Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach, Redaktion: R. Schmidt-Rost

2. Sonntag im Advent, 7. Dezember 2003
Predigt übe
r Matthäus 25, 1-13, verfaßt von Eva Tøjner Götke (Dänemark)
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)


Es gibt nichts Schlimmeres als eine geschlossene Tür, dort, wo man gerne hinein möchte. Gar eine Kirchentür.

Die offene Tür ist das Bild für das Reich Gottes, dort, wo alle willkommen sind.

"Die Tür steht immer offen", so sagt man von einem Haus, wo man immer aufgenommen und herzlich empfangen wird, wann und wie auch immer man kommt: Ob man nun fröhlich ist, traurig oder ängstlich.

Unsere Vorstellung vom Reich Gottes ist die offene Tür. Das Reich Gottes ist wohl da, wo man nicht zu spät kommen kann, die immer offene Tür.

Und das Reich Gottes ist dort, wo man in dem Zustand ankommt, in dem man nun einmal ist.

Die stets offene Tür ist nämlich das Bild für die Gnade und Barmherzigkeit.

Einer aus meiner Gemeinde gab mir neulich ein Bild, das er auf einer Reise in Deutschland aufgenommen hatte. Er war auf ein Schild gestoßen am Eingang einer deutschen Kirche mit diesem Wortlaut: "Die Tür unserer Kirche steht für Sie offen. Sie lädt sie ein, die Schwelle zu überschreiten und einzutreten. Alles darf mit hinein: Ihre Fröhlichkeit und Ihre Traurigkeit, Ihre Hoffnungen und Ihre Ängste, Ihre Erinnerungen und Ihre Träume. Sie sind eingeladen, die Tür zu durchschreiten".

Ein schöner Text, der die Einladung zum Ausdruck bringt, die darin liegt, daß man in die Kirche und zum Gottesdienst kommt. Das ist wie der Eintritt in das Reich Gottes.

Um so schwerer fällt es deshalb, das Gleichnis von den zehn Brautjungfrauen, das für diesen zweiten Advent bestimmt ist, zu verstehen. Zehn Jungfrauen, fünf törichte und fünf kluge, gehen dem Bräutigam entgegen mit ihren Öllampen, so wie dies zur Zeit Jesu Sitte war. Der Bräutigam läßt auf sich warten. Die Mädchen schlafen ein. Als sie erwachen, ist kein Öl mehr in den Lampen.

Die klugen Jungfrauen haben extra Öl mit, aber sie wollen nicht mit den törichten teilen, die diese Situation nicht vorhergesehen haben. Die müssen nun zum Kaufmann gehen, um mehr Öl zu besorgen.

Als sie zurückkommen, ist der Bräutigam gekommen. Die Tür ist geschlossen. "Herr, tu uns auf!" bitten sie. Aber der antwortet: "Ich kenne euch nicht".

Der Gedanke des Gerichts ist wichtig in den Predigttexten der Adventszeit. Die große Frage aber ist, wie sich das Gericht zur Barmherzigkeit Gottes verhält. Wie sich die verschlossene Tür zur offenen verhält, das ist eine Frage nach dem Glauben an Christus.

In Bethlehem traf der Herr auf eine geschlossenen Tür, als sie in der Herberge anklopften, damit Maria in die warme Stube hineinkommen konnte, um ihr Kind zu gebären.

In Jerusalem ging der auferstandene Christus durch die verschlossene Tür, um zu seinen Jüngern zu kommen und ihnen den Segen Gottes zu spenden.

Ist der Ausgangspunkt eine geschlossene Tür, erzählt das Evangelium von Ihm, der durch diese verschlossene Tür hindurch­brechen kann. Das Evangelium erzählt von ihm, der verschlossenen Türen, widerwilliger Ablehnung und Unglauben und menschlicher Verschlossenheit trotzen kann.

Und das Evangelium erzählt, daß dies geschehen kann, immer wieder. Daß das Wort von ihm die Kraft hat, Türen und Herzen zu öffnen und in uns einzuziehen. Und daß dies geschieht, geschehen kann. Hier und jetzt beim Gottesdienst oder morgen. Niemand kennt den Tag oder die Stunde.

Mit dieser Hoffnung vor Augen sollen wir im Advent leben - so als wären wir Brautjungfrauen, die auf den Bräutigam warten. Ein Lehrstück, wie man in der Zeit mit der Ewigkeit vor Augen leben soll.

