Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach, Redaktion: R. Schmidt-Rost

3. Sonntag im Advent, 14. Dezember 2003
Predigt übe
r 1. Korinther 4, 1-5, verfaßt von Christian Tegtmeier
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)


Wir leben, liebe Gemeinde, heute in einer Gesellschaft, die ohne diese Berufsgruppe nicht mehr aus – und zurechtkommt: ich meine das Dienstleistungsgewerbe. Sein Prozentsatz an der Zahl der der Beschäftigten ist enorm, im produzierenden Gewerbe sind nur beinahe ebensoviel Menschen tätig. Und jeder von uns hat seine Erfahrungen mit den Frauen und Männern, die in unzähligen Büros oder Ämtern ihren Dienst in vielfältiger Weise tun. Die Bürokratie bestimmt dabei oftmals unser Leben, und wir erwarten von den Mitarbeitern, dass sie ihre Aufgaben und Pflichten gewissenhaft, kompetent, bürgernah verwalten, betreuen und ordnen. Sie sollen als Menschen in den Büros, als Sekretärinnen oder Amtsdiener ihren „Job machen“, und zwar so, dass es wenig Klagen darüber gibt. Denn sie sind Menschen, die Pflichten übernommen haben, die beobachten, kontrollieren, einrichten und ausrichten, letztlich mitbestimmen, ob dieses oder jenes möglich wird oder unterbleibt. Das verlangt von ihnen Kompetenz, Redlichkeit und Treue ihrem Dienstherrn gegenüber und vor allem Wahrhaftigkeit. Dazu sollte auch gehören, dass sie ihre Dienstleistung unvoreingenommen, ohne Ansehen der Person erbringen.

Das wären unsere Erwartungen an sie, die der Apostel Paulus in Korinth antraf, und die er etwas hausbacken Haushalter, Sachverwalter für bestimmte Aufgaben nannte. Er hatte nicht die Mitarbeiter der Stadt- und Hafenverwaltung im Blick, als er den Korinthern über die Haushalter schrieb, sondern meinte in erster Linie die „Diener Christi, die wie Haushalter der Geheimnisse Gottes“ wirken. Offenbar gab es zwischen ihnen und einer Schar von Kirchgängern Probleme, solche Probleme, die den Apostel zu grundsätzlichen Überlegungen veranlassten. Nun wäre es für uns zu fragen, worin denn die Aufgabe der „Haushalter der Geheimnisse Gottes“ lägen, was sie zu tun und was sie unter allen Umständen zu lassen haben. Wir erfahren in Paulus' Brief unter anderem, dass sie Taufe und Abendmahl als Gaben Gotte „recte et rite“ – würdig und recht – zu verwalten haben, dass sie in Seesorge und Beichte tüchtig und verschwiegen , ihre Wortverkündigung wie ihr Gebet lauter und dem Evangelium Jesu Christi gemäß sein sollen. Dass sie darum wissen – und darin wird sich das Geheimnis Gottes am ehesten benennen lassen – „ dass das Wort vom Kreuz denen eine Torheit ist, die verloren werden, uns aber, die wir selig werden, ist es eine Gotteskraft!“ – Gemeint ist damit jene schwer verständliche gute Nachricht, dass Gott am Kreuz im Tode seines Sohnes Jesus Christus unserer Sünde und Schuld sühnt und sodann in der Auferstehung von den Toten das Kreuz ins Leben wendet. Wahrlich eine umfassende, geheimnisvolle, für unseren Glauben ungemein wichtige Botschaft.

Die „Haushalter der Geheimnisse Gottes“ sollen die genannten Aufgaben, die Gaben Gottes an die, die glauben, treu und redlich weitergeben, predigen, spenden, mit ihrem eigenen Leben und Glaubenseinsatz bezeugen. Denn „die Geheimnisse Gottes müssten wir doch lieber anbeten als erforschen; Christus erkennen bedeutet doch: seine Heiltaten erkennen und sie bezeugen.“ (Melanchton).

Schön und gut, meint der Apostel, doch er muss ein andere Erfahrung mit der modernen Gemeinde in Korinth machen. Hier wissen es alle besser als er selbst, hier haben sie alles schon verstanden und beginnen, nach ihrem Wissen und mit ihren Einsichten zu urteilen und zu beurteilen, abzuwägen oder zu verwerfen, meinen, dem Wirken und der Lehre Jesu dieses oder jenes hinzusetzen zu wollen und jenes zu streichen, was zu sehr den eigenen Anschauungen widerspricht. Wie das geht kennen wir: für die Reformation zeigte sich der Richtgeist im Machtanspruch der katholischen Kirche und ihrer Repräsentanten; heute wollen Synoden bestimmen, was geglaubt werden soll und was dem christlichen Glaubensgut nicht mehr bekommt. In diese heillos zerstrittene, rechthaberische, von Eitelkeit und Dummheit erfüllte Welt so genannten christlichen Lebens spricht Paulus deutliche, harte, klare Worte. Worte, die die Hochstimmung und das Selbstgefühl der Korinther empfindlich treffen, ihnen ihre Kompetenz als „Haushalter der Geheimnisse Gottes“ absprechen und ihnen, in den folgenden Kapiteln seines Briefes, deutlich sagen, worin und weshalb sie eher Haushalter ihrer verquasten Ideen und Gefühle sind, als solide und rechtschaffene Diener Christi. Denn das, was sie sich anmaßen zu richten und zu urteilen, ist Aufgabe dessen, der jetzt kommt: in diese Welt, zu den Menschen, nach Korinth, auch nach ….. „daher sollt ihr nicht vor der Zeit urteilen, bis da der Herr kommt, der euch beurteilen wird, der beleuchten wird das Verborgene aus der Finsternis und die Herzenspläne offenbaren will.“ Aus dieser Erwartung heraus gilt es zu leben: dass der Herr als Richter jederzeit kommt, um zu klären, was hier im Unklaren ist, um zu ordnen, was wir verwirren und nicht mehr in den Griff bekommen, um jene Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, denen die Welt das Recht aberkennt. Diesen Herrn gilt es jetzt zu erwarten. Er kommt, er wird entscheiden, er läutert und urteilt, er ordnet, was zu ordnen sein wird.

