Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach, Redaktion: R. Schmidt-Rost

1. Sonntag nach dem Christfest, 28. Dezember 2003
Predigt übe
r Matthäus 2, 13-23, verfaßt von Jørgen Demant (Dänemark)
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Jede gute Geschichte muß einen Anfang haben, eine Mitte und einen Abschluß. Und die Weihnachtsgeschichte von Jesus hat zumindest, das wissen alle, einen Anfang. Das wissen wir von Heiligabend und dem ersten Weihnachtstag: Das Kommen des Kindes in die Welt. Das Kind wird geboren. Geboren werden heißt in die Welt kommen, und in die Welt kommen heißt zu jemandem kommen, und zu jemandem kommen heißt in dessen Leben eingreifen, und da kommt es zu Verwicklun­gen. Es entstehen neue Horizonte.

"Euch ist heute der Heiland geboren in der Stadt Davids". Er ist geboren. Das ist die Botschaft der Weihnacht. Aller Anfang ist Anfang für uns. Ob man nun sich verliebt. Ob es wirkliche Liebe ist. Ob man ein Kind bekommt. Aller Anfang bedeutet, daß man von etwas angerührt wird, das von außen kommt.

Aller Anfang ist Erhebung. Aller Anfang bedeutet neue Möglichkeiten. Deshalb ist die Weihnachtsbotschaft des Anfangs auch: "Fürchtet euch nicht, denn ich verkündige euch große Freude". Oder: "Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen". Aller Anfang ist Freude, Friede, Furchtlosigkeit.

Aber zu jeder Geschichte gehört auch eine Mitte und ein Abschluß. Und davon hört man nicht in erster Linie am Heiligabend und am Weihnachtstag, sondern davon hört man am zweiten Weihnachtstag und heute - am Sonntag nach Weihnachten. Hier wird davon erzählt, wie die wahre Freude und der wahre Friede verfolgt und erschlagen werden. Der mittlere Teil der Geschichte handelt immer vom Widerstand gegen den Anfang: das Böse, die Feindschaft, Weinen und Tränen. Alle Mitte ist Kampf, Ausdauer und Hoffnung.

In diesem Raum wird noch immer die gute alte Geschichte erzählt mit einen Schluß, der ein happy end hat. Der Kampf zwischen dem Guten und dem Bösen endet nicht mit dem Sieg des Bösen, sondern des Guten. Davon könnt ihr an Ostern hören, denn hier findet der entscheidende Kampf statt.

Die Weihnachtsgeschichte enthält einen Anfang, eine Mitte und einen Schluß. Leider bekommen die meisten die Mitte und das Ende nicht mit, weil sie nur den Gesang der Engel hören: "Fürchtet euch nicht", "Friede den Menschen". Und dann ist das nicht nur eine halbe Geschichte, sondern man läuft auch Gefahr, sentimental und oberflächlich zu werden.

Aber wie vollzieht sich der mittlere Teil der Geschichte? Davon handelt der Sonntag nach Weihnachten. Was geschieht, wenn die gute Botschaft von den Engeln in die Welt geht und auf Widerstand stößt? Was geschieht, wenn sich Himmel und Erde begegnen? Und wie überwindet der gute Anfang mit Friede und Freude und Furchtlosigkeit die böse Welt mit Feindschaft und Widerstand?

Es geht darum, den Feind zu überlisten, es geht darum, an den guten Träumen festzuhalten, denn wenn man das kann, dann wird das Ende gut, und dann wird alles gut!

Apropos diese Redewendung, die wir so oft verwenden. Und die wir ja gerade in bezug auf eine Krise verwenden, die wir erleben, einen Widerstand, den wir überwunden haben, ein Unwetter, das über uns hereinbrach. Wenn es überstanden ist, atmen wir erleichtert auf und sagen: "Ende gut, alles gut!"

