Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach, Redaktion: R. Schmidt-Rost

Epiphanias, 6. Januar 2004
Predigt übe
r Epheser 3, 1-7, verfaßt von Hans Theodor Goebel
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Deswegen ich, Paulus, der Gefangene des Christus Jesus für euch, Menschen aus den Völkern –
Ihr habt ja gehört von dem Plan der Gnade Gottes, die mir für euch gegeben worden ist:
Durch eine Offenbarung ist mir das Geheimnis kundgemacht worden, wie ich euch zuvor in Kürze geschrieben habe.
Daran könnt ihr, wenn ihr's lest, meine Einsicht in das Geheimnis des Christus erkennen.
Dieses Geheimnis ist in anderen Generationen den Menschenkindern nicht kundgemacht worden, wie es jetzt seinen heiligen Aposteln und Propheten im Geist offenbart worden ist:
Dass nämlich die Menschen aus den Völkern mit erben und mit zum Leib gehören und mit Teil haben an der Verheißung in Christus Jesus durch das Evangelium.
Dessen Diener bin ich geworden durch das Geschenk der Gnade Gottes, die mir gegeben worden ist, und in ihr wirkt seine Kraft.

(Übersetzung mit Hilfe von M. Luther, H. Schlier, R. Schnackenburg)

1.
Geheimnis – ist ein Schlüsselwort in diesem Text.
Die Gedanken des Apostels umkreisen es. Ihn selbst hat das Geheimnis berührt. Es begründet die Beziehung zu den Menschen, an die der Apostel hier schreibt. Lebensverhältnisse sind durch das Geheimnis verändert worden.

Geheimnis.
Noch haben wir vielleicht von unserem Weihnachten her das Wort im Ohr. Auch das Evangelium des 6. Januar, an dem die östlichen Kirchen Weihnachten feiern, erzählt davon: Im Osten haben himmelskundige Männer einen Stern aufgehen sehen und sind ihm nachgereist. Um den neugeborenen König der Juden zu finden.
Das Geheimnis dieses Kindes, das den Frieden Gottes bringen – ja selbst in Person der Friede sein soll.

Davon haben wir vielleicht noch einen Nachklang im Ohr. Eine Sehnsucht. „Eia, wärn wir da!“
Es mögen aber auch manche von uns sagen und viele empfinden: Ich habe keinen Zugang zu diesem Geheimnis.

Wie willst du denn ein Zugriff darauf haben? Es geht hier doch um Gottes Geheimnis. Da kannst du nicht einfach rein.
Es hat aber, so hören wir, dieses Geheimnis eine Dynamik in sich selber. Es hat sich aus seinem Inneren heraus geöffnet. Mitten in menschlicher Lebensgeschichte auf der Erde.
Das Geheimnis ist aufgegangen wie der Stern am Himmel, den die weisen Männer im Osten gesehen haben, und der Stern ist ihnen voran gegangen, und sie ihm nach – hin zum Ziel, das sie erst suchten, auf Wegen, die sie nicht kannten.
Das Geheimnis ist offenbart worden. Enthüllt, was vorher verhüllt war.
Das hat eine Auswirkung gehabt. Menschen sind dadurch zu Boten des Friedens geworden, zu heiligen Aposteln, zu Propheten in Gottes Heiligen Geist. Das Heilige ist über sie gekommen, indem sich ihnen das Geheimnis Gottes enthüllt hat.
Da, als der Jude Jesus geboren wurde und sein Menschenleben in Gott lebte auf unsrer Erde und starb am Kreuz, und Gott erweckte ihn von den Toten – da ist von Gott her das Licht aufgegangen. Unter allen, die es nicht begriffen haben, hat das Licht einige ergriffen und hat sie zu Boten gemacht: Ihr seid das Licht der Welt . Licht vom Licht.
So auch Paulus. Und der spätere Apostel, der hier in seinem Namen schreibt. Und nach ihnen viele andere . Bis zu uns heute. Ihr seid das Licht der Welt . Sagt Jesus zu seinen Jüngern.

Das ist mehr als ein Zufall der Weltgeschichte. Gottes Plan liegt hier zu Grunde. Der Apostel schreibt, Gott habe ihm einen Auftrag an die Gemeinde in Ephesus gegeben – vielleicht verbergen sich hinter dem Namen dieser Stadt mehrere Gemeinden in Kleinasien. Weil Gott sich an euch wenden wollte, hat er mir, dem Apostel, das Geheimnis offenbart.
Ich habe euch von diesem Geheimnis in meiner Schrift schon geschrieben. Ihr könnt's da nachlesen.

