Gott, der Schöpfer und Erhalter
Martin Luther, WA 30 I, 10,23-26: "Non ideo creavit caelum et terram, ut ipse haberet, sed mihi et tibi annunciatur, quod crearit omnia, ut cogites: Si deus meus tam potens est, quid faciet mihi Papa, diabolus cum omnibus suis angelis? Non perderent orbem terrarum, quia deus noster fortior est."

 

Gott als Schöpfer und Erhalter
Reflexion von Friedrich Mildenberger

Ich setze mit einigen Informationen und Überlegungen zur dogmatischen Tradition von Schöpfungs- und Vorsehungslehre ein, die auf die besondere Problematik eines Redens von diesen Inhalten des Glaubens in der gegenwärtigen Situation aufmerksam machen sollen. Eilige Leser mögen diese Passagen überschlagen. Doch dem Dogmatiker liegt daran, diese Sachverhalte zu benennen und so auf die oft gar nicht deutlich erfaßte Traditionsbestimmtheit unseres Redens hinzuweisen. Dann will ich einige Überlegungen zu sprachlichen Formen nennen, in denen wir von der Schöpfung und erst recht von der Erhaltung der Welt durch Gott reden können. Schließlich muß dann auf Lebenszusammenhänge gewiesen werden, in denen diese Glaubensinhalte vorwiegend begegnen und zur Sprache kommen.

Bei Schöpfung und Erhaltung - üblicherweise redete man in der dogmatischen Tradition von “Vorsehung”, providentia, die wieder in conservatio, concursus und gubernatio, also Erhaltung, Beistand und Lenkung unterschieden wurde - handelt es sich um Glaubensinhalte, die einmal zu den “articuli fidei mixti” gezählt wurden: Das sind Glaubensinhalte, die nicht nur aus der Schrift bekannt, sondern auch wenigstens ansatzweise “vernünftig” zugänglich sind. Darum werden sie nach ihren Quellen, der Vernunft und der Schrift, als “gemischt” bezeichnet. Sie können also jedem gutwilligen und einsichtigen Menschen wenigstens in ihren Grundzügen klargemacht werden, ohne dazu gleich auf die Autorität der Bibel oder der die göttliche Offenbarung vertretenden Instanzen der Kirchenlehre zurückgreifen zu müssen. So hat es jedenfalls die traditionelle dogmatische Lehre angenommen. Und diese Tradition hat bis in die Gegenwart hinein das Sprechen von diesen Glaubensinhalten und die Art und Weise, wie sie in Predigt oder Unterricht vermittelt werden sollten, bestimmt. Sie schienen auf jeden Fall unmittelbarer zugänglich zu sein als die Glaubenwahrheiten der Geschichte Jesu Christi und ihrer Zueignung durch die kirchliche Vermittlung.

Um sich einen Eindruck von solchem Reden zu verschaffen, brauchen wir uns nur an die von Paul Gerhardt und Anderen verfaßten Lieder unseres Gesangbuchs zu diesen Glaubensinhalten zu erinnern. Nur beispielsweise nenne ich einige Titel: “Ich singe Dir mit Herz und Mund” (EG 324). “Sollt ich meinem Gott nicht singen” (EG 325). “Alles ist an Gottes Segen” (EG 352). Natürlich dann vor allem das geläufigste dieser Lieder: “Befiehl du deine Wege” (EG 361). Hier wird immer in einer Verbindung von allgemeiner Schöpfung und Erhaltung und der persönlichen Führung durch Gott geredet, wobei dann diese persönliche Führung die Versöhnung und Erlösung des Glaubenden jeweils mit einschließt. Der Mensch nach Leib und Seele verdankt sich Gott, der ihn geschaffen hat und erhält und schließlich zum eschatologischen Ziel hinführt.

Man wird sich freilich auch dort, wo man dieser Tradition des Redens von Schöpfung und Erhaltung auch gegenwärtig folgen will, über die Probleme klar sein müssen, die sich hier durch die Aufklärung und ihre Folgen für “Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit” (Berger-Luckmann) ergeben haben. “Vernünftigkeit” in dem Sinne einer allgemeinen Zumutbarkeit werden wir für diese Glaubensinhalte nicht mehr in Anspruch nehmen können. Zugleich ist damit auch ihre Verbindung mit den anderen Glaubensinhalten problematisch geworden. Das Handeln des einen und selben Gottes in Schöpfung, Versöhnung, Erlösung, wie es im Glaubensbekenntnis beschrieben wird, hat ja über den Anspruch der Vernünftigkeit des Gottesglaubens in Schöpfung und Vorsehung Welt und Heil sozusagen verklammert. Das war ein so gewichtiger Sprachgewinn, daß es schwer fällt, von ihm Abschied zu nehmen. Der heftige und nie entschiedene Streit um die “natürliche Theologie” im vergangenen Jahrhundert deutet das an. Er wird in der Frage nach dem Verständnis von Religion überhaupt und gerade auch in der Frage nach dem Verhältnis der Buchreligionen Judentum, Christentum und Islam weitergehen. Das berührt die Frage nach Schöpfung und Erhaltung unmittelbar: handelt es sich hier um gemeinsame Inhalte dieser Religionen, die sich dann eher in der Art, wie der Offenbarungsempfang verstanden wird , und dann natürlich in der Frage nach dem Heil und seiner Zueignung unterschieden? Oder ist das eine und ungeteilte Gottesverhältnis in seiner religiösen Konstitution auch Voraussetzung dafür, daß jeweils von Schöpfung und Erhaltung der Welt wie der Einzelnen durch Gott geredet werden kann und muß? Oder anders formuliert: Soll um der größeren Reichweite eines Redens von Schöpfung und Erhaltung willen die Begründung eines solchen Redens in der durch die jeweilige Glaubensgemeinschaft vermittelten individuellen Glaubensüberzeugung zurückgenommen werden?