William Shakespeare benutzte dies als Titel für eine Komödie. Und der Titel könnte sozusagen für alle Komödien verwendet werden, teils auch für die Tragödien. Aber hier ist es vielleicht schwerer zu sehen. Was ist das für ein Trick, den Shakespeare verwendet, um alles zum Guten zu wenden? Er bedient sich des Betrugs, der Illusion, der weißen Lüge. Wie nun in der letzten Komödie die Shakespeare schreibt, dem ' Unwetter' .

Die Komödie 'Das Unwetter' ähnelt sozusagen der Erzählung des heutigen Evangeliums. Sie handelt vom Herzog Prospero von Mailand, der von seinem Bruder Antonio vertrieben wurde und sich nun zwölf Jahre auf einer Insel zusammen mit seiner Tochter Miranda aufgehalten hat. Dieser Prospero besitzt heimliche, okkulte Künste und magische Zauberkraft. So ist er imstande, ein Unwetter zu arrangieren, das bewirkt, daß sein böser Bruder auf seiner Heimreise von einer Hochzeit Schiffbruch erleidet und an der einsamen Insel landet. Hier geschehen viele Intrigen, Verkleidungen und Verwechslungen, alles um den Feind in die Falle zu locken. Und als wir dann im fünften Akt angelangt sind, haben die Richtigen einander gefunden, das Böse ist entlarvt, die meisten bereuen außer einem einzelnen. Und eben das ist die Pointe bei Shakespeare, daß fast alle, die in das Böse korrumpiert und hineinbetrogen worden sind, auch in die Wahrheit hineinbetrogen werden können, d.h. in das wahre und ehrliche Leben, in dem Milde und Güte herrschen. Außer wie gesagt einem einzigen. In fast allen Dramen bleibt einer draußen, eingefroren in das Böse. Die Versöhnung hat also ihre Grenzen.

Der intrigante und machtbesessene Antonio glaubte, er habe alles, d.h. die Stadt Mailand, unter Kontrolle. Aber das ist nur eine Illusion und ein Selbstbetrug, auf dem er seine Macht begründet. Prospero aber gewinnt seine Macht und seine Stadt wieder - nicht durch bittere Rache, sondern vorsichtig und listig betrügt er sie hinein in den Zustand der vergebenden und wieder aufrichtenden Liebe. Böses soll nicht mit Bösem vergolten werden, sondern Betrug mit Betrug.

Joseph überlistete König Herodes. Das war die Jahrhunderte alte Tradition in der Familie infolge dem Evangelisten Matthäus. Es gehört mit zu den Akteuren der heiligen Geschichte, den Haupt­schauspielern, daß sie auf eine Reise nach Ägypten mußten, ehe sie nach Hause kamen, um den Plan Gottes auszuführen. Joseph wurde von seinen Brüdern in den Brunnen geworfen und dann an ägyptische Sklavenhändler verkauft. Und in Ägypten wurde er Landwirtschaftsminister und rettete Ägypten und Israel vor einer Hungerkatastrophe. Moses wurde als ägyptischer Prinz erzogen, konnte aber seine neue Identität nicht ertragen und mußte sich in die Wüste zurückziehen, um später zurückzukehren und sein Volk u.a, durch Zauberkunst zu retten. Aber über Ägypten ging der Weg, wenn sie den Plan Gottes zum Ende führen wollten. Eine gute List ist notwendig, um die Welt vom Bösen zu befreien.

Und dann sind auch Träume notwendig. Ein Engel des Herrn erschien Joseph im Traum. Den Hang zum Träumen haben sie nun auch in der heiligen Geschichte gehabt. Vor allem wenn es schwierig wurde und man auf Widerstand stieß. Man denke an den alten Patriarchen, als er vor seinem Bruder Esau flüchtete und auf dem Wege zu seinem Onkel war und nicht viel wert war. Da legte Jakob sein Haupt auf einen Stein, und die Engel wanderten auf und nieder, und es waren nur gute und schöne Worte, die ihm ins Ohr geflüstert wurden von derartigen Wesen. Ja so gut und schön waren die Worte, daß er nie dem Kampf aufgab, ganz gleich auf wieviel Widerstand er stieß. Und die Nachkommen erbten diese Fähigkeit, große, gute Träume zu träumen. Und das war die Rettung für Joseph und seine Familie.

