Alltag gar nicht ein,
wird sie nicht ständig aufgerieben?
ein böses Spiel mit ihr getrieben?
das kann doch wohl nicht heilsam sein!

Die Demut? Eine dünne Decke,
die Liebe täglich drunter friert,
sucht trotzdem keine warme Ecke,
darin sie sich vor Zug verstecke, -
damit sie keine Zeit verliert,

die Menschen tapfer aufzuspüren,
die andrer Menschen Hilfe bar,
die im Begriff, sich zu verlieren,
weil keines Menschen Herz sie rühren,
mit roter Nase, wirrem Haar ...

Die Liebe - eine dumme Phrase?
Nur hohle Worte in den Wind?
Im Fernsehn eine Seifenblase?
Zerbrechlich wie ein Sprung im Glase,
und kindischer als jedes Kind?

Kennt Ihr's nicht so, das zarte Pflänzchen,
das sich bei allem gar nicht bläht!
Sind das nicht alles müde Tänzchen,
verdienen kaum ein welkes Kränzchen,
hinfällig, wenn der Wind drein weht?

Doch ist grad diese schwache Pflanze,
so tief verwurzelt, wie sonst nichts,
noch in dem wild'sten Lebenstanze,
behält sie etwas von dem Glanze
in eines glücklich' Kinds Gesicht.

Die Liebe gibt dem Leben Richtung
sie schenkt auch Kraft, Mut und Geduld,
sie schafft in manchem Dickicht Lichtung,
sorgt vielerorts für milde Schlichtung,
löst in Vergebung alle Schuld..

Die Liebe öffnet ihre Arme
als Zeichen einer Gottesgüt'
die sich der Menschennot erbarme,
zuwende allem Leid und Harme,
mag sein, daß selbst der Schmerz entflieht.

Und unablässig sucht sie Klärung,
wo jede Spur sich sonst verliert,
sucht auch bei brodelnd wüster Gärung
für Lebenshilfe starke Währung,
von Zins-Gewinnen unberührt. .

Wir sehen wie in einem Spiegel,
und dieser Spiegel ist nicht klar,
wer schiebt von unserm Geist den Riegel
wer öffnet unsres Herzens Siegel,
und hält es offen, Jahr für Jahr?

Das kann kein Mensch für sich alleine,
Das wirkt nur Gottes guter Geist,
rollt aus dem Weg die schlimmsten Steine -
bringt Gegner letztlich noch ins Reine,
in dem er sie zur Liebe weist.

So bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe,
als gut gemischter Lebenssaft,
der täglich stärkt die guten Triebe,
wir beten, dass er bei uns bliebe,
uns täglich neu geb' Gotteskraft.

AMEN:


Närrisches Nachwort aus aktuellem Anlaß:

Der folgende Teil dieser Narrenrede bezieht sich auf eine aktuelle Sachlage, die aber für viele Kirchengemeinden heute ein Problem ist oder in naher Zukunft werden könnte: Zwei benachbarte Kommunen mit mehreren Teilorten liegen in zwei verschiedenen Kirchenkreisen. Die Kirchengemeindegrenzen stimmen nicht mit den politischen Grenzen überein. Nun will die Gemeinde des Ortes, in dem diese Narrenrede hätte gehalten werden sollen, aus Kostengründen das Kirchengebäude gerade in dem Ortsteil verkaufen, der politisch zu der anderen Kommune gehört. Der Pfarrer im angrenzenden Ortsteil der anderen Kommune würde den Nachbarortsteil gerne übernehmen, weil er dann bei seiner Kirche nicht anbauen müsste, wie es sich dort durch Zuzug nahe legt. .Das hat das Presbyterium des Ortes mit der Verkaufsabsicht aber schnell abgelehnt, weil sie an dem Kirchenverkauf zu verdienen hoffen, oder wenigstens die eingesparten Kosten für die Gesamtgemeinde nutzen wollen. An die drohenden Kirchenaustritte denkt man offenbar nicht: Kirchturmspolitik im vereinten Europa! Da lacht das Herz des Narren.

Es ist klar, daß ein solcher Zwischenruf in der betreffenden, betroffenen Gemeinde nicht laut werden durfte.