Für Luther ist in seinen Katechismuspredigten wie im GrKat - ich verweise zusätzlich auf die von Luther im Anhang zu seiner großen Schrift “Vom Abendmahl Christi, Bekenntnis” (WA 26, 499-509; BoA 3, 507-515) gegebene Zusammenfassung seines Glaubens, die sich auch zeitlich nahe mit den Katechismen berührt - die unmittelbare Zusammengehörigkeit der Glaubensinhalte bestimmend. Nur weil uns Gott mit seinem durch Jesus Christus bestimmten Namen bekannt ist, können wir ihn als den Schöpfer und Erhalter, als den Geber aller guten Gaben, erfassen und glauben. Dazu führe ich ein Fazit Luthers aus seinem Bekenntnis an: “ Das sind die drei Personen und ein Gott, der sich uns allen selbst ganz und gar gegeben hat mit allem das er ist und hat. Der Vater gibt sich uns mit Himmel und Erde samt allen Kreaturen, daß sie dienen und nütze sein müssen. Aber solche Gabe ist durch Adams Fall verfinstert und unnütz geworden. Darum hat danach der Sohn sich selbst auch uns gegeben, alle seine Werke, Leiden, Weisheit und Gerechtigkeit geschenkt und uns dem Vater versöhnt, damit wir wieder lebendig und gerecht auch den Vater mit seinen Gaben erkennen und haben möchten. Weil aber solche Gnade niemand nütze wäre, wo sie so heimlich und verborgen bliebe und zu uns nicht kommen könnte, so kommt der Heilige Geist und gibt sich auch uns ganz und gar; der lehret uns, solche Wohltat Christi uns erzeigt, erkennen, hilft sie empfangen und behalten, nützlich brauchen und austeilen, mehren und fördern, und tut dasselbige beide, innerlich und äußerlich” (WA 26, 505f). Innerlich geschehe das durch den Glauben, äußerlich durch das Evangelium, Taufe und Abendmahl.

Haben wir hier eine Betonung der Einheit aller Glaubensartikel, in welcher der Schöpfer und Erhalter in seiner Liebe gerade vom Zuspruch der Versöhnung in Christus aus erfaßt werden soll, so kann Luther andererseits auch in der eher traditionellen Weise sprechen: Die Macht des Schöpfers, wie sie uns in Himmel und Erde mit allen Geschöpfen vor Augen steht, vergewissert uns der Erhaltung unserer Welt wie des Heiles, die nicht durch gottfeindliche Mächte, den Papst oder den Teufel mit seinen Helfern verderbt werden können. Doch ist auch dabei die Einheit von Schöpfung, Versöhnung und Erlösung unverzichtbar. Denn nur durch diese ist Gott in seiner liebenden Zuwendung kenntlich.

So macht das ja auch der Wortlaut des Glaubensbekenntnisses deutlich, auf den ich dazu ausdrücklich hinweise. Von der deutschen Fassung des Apostolikums her sind wir daran gewöhnt, hier vier Bestimmungen zu unterscheiden: Ich glaube an Gott, an den Vater, an den Allmächtigen, an den Schöpfer des Himmels und der Erde. Die zweite und dritte Bestimmung ist aber sowohl in der griechischen , dann im Nicaenum festgelegten Fassung des Bekenntnisses, wie in der lateinischen Fassung, die dann im Apostolikum ihren festen Wortlaut fand, zusammengenommen: Da ist vom Glauben an den “patär pantokrator” bzw. den ”pater omnipotens” die Rede. Der von der Erlösung her als Vater Jesu Christi und der Glaubenden bekannte Gott (Vaterunser) ist der Pantokrator, der Allherrscher oder der Allmächtige, der omnipotens. Gott den Vater - oder die Mutter - ohne diese mindestens implizite Bestimmung der Allmacht zu nennen verstieße also genauso gegen die im Bekenntnis festgelegte Glaubensregel wie eine Bestimmung Gottes als des Allmächtigen, die seine im Vaternamen ausgesagte Zuwendung unterschlägt.

Wir reden von Gottes Erhaltung zutreffend nur so, daß wir uns mit solchem Reden identifizieren. Dazu nenne ich die Redeformen der Erzählung, der Bitte bzw. des Dankes, der Klage und der Doxologie.

Die Doxologie ist der Form des Glaubensbekenntnisses unmittelbar benachbart. Sie ist der angemessene Ort, um die hier im Bereich des Schöpfungsglaubens unverzichtbaren Allaussagen zur Sprache zu bringen. Solche Formulierungen sollten aber nicht als ein Urteil verstanden oder mißverstanden werden können, wie in dem Sprüchlein, das ich als Kind gelernt habe: “Gott hat die Welt gemacht und alles, was darinnen ist” (nach Apg 17,24). In der Form des Urteils partizipiert dieser Spruch an der traditionell behaupteten “natürlichen” Gotteserkenntnis. Fragen wir aber nach: “Woher weißt du das