Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach, Redaktion: R. Schmidt-Rost

3. Sonntag im Advent, 14. Dezember 2003
Predigt übe
r 1. Korinther 4, 1-5, verfaßt von Irene Mildenberger
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)


Dafür halte uns jedermann: für Diener Christi und Haushalter über Gottes Geheimnisse. Nun fordert man nicht mehr von den Haushaltern, als dass sie für treu befunden werden. Mir aber ist's ein Geringes, dass ich von euch gerichtet werde oder von einem menschlichen Gericht; auch richte ich mich selbst nicht. Ich bin mir zwar nichts bewusst, aber darin bin ich nicht gerechtfertigt; der Herr ist's aber, der mich richtet. Darum richtet nicht vor der Zeit, bis der Herr kommt, der auch ans Licht bringen wird, was im Finstern verborgen ist, und wird das Trachten der Herzen offenbar machen. Dann wird einem jeden von Gott sein Lob zuteil werden.

Liebe Gemeinde!

Gut hast du es gemacht! Das lassen wir uns gerne sagen. Das Lob, die Anerkennung der anderen, ihr positives Urteil über mich, das höre ich gerne. Das brauche ich oft richtiggehend. Vor allem dann, wenn ich mir selber unsicher bin. Nicht richtig einschätzen kann, was ich getan habe. War es wirklich in Ordnung so? Hätte ich nicht manches doch lieber noch anders machen sollen? Wäre das nicht besser gewesen? Gerade in meiner Unsicherheit sehne ich mich nach Anerkennung von außen. Will mir von anderen sagen lassen, was ich mir selber nicht glaube. Will von anderen ein Urteil, wo ich meinem eigenen nicht traue. Will hören: Gut hast du es gemacht.

Und hinter dieser Sehnsucht steckt ja noch viel mehr. Nicht nur die Bestätigung für meine Worte und Taten ersehne ich, sondern dadurch eine Bestätigung meiner Person: Du hast es nicht nur gut gemacht, du bist gut. Bist in Ordnung, bist liebenswert. Wir schätzen dich.

Ich vermute, dass es nicht nur mir so geht, dass manche unter Ihnen diese Sehnsucht auch kennen. – Ich weiß allerdings zugleich, dass diese Sehnsucht gefährlich sein kann, dass sie in die Irre führen kann. Wie leicht machen wir uns abhängig von solchem positiven Urteil der anderen. Richten unser Handeln danach aus. Fragen vor allem danach, wie es ankommt, wie wir ankommen. Das gilt ja nicht nur für Politiker, denen populistische Tendenzen nachgesagt werden, und die manchmal Meinungsumfragen zum wichtigsten Entscheidungskriterium machen.

Nicht nur sie, wir alle können abhängig werden von anderen und ihrem Urteil. Und verlieren dadurch unsere Freiheit.

Aber nicht allein das ist das Problem. Oft glaube, oft vertraue ich anderen genauso wenig wie mir selbst und meine Unsicherheit bleibt. Und ich warte weiter – auf das Lob, auf das Urteil, das zählt.

Paulus sagt, von wem dieses Urteil kommt. Das Urteil, das zählt und die Unsicherheit beendet. Der Herr ist's aber, der mich richtet. Darum richtet nicht vor der Zeit, bis der Herr kommt.

Der Apostel redet über dieses Urteil angesichts der Urteile, die in der Gemeinde in Korinth über ihn gesprochen werden. Was er dort zu hören bekommt, das fällt nicht gut aus. Er kommt schlecht an bei vielen dort. Jedenfalls gibt es andere, die offensichtlich besser ankommen. Aber das bekümmert ihn nicht: Mir aber ist's ein Geringes, dass ich von euch gerichtet werde oder von einem menschlichen Gericht.

Paulus weiß, dass hier nur vorläufig gerichtet wird. Und er nutzt die Gelegenheit, nicht nur dieses Urteil, sondern alle menschlichen Urteile in Frage zu stellen. Euer Urteil ist nicht von Bedeutung für mich, überhaupt kein menschliches Urteil, sei es gut oder schlecht.

Das gilt auch für ihn selbst: auch richte ich mich selbst nicht. Auch mein eigenes Urteil, so sagt Paulus, interessiert nicht. Ich weiß zu gut, dass ich mich irren könnte. Ich bin mir zwar nichts bewusst, aber darin bin ich nicht gerechtfertigt.

Auch das eigene Gewissen ist also keine letztgültige Instanz, nicht ihm gegenüber muss sich Paulus, nicht ihm gegenüber müssen wir uns verantworten. Nur einer spricht das entscheidende Gut so! Gut hast du es gemacht! Du zählst für mich, bist mir Das ist der kommende Richter.

