Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach, Redaktion: R. Schmidt-Rost

1. Sonntag nach Epiphanias, 11. Januar 2004
Predigt übe
r Römer 12, 1-8, verfaßt von Friedrich Malkemus
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)


Liebe Gemeinde!

Das ist Ihnen bestimmt auch schon einmal gesagt worden: Mensch, bleibe so, wie Du bist! Ob Sie noch wissen, was dieser Satz bei Ihnen an Gedanken ausgelöst hat? Ach so, ich bin demnach ein ganz netter Kerl. Ich gefalle meinem Gegenüber, so wie ich gerade bin. Aber hat dieser es auch ganz ehrlich gemeint? Ist das auch keine Lobhudelei? Wir brauchen doch gar nicht lange zu grübeln und stellen dann einige Mängel an uns und unserem erhalten fest. Es könnte eigentlich doch schon manches in meinem Leben anders und besser werden. Gerade jetzt am Jahresbeginn kommen solche Sprüche und Gedankengänge auf und machen uns zu schaffen. Lehnen wir uns nur nicht behaglich zurück und wiegen wir uns nur nicht in dem Gedanken: Na, wenn die Leute mich so positiv einordnen und als völlig in Ordnung finden, warum sollte ich an mir herumbasteln und etwas verändern. Ich bin halt o.k.! Was will ich mehr!

Genau hier an der Stelle großer Selbstgefälligkeit meldet sich unser Schriftwort zu Worte. Eben die Selbstgefälligkeit stellt der Apostel auf den Prüfstand. Das geht uns völlig gegen den Strich, das liegt absolut nicht im Trend. Wir möchten uns so akzeptieren, wie wir sind und die anderen Leute sollen das gefälligst auch tun! Ich will bestätigt und auf keinen Fall in Frage gestellt werden. Wo doch heute die Beliebtheitskurven so gepflegt und begehrt sind! – Diese den Menschen zugewandte Seite ist vielfach eine reine Fassadenseite. Das blitzt manchmal durch unsere eigenen Worte hindurch. Wenn wir etwa sagen: Na, wenn Sie wüssten, wie es in mir wirklich aussieht! – Oder wiederum erzählen einige etwas über einen sogenannten tollen, großartigen Menschen. Und dann sagt einer doch ganz überraschend: Ja, ihr Leute, den müsstet ihr erst einmal wirklich kennenlernen! – Will dieser Insider nicht andeuten, dass es in der besagten Person auch Hintergründe, wenn nicht Abgründe gibt? – Um dieses Vordergründige und Fassadenhafte weiß der Apostel Paulus sehr wohl Bescheid. Er wendet das Thema und lenkt den Lichtkegel der Betrachtung von der Selbstgefälligkeit zur Betrachtung der Gottgefälligkeit.

Es ist eben nicht der Sinn und das Ziel deines Lebens, dass du dich im Spiegel deiner Selbstzufriedenheit spiegelst oder nach der Wonne suchst, von den Leuten hofiert, begehrt und bestaunt zu werden. Nein, den von Gott angedachten Sinn des Lebens zu finden und ihm mit dem Leben zu gefallen, das geschieht gerade durch den radikalen, also auch möglicherweise schmerzhaften Verzicht auf alle Eitelkeit meiner Person. Darum spricht der Apostel vom Opfer, weil er weiß, wie schwer, ja wie nahezu unmöglich dem Menschen die Trennung von seiner Eitelkeit fällt. Er, das bin ich auch, möchte das ja eigentlich nicht. Dafür ist er zu sehr in sich selbst verliebt.

Aber ob es uns nun gefällt oder nicht, hier setzt der Apostel mit seiner Therapie an. Das wahre Lebendigsein, das Heilige und das Gott Gefällige beginnt da, wo wir uns mit Leib und Leben ganz und gar Gott zum Opfer geben. Was das heißt? Mein Leben und die Weise meines Lebens und Denkens werden völlig zur Disposition gestellt. Die Runderneuerung findet im Lichte der göttlichen Wahrheit statt. Ich muß eben nicht in allem und jedem „in“ sein. Was macht es schon, dass ich nicht im Trend dieser meiner Zeit liege. Sehr wichtig aber ist es, dass mein Leben die Gestalt eines vernünftigen Gottesdienstes annimmt.

Ich setze neue Akzente und bilde neue Schwerpunkte. Die Vorgabe hierzu kommt nicht von der mich umgebenen Welt. Mit ihr setze ich mich kritisch auseinander und mit meinen eingeschliffenen Lebensgewohnheiten. Ich beginne mich wie Paulus von der Botschaft Jesu Christi her in Frage zu stellen und will nicht einfach das Verhalten in dieser Welt kopieren. Ich denke nach und besinne mich, ich zögere und sage nicht eilfertig: Die anderen Leute machen es ja auch so, also will ich es auch tun!