Auch wir können es da nachlesen. In unsrer Bibel, in der dieser so genannte Brief an die Epheser steht. Das gehört mit zu dem Geheimnis. Wir können darüber nachlesen in der Bibel, die durch Gottes Gnade in unsere Hände gekommen ist. Eine Gnade, eine besondere Gnade, ist in diesem Buch bis zu uns hingekommen.

Es könnte uns gut tun, daran erinnert zu werden. An den Schatz im Bibelbuch, von dem Menschen seit Jahrtausenden zehren. Und zehren ihn nicht auf.
Noch wir können uns von ihm nähren, können selbst da nachlesen.
Uns vorlesen lassen. Uns selbst vorlesen. Oder anderen. Alten. Jungen. Lesen und vorlesen. Selbst lesen.

Nicht Worte, die vom Himmel gefallen sind, lesen wir da. Meine Einsicht in das Geheimnis, könnt ihr da lesen. Schreibt der Apostel. Seine Einsicht. Andere haben in anderen Lebenssituationen andere Einsichten gehabt. Gottes Offenbarung kommt zu uns über menschliche Einsichten und Worte. Durch diese Menschen ist Gottes Offenbarung hindurch gegangen und sie hat von diesen Menschen verschiedene Formen und Farben angenommen. Wir begegnen darin dem Geheimnis, das sich in dem Evangelium von Jesus dem Juden offenbart hat. Eingekleidet in die Einsicht und in das Verständnis der biblischen Zeugen zu je ihrer Zeit.

2.
So schreibt der Apostel des Epheserbriefes von seiner besonderen Einsicht in das Geheimnis. Legt es so dar, wie gerade er es versteht und verstehen muss in seiner besonderen Zuspitzung auf die Menschen, für die er sich beauftragt weiß.
Das Geheimnis besteht darin, dass Menschen aus der Völkerwelt mit erben, mit zum Leib gehören, mit Teil haben an der Verheißung in Christus Jesus durch das Evangelium. So schreibt er an Menschen in kleinasiatischen Christengemeinden, die selbst aus der Völkerwelt stammen. Also nicht zu Gottes erwähltem Volk Israel gehören. Menschen aus der Völkerwelt, auch ihr erbt mit , gehört mit zum Leib, habt mit Teil an der Verheißung. Ihr mit Israel.
Dieses Geheimnis hat mir Gott für euch kundgemacht. Euch gilt es.

Und ich, durch Gottes Gnade beauftragter Apostel, gebe euch das weiter. Durch das Evangelium von Jesus Christus. Denn in ihm ist das Geheimnis wie begründet so jetzt offenbart. Und hat euch erreicht.

Was ist an daran besonders, was so geheimnisvoll, dass es offenbart werden musste?
Gott ist uns nahe – das sagen heute doch viele, die religiös empfinden – Menschen aller möglichen Kulturen und Traditionen in unsrer Stadt und rund um die Erde.
Versteht es sich für uns alle nicht von selbst: Gott ist uns nahe?

Ja, es ist wahr, würde der Apostel uns antworten. Gott ist euch nahe und ihr seid ihm nahe. Nur von selbst versteht sich das nicht. Ihr seid nahe geworden.

Eine besondere Geschichte hat sich an euch und mit euch vollzogen.
Die Geschichte des Jesus Christus. Er hat euch da aufgesucht, wo ihr wart. Fern von Gott. Allein mit euch selbst, ausgeliefert an das, womit ihr im Leben nicht fertig werdet.
Wo eure Gottesferne am dichtesten ist – im Tod, da ist er euch am nächsten gekommen. Dahin hat er euch Gott gebracht. Gott ist euch da so nahe gekommen wie keiner sonst. Das ist seine Wahrheit. Und ist nun eure Wahrheit geworden. Diese Geschichte ist nicht vergangen. Sie ist vielmehr lebendige Geschichte für Gott und für euch. Geschichte des Evangeliums, die heute durch die Welt geht.
Gottes Geheimnis ist diese Geschichte. Und hat den Namen Jesus Christus und ist in ihm offenbart worden: Ihr seid bei Gott, weil er bei euch ist.