Paulus wartet auf diesen Richter, und das macht ihn unabhängig. So kann er in Freiheit seiner Gemeinde in Korinth gegenüber treten und ihr sagen, was er meint, in Gottes, in Jesu Namen sagen zu müssen. Ohne Rücksicht darauf, dass er sich damit vielleicht noch unbeliebter machen wird. Darauf kommt es nicht an. Ich bin nicht dazu da, es den Menschen recht zu machen. Sondern Christus und Gott selbst: Dafür halte uns jedermann: für Diener Christi und Haushalter über Gottes Geheimnisse.

Diener Christi und Haushalter über Gottes Geheimnisse, das gilt natürlich in ganz besonderem Maße für den Apostel, dem das Amt der Verkündigung aufgetragen ist. Es gilt aber heute nicht nur den Pfarrern und Pfarrerinnen, den Predigern und Prädikantinnen. Diener und Dienerinnen Christi, das sind alle Getauften. Uns allen ist es aufgetragen, Haushalter zu sein über Gottes Geheimnisse. Gerade heute gilt das, wo die Kirche auch im früheren „christlichen Abendland“ zur Minderheit wird. – In der theologischen Fakultät hier in Leipzig haben wir vor zwei Wochen in einer Tagung darüber nachgedacht, über das Leben der Christen in der Diaspora, in der Zerstreuung. Und mich hat besonders angesprochen, als es da hieß, die Gemeindeglieder müssten darum als Erwachsene ihren Glauben leben und Verantwortung übernehmen, das Amt nicht den Hauptamtlichen überlassen. –

Haushalterinnen Gottes, und Diener Christi – das sind wir alle. Und dabei kommt es nicht darauf an, dass wir gut ankommen. Nur daran, dass die gute Botschaft ankommt, das diese gute Botschaft gut ankommt bei denen, die sie brauchen. Nun fordert man nicht mehr von den Haushaltern, als dass sie für treu befunden werden.

Und für treu befinden wird der Richter, der uns besser kennt, als wir uns selber kennen. Der, auf den wir ja warten im Advent. Dessen Kommen wir in unseren Liedern erbitten. Nur auf sein Urteil kommt es an. Und das ist noch nicht gesprochen. Der Herr ist's aber, der mich richtet. Darum richtet nicht vor der Zeit, bis der Herr kommt, der auch ans Licht bringen wird, was im Finstern verborgen ist, und wird das Trachten der Herzen offenbar machen. Dann wird einem jeden von Gott sein Lob zuteil werden.

So singen ja auch unsere Adventslieder von dem, der kommen wird, zu richten die Lebenden und die Toten. Mit ihnen erbitten wir sein Kommen: Ach lieber Herr, eil zum Gericht! Lass sehn dein herrlich Angesicht. Ganz ohne Angst singt Erasmus Alber hier von dem kommenden Richter. (EG 6,1). Bei Paul Gerhardt klingt es ein wenig bedrängender: Er kommt zum Weltgerichte: zum Fluch dem, der ihm flucht, mit Gnad und süßem Lichte dem, der ihn liebt und sucht. Aber auch hier überwiegt die Freude über den, der da kommen wird. Ach komm, ach komm, o Sonne, und hol uns allzumal zum ewgen Licht und Wonne in deinen Freudensaal. (EG 11,10)

Die vier Adventssonntage mit ihren Texten buchstabieren die Weise seines Kommens durch. Sagen uns, was wir von unserem Richter zu erwarten haben.

Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer. (Sacharja 9,9) So wird am Ersten Advent unser Herr beschrieben, der sanftmütig auf einem Esel in Jerusalem einreitet.

Seht auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht. (Lukas 21,28) So fasst der Wochenspruch des Zweiten Advent zusammen, was das Kommen unseres Herrn und Richters bringen wird: Die Erlösung.

Heute, am dritten Advent, wird die Vorbereitung auf sein Kommen in den Blick genommen: Bereitet dem HERRN den Weg; denn siehe, der HERR kommt gewaltig. (Jesaja 40,3.10)

Und ganz besonders freudig ist dann der Wochenspruch für den vierten Advent gestimmt: Freuet euch in dem Herrn allewege, und abermals sage ich: Freuet euch! Der Herr ist nahe! (Philipper 4,4.5b)

An all dem ist es abzulesen, wer er ist, unser kommender Herr. Und an dem, was dann folgt, nach Weihnachten folgt und nach dem Einzug in Jerusalem. Ein Richter ist er, der sein eigenes Leben hergibt, damit bei uns am Ende das Urteil dastehen kann: Gut so!

Ein Wort hat sich mir besonders eingeprägt, das von diesem Herrn spricht – es soll vom jüngeren Blumhardt stammen – Er ist ein Richter, der uns Menschen nicht hinrichtet, sondern herrichtet. Der uns so herrichtet, dass wir liebens- und lobenswert werden, so dass es am Ende heißt: Dann wird einem jeden von Gott sein Lob zuteil werden.

Amen.

Irene Mildenberger, Leipzig
liturgie@uni-leipzig.de

 


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