Denn das Allzuselbstverständliche, das Alteingeschliffene kann durchaus vor Gott das Grundverkehrte, das Verhängnisvolle und höchst Gefährliche sein! Wie lange haben wir in der sog. Christlichen Welt gebraucht, bis wir endlich begriffen haben, dass der Schwache und Behinderte zu uns gehört und wir zu ihm gehören und einer von dem anderen lernen kann. Der alte darf mir nicht lästig sein, weil er bedächtiger reagiert und eben mehr Geduld im Umgang erfordert. Mit ihm die Langsamkeit auszuhalten, das kann der vernünftige Gottesdienst sein, das Gute und das Vollkommene. – Der gesellschaftliche Prozess, der jetzt in unserem Lande als Erneuerung und Wandlung eingeleitet ist, kann durchaus in dieser Linie liegen. Plötzlich erkennen wir, wie verwoben wir alle miteinander sind in dem Geflecht der Probleme. Wir können uns nicht selbstsüchtig und narzistisch vereinzeln und verstecken oder gar mit unseren Konten in das ferne Ausland entfliehen.

Der Beruf unseres Lebens, der vernünftige Gottesdienst ist die liebevolle und selbstlose Hingabe an die Menschen um mich her. Aber nicht um meinem Willen oder deren zu willfahren, sondern, das muss sehr deutlich werden, weil es Gottes Wille ist. Es hat einen zeichenhaften Charakter, wenn wir uns dem Schema dieser Welt gegenüber verweigern, weil wir den vernünftigen Gottesdienst anstreben. Es hat aber auch und ebenso einen zeichenhaften Charakter, wenn wir uns deutlich und sehr entschlossen engagieren und eine Bewegung unterstützen und stärken, die den Aufbruch zu dem vernünftigen Gottesdienst markiert. Die Barmherzigkeit Gottes ermutigt uns, an der Gestaltung dieser Welt uns zu beteiligen und das Opfer unseres ganzen Einsatzes einzubringen.

Wir stehen als Christen nicht an der Seite der Entwicklung und lassen ihren Strom nicht einfach vorbeiziehen. Wir stehen mitten im Strom des Lebens und gestalten mit das Gute und Gott Wohlgefällige.

Amen.

Lieder zum Gottesdienst:
EG 288 Nun jauchzt dem Herren, alle Welt
EG 441 Du höchstes Licht, du ewger Schein
EG 72 O Jesu Christe, wahres Licht

Gebet: Mit Freude versammeln wir uns, lieber allmächtiger Herr, vor deinem Angesicht und unter deinem Wort. Sende deinen Geist in unsere Herzen, dass wir deine Weisung aufnehmen und ihr folgen. Wir loben dich, den Vater, Sohn und heiligen Geist. Amen

Gebet: Herr, unser Gott und Vater – in dieser Zeit feiern wir in unseren Gemeinden die Ankunft deines Lichtes mitten im Dunkel der Tage, mitten im Dunkel der Welt. Du hast Jesus in unsere Mitte kommen lassen als das Licht der Welt. Lass uns und viele, viele Menschen an diesem Lichte teilhaben, die Freude darüber empfangen und diese Freude weitergeben. Wir bitten dich, lass uns erkennen, dass dieses Licht allen Menschen scheinen möchte. Davon soll keiner ausgeschlossen sein. Gib, dass wir den Menschen, der uns ferne war oder noch ferne ist, dass wir ihn neu sehen und verstehen. Gib, dass wir nicht Schatten verbreiten, aber Träger deines Lichtes werden.

Lass uns Licht tragen in die verworrenen Beziehungen, die uns umgeben. Lass uns aufrichten die Gebeugten, denen wir begegnen.

Befreie uns von aller Ungeduld gegenüber den Schwachen und Langsamen.

Mache uns stark dann, wenn Mut und Bekenntnis von uns für andere Menschen gefordert wird, in dem öffentlichen und im privaten Bereich. Das Licht der Welt, Jesus Christus leuchte uns in Kirche und Familie und in der Völkerwelt.

Wir preisen und loben dich!

Vaterunser ...

Friedrich Malkemus
Dekan i. R. Kirchenrat
Wolfgang-Zeller-Str. 13
34613 Schwalmstadt-Ziegenhain
Tel.: 06691 71642

 


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