Shakespeare läßt den guten König Prospero von Mailand die berühmten Worte von der Wichtigkeit von Träumen sagen: "Wir sind vom selben Stoff, die Träume weben, und unser kurzes Leben ist vom Schlaf umfangen". Der Schlaf und die Träume sind in der Welt Shakespeares die äußersten Bilder für das innerste Wesen des Daseins. Da sind sowohl der drohende Schlaf und der Alptraum als auch der gute Schlaf und die schönen Träume. Die Träume, die am guten und wahren Leben festhalten. Der Traum von der Würde des Lebens. Das Leben in Liebe und Gnade.

Wie Grundtvig in seinem Weihnachtsgedicht schrieb:

Da schlafen sie süß und sehn im Traum, -
dem dunklen aber wahren, -
das Bethlehemkind im Krippenraum,
wie sie von euch erfahren;
da tanzen sie um den Weihnachtsbaum
mit Gottes Engelscharen.
(Aus: Velkommen igen, Guds engle små)

Wie in den Dramen Shakespeares geht es in der christlichen Geschichte darum, Traum und Ernst, Vision und Wirklichkeit zusammenzuhalten. Hält man sich nur an die Welt des Traums, wird man in Resignation und Ohnmacht verwandelt. Hält man sich umgekehrt nur an die Wirklichkeit, wird man in Rastlosigkeit und Geschäftigkeit verwandelt. In der Einheit zwischen Traum und Ernst, Vision und Tat, da ist man imstande, durch die Geschicke des Lebens verwandelt zu werden und sie zu verwandeln. Joseph hielt die Dinge beieinander. Er hatte den Traum von der Flucht, aber er hatte auch den Traum, wieder zurückzukehren.

Ich sagte, daß jede Geschichte einen Anfang, eine Mitte und einen Schluß hat. Löst man den Mittelteil aus der Weihnachtsgeschichte heraus, bekommt man nicht das Gefährliche und das Drama mit. Die Gefahr und das Drama, die verborgen sind in dem anfänglichen Wort: "Fürchtet euch nicht" und "Friede auf Erden". Diese Worte werden gefährlich, sobald sie in der Welt Fleisch und Blut erhalten, die betrogen ist von dem Willen, der nur sich selbst will, von der Macht, die zerstört. Das wird dann gefährlich, wenn man sich nicht auf Kompromisse einläßt mit der herodianischen Macht, wenn man nicht nur ausweicht und denkt, daß es schon gut gehen werde. Das wird dann gefährlich, wenn man die angewöhnte Friedfertigkeit aufgibt, die sich mit dem kleinsten gemeinsamen Nenner des Lebens zufrieden gibt. Das wird dann gefährlich, wenn man die bequeme Mittelmäßigkeit verläßt zugunsten eines wahren Friedens und wahrer Furchtlosigkeit.

Der korrumpierenden und zersetzenden Macht zu widerstehen, erfordert große List und Inszenierung, dazu gute Visionen und große Träume. Wir kennen wohl alle, wenn wir nachdenken, einen oder zwei Menschen, von denen es heißt, daß sie einen Marschallstab im Tornister tragen. Das ist der Mensch, der das Wort des Engels von Furchtlosigkeit und Frieden in sich aufnahm. Der den Traum hoch hielt, und der, wenn es darauf ankam und die harte Wirklich­keit sich aufdrängte und das Unwetter am größten war, sich nicht zurückzog und nicht müde wurde, den Feind zu überlisten.

Bei diesen Menschen können wir ruhig damit rechnen, daß es wahr ist: Ende gut, alles gut. Amen.

Pfarrer Jørgen Demant
Hjortekærsvej 74
DK-45 88 40 Lyngby
Tel.: ++ 45 - 45 88 40 75
email: j.demant@wanadoo.dk


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