Den Korinthern ist es ebenso schwer gefallen, dem Apostel in seinem Rat zu folgen und vom eigenen Richtgeist abzusehen, wie es unserer Welt schwer fällt, Gott mehr zu gehorchen als den törichten Einsichten der eigenen Zeit. Schaut man in die Welt unserer Tage – und man kann bereits bei der Kirche im eigenen Lande bleiben – dann erkennt man unschwer, wie mühsam und widerborstig sie sich dem Evangelium Jesu fügt und beugt, wie sie mit Winkelzügen und Ausreden und einer Nonchalance Grundzüge des Glaubens beiseite räumt, um sich selbst zu feiern und im Kontext der mondänen Welt ein Wörtchen mitreden zu können. Die Geschichte hingegen lehrt, dass kaum jemand zuhört, dass viele fragen:

Hört, traut ihr es dem Kind der Krippe nicht oder nicht mehr zu, dass es kommt, um zu scheiden, was sich im Dunkel der Welt sich aufgehäuft hat. Wurde nicht von ihm gesagt:

„Und es wird eine Rute aufgehen vom
Stamme Isai und ein Zweig aus
seiner Wurzel Frucht bringen, auf welchem wird ruhen
der Geist des Herrn…
und wird richten mit Gerechtigkeit die Armen
und rechtes Urteil sprechen
den Elenden im Lande
und wird mit dem Stabe seines Mundes die Erde schlagen…
Gerechtigkeit wird der Gurt seiner Lenden sein
und der Glaube der Gurt seiner Hüften.“

Habt ihr die Botschaft vernommen? Wo ist sie unter euch angekommen? Habt ihr das Kind der Krippe schon so manipuliert, dass es mit kitschigen Accessoires euch nicht mehr stört, bereits Götze eurer Selbstgefälligkeit geworden ist? Oder gehört ihr zu denen, die einst sagten: den Mann aus Nazareth können und wollen wir nicht mehr dulden. Der regt das Volk auf und verdirbt uns unsere Ruhe und Selbstsicherheit. Deshalb bringt ihn ans Kreuz, nagelt ihn fest, damit er möglichst nicht noch einmal zu uns kommt.

Fataler Weise hat sich solch ein Wunsch nicht erfüllt, denn Gott setzte am Ostermorgen einen neuen Anfang, der den Glaube der Christen elementar bis heute prägt und stärkt, aus dem sie Hoffnung fassen und sie bekennen:

„… und aufgefahren gen Himmel,
er sitzt zur Rechten Gottes,
des allmächtigen Vaters,
von dort wird er kommen,
zu richten die Lebenden und die Toten.“

Und er kommt, auch noch heute: mit dieser Zuversicht, ja mit dieser Gewissheit leben wir als Christen, und wir tun gut daran, uns von dieser Erwartung, dass Jesus Christus als Richter der Welt kommen wird, nicht zu trennen. Denn aus solcher Gewissheit heraus erwächst mir eine Freiheit im Glauben, dass ich getrost und unverzagt auch dann in einer Gemeinde oder Kirche leben und glauben kann, wenn sie in Teilen dieser Vorstellung weder entspricht noch zustimmt. Mag sie urteilen und entscheiden, mag sie bekennen oder nicht! Ihr Zeugnis und ihre Glaubwürdigkeit bemisst sich allein aus dem, dass sie IHN, Jesus Christus als den Kommenden bezeugt, als Richter wie als Heiland und es seiner Gerechtigkeit anheim stellt, zu urteilen, was gilt und was verworfen werden muss. Paulus macht uns dieses deutlich und klar, wenn er schreibt, das die Haushalter, die Sachverwalter der Geheimnisse Gottes allein darin würdig ihrer Aufgabe nachkommen, wo sie treu und uneingeschränkt bekennen:

„Jesus Christus, mein Herr und Heiland.“

Amen.

Christian Tegtmeier
Pfarrer in Kirchberg
Alte Dorfstr. 4
38723 Seesen
gabriele.tegtmeier@t-online.de



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