Also so hätte es weiter gehen sollen:

Nun müssen wir Euch leider sagen,
daß unser Geist entzündet ist,
weil uns trotz solcher Goldgrundlagen, (Liebe!)
verboten wird, etwas zu sagen,
als sollt' verstreichen erst die Frist,

da uns das Zeichen wird genommen,
das täglich unsern Glauben weist,
wir sehn schon andere Zeiten kommen,
und fragen uns darob beglommen,
was wird hier herrschen für ein Geist –

wenn erst ersetzt das Kreuzeszeichen
durch andrer Firmen Etikett,
dann müssen auch die Menschen weichen,
die andre Orte kaum erreichen,
ist's dann für Kirche hier zu spät?

Dem Narr, ich bitt' Euch liebe Leute,
sei eine Frage noch erlaubt.
Wer war' s, der erst den Bau betreute,
sich dann an dieser Heimat freute?
Ihr habt den Bau zusammengek(g)laubt!

Zwar hängt kein Christenherz an Gütern
weil irdisch Gut vergänglich ist,
doch lastet es auf den Gemütern,
sie fragen nach der Herde Hütern,
so mancher deren Gunst vermißt,

weil sie die Leute hier kaum kennen,
dafür war ihre Zeit zu kurz,
solln die jetzt übern Haufen rennen,
was sie qua Amt ihr eigenen nennen?
Das wär' fürwahr ein übler Sturz


Der Fachmann rät in solchem Zwange –
- er hat so manchen Fall betreut -,
bedenkt das Vorgehn möglichst lange,
ergebt euch nicht dem ersten Drange
zu tun, was Ihr schon bald bereut.

Solange Ihr den Turm noch sichtet,
- wär' Eure Rede auch amorph! -
Das Haus alleine schon berichtet,
daß Kirche nicht die Anker lichtet,
im Gegenteil: Sie bleibt im Dorf!

Und wird sich dort auch trefflich regen,
die Zeit der Dürre ist vorbei,
der Anstoß kam nicht ungelegen,
jetzt fragt man wieder nach dem Segen,
wozu die Kirche nützlich sei.

Ich könnt' Euch stundenlang erzählen,
was Christi Geist hervorgebracht,
doch will ich Euch nicht hungrig quälen,
drei kleine Stücke nur erwählen,
die ich ganz flüchtig ausgedacht,

wie man nach alter Schelmenweise,
verbindet, was zutiefst verwandt
steht nicht am Markt in einem Kreise –
Ihr kennt es doch von mancher Reise –
die Kirch' mit Kneipe Wand an Wand?

Ihr sollt Euch nicht dem Trunk ergeben,
auch niemand in Versuchung führn,
doch gastlich' Häuser sind voll Leben;
wenn geistlich' Häuser stehn daneben
so könnt Ihr sammeln, statt verliern. (Café als Altentreff im Gemeinderaum)

Der Musica dient' diese Halle,
auch als sie nur als Kirche galt,
und dient sie dem vermehrten Schalle,
dann spuckt auch niemand Gift und Galle,
dann hat das Herze weiter Halt. (Musikschule!)

Und schließlich, wollt es wohl bedenken,
vielleicht kommt auch noch ein Ballett,
übt, wie man könnt die Schritte lenken,
ohne den Fuß sich zu verrenken,
ein Kindertanz, wär' das nicht nett?

Auch Narrenworte können kränken,
- das Lied der Liebe leicht getrübt -,
doch geb' ich Euch mit Ernst zu denken,
wollt Ihr das Kirchenschiff versenken,
eh' ihr Verständigung – geübt?

Was braucht's beim Nachbarn neue Bauten,
wenn euch gegeben ist viel Raum!
Wo die doch stets herüberschauten,
sich nur noch nicht zu fragen trauten, -
für die wär' so ein Raum ein Traum .

Wie wollt' ihr handeln mit den Brüdern?
Die Schwestern sind auch mit gemeint!
Empfangt Ihr sie mit Friedensliedern?
Spürt Ihr den Drang, sie anzuwidern?
Denkt Ihr getrennt, was leicht vereint?

Prof. Dr. Reinhard Schmidt-Rost
R.Schmidt-rost@web.de


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