Advent heißt warten, oder eher erwarten . Wenn unser Warten auf das Reich Gottes, darauf daß sich die verschlossenen Türen für uns öffnen, nicht nur ein Warten ist, sondern eine Erwartung des Reiches Gottes mit all dem, was es an Freude und Fest mit sich bringt, dann muß man erwarten, daß wir uns auf das freuen und deshalb vorbereiten, was geschehen soll, uns bereit machen, damit wir da sind und bereit, wenn es geschieht, wenn sich die Tür öffnet.

Haben wir aber nicht die großen Erwartungen an das, was geschehen wird, dann sind wir wie die törichten Jungfrauen, die nicht vorgesorgt haben und unbedacht waren. Sie haben nicht eingesehen, welch eine einmalige Gelegenheit es für sie ist, mit zum Fest zukommen.

Vielleicht kommt wieder einmal eine Gelegenheit. Ich meine Hochzeiten gibt es ja genug, so viele, daß Brautleute heutzutage oft erleben, daß die Herberge voll ist von anderen Hochzeitsgä­sten an dem Tag, den sie sich nun gerade ausersehen hatten, um ihr Fest zu feiern.

Um wirklich das Einmalige an dem Fest zu betonen, zu dem das Reich Gottes einlädt, genügt es nicht, daß man sagt, es handele sich um ein Fest wie andere auch - und daß das Reich Gottes eine offene Tür ist, wie wir sie von den offenen Häusern kennen, die wir vielleicht das Glück hatten irgendwann in unserem Leben einmal erleben zu dürfen.

Das Reich Gottes ist nicht nur eine offene Tür.
Es ist eine Tür, die einem geöffnet wird .
Das ist einer, der sie öffnet - für dich .

So persönlich sollen wir es verstehen - sowohl was den Türöffner angeht als auch uns selbst. Das ist wichtig. Es handelt sich nicht nur um eine zufällig offene Tür, eine Möglichkeit unter anderen offenen Türen. Es handelt sich um eine Tür, die jemand für dich öffnet, zu deinem Besten, für dich. Weil der Wirt will, daß gerade du beim Fest dabeisein sollst.

Es kann jeden Augenblick passieren, daß sich die Tür öffnet, in welchem Zustand du auch bist. "Darum wachet! Denn ihr wisset weder Tag noch Stunde".

Das ist der Gedanke des Gerichts hier in der Adventszeit. Du kannst zu spät kommen. Du kannst die Stunde verschlafen. Du kannst so töricht sein, daß du es dir selbst später nie vergeben können wirst.

Du kannst dich selbst ausschließen.

Du hast eine Verantwortung, die niemand für dich tragen kann, die du nicht mit anderen teilen kannst.

Es gibt Entschlüsse im Leben, die dir niemand abnehmen kann.

Worauf wartest du?

Wache und bete. Steh auf von den Toten - du bekommst Ohren zum Hören und Augen zum Sehen.

Freue dich darüber, während du auf dem Wege bist, daß dir jemand entgegenkommt.

Freue dich darüber, daß es einen Menschen gibt, der sein Leben mit uns anderen teilen konnte - im Unterschied zu den sogenannten klugen Jungfrauen.

Er öffnete die Tür zum Leben, indem er die Tür für den Tod zuschlug - dem gehen wir deshalb nicht entgegen, wenn wir uns in der Nacht bewegen und die winterliche Finsternis um uns immer dichter wird.

Er kommt uns entgegen als das Licht, das wir selbst nicht am Leuchten halten können, als das Licht, das für uns leuchtet, wenn unser eigenes ausbrennt.

Mit der Hoffnung sollen wir leben - mit dem Gericht und der Unwiderruflichkeit aller Dinge. Wir können uns selbst in unserer Torheit und unserem Mangel an Glauben ausschließen. Wir können das Licht in anderen auslöschen.

Wir können zu spät kommen. Und wenn wir dastehen und anklopfen, so erzählt das Gleichnis, dann sagt er: Ich kenne euch nicht.

Möge der Auferstandene sich selbst in uns erkennen - hier in der Furcht vor dem Gericht - und den verschlossenen Türen trotzen, zu uns hineingehen und seinen Frieden bringen, damit wir ein Licht in uns anzünden können, das wir aus der Kirchentür mit uns hinaustragen können, damit es für uns leuchtet in all der Zeit, in der wir auf das Kommen des Bräutigams warten - auch wenn das eine Ewigkeit dauert. Amen.

Pastorin Eva Tøjner Götke
Platanvej 10
DK-5230 Odense M
Tel.: ++ 45 - 66 12 56 78
email: etg@km.dk



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