Diese besondere Geschichte bindet euch mit Gottes Volk Israel zusammen, aus dem Jesus kam. Denkt und sprecht nie so allgemein von Gott, dass ihr die Juden vergesst. Sonst seht ihr vor Bäumen den Wald nicht. Sonst sägt ihr den Ast ab, auf dem ihr sitzt.

Der Apostel will uns sagen: So wie Israel von Gott erwählt ist, so sind jetzt wir, Deutsche, Palästinenser, Menschen aus allen anderen Völkern, Traditionen, Kulturen der Welt, mit erwählt mit den Juden.
Was Gott ihnen verheißen hat: Ich will euer Gott sein und ihr sollt mein Volk sein , das ist nun uns mit verheißen. Zusammen mit den Juden sollen wir sein eines Volk sein. Zusammen mit Menschen aus Gottes Volk Israel sind wir, Menschen aus den anderen Völkern, einer, nicht zwei, der eine Leib Jesu Christi.
Er ist unser Friede, der aus beiden eines gemacht hat…

Friede ist ein anderes Wort für Versöhnung. Jesus Christus hat uns versöhnt, uns miteinander und uns mit beide mit Gott.

Die Kirche als der eine Leib Jesu Christi ist die Vorhut für die Welt . Um Welt geschichte geht es hier nämlich. Nicht nur um Kirchengeschichte. Es geht um die Versöhnung der Welt .
Im Geheimnis Jesu Christi ist beschlossen: Gott will die Welt, den Kosmos, die Einheit von Himmel und Erde. So ist es von Gott her wahr und wirklich in Jesus Christus.

Seine Versöhnungs- und Friedensgeschichte umfasst nicht nur die Kirche. Schon uns Alle. Auch wenn Israel und die Völker der Erde noch nicht einig miteinander leben und beten und die Völker unter sich auch nicht und die Kirche und Israel auch nicht.
Aber Jesus Christus ist lebendig und in ihm diese Versöhnungs- und Friedensgeschichte. Und ist voller Dynamik. Was in ihm ist, vollzieht sich in der Weltgeschichte. Zieht Kreise. Seine Geschichte wirkt in die Menschheit hinein. Apostel, Propheten, Jüngerinnen und Jünger werden in ihr engagiert. Die Friedensgeschichte Jesus Christi geht durch sie hindurch. Dazu ist die Kirche da. Wir sind von unserem Herrn in den Dienst dieser Geschichte genommen: Ihr seid das Licht der Welt. Und: Selig sind, die Frieden stiften, denn sie werden Gottes Kinder heißen.

3.
So sollen wir der Welt bekannt machen, was Gott mit ihr beschlossen hat: Den Frieden, die Versöhnung, die Einheit.
Wir stoßen damit aber auf Widerstand.
Gott selbst erfährt den Widerstand. Sein Jesus wurde ans Kreuz geschlagen. Sein Apostel ins Gefängnis geworden, wie es hier heißt. So ist es vielfach weiter gegangen bis heute.

In unsrer Welt setzt sich scheinbar Anderes durch und hat Erfolg: der Egoismus, die Gier, der Krieg, die Unversöhnlichkeit, der Hass, die Gewalt.
Manchmal geht uns erschreckend auf, dass diese Mächte nicht nur von außen auf uns zukommen, sondern tief verwurzelt und stark sind in uns selbst.
Dann müssen wir kämpfen nach außen und nach innen.
Ist das ein aussichtsloser Kampf?

Es gehört zum Geheimnis der Geschichte Jesu Christi in unsrer Welt, dass Gottes eigene Kraft in seinen Boten wirken will. So ist seine Gnade, in der er Menschen ruft.
Keiner von uns soll denken, Gott lasse ihn hier auf sich allein gestellt.
Auf unsrer Seite ist da oft genug nur große Schwachheit.
Wie sollen wir denn wirken in unsrer harten Welt? Nicht mit denselben Mitteln wie die Mächte gegen uns. Sondern durch die Liebe . In ihr sollen wir wahrhaftig sein. Das heißt dann erst recht: schutzlos und schwach.
Aber die Liebe - sie ist Gottes eigener Weg und in ihr wirkt wohl Gottes Kraft besonders. Es ist die Kraft, die Tote zum Leben erweckt. An Einem ist das schon geschehen uns zur Hoffnung. Amen.

Dr. Hans Theodor Goebel, Köln
HTheo_Goebel@web.de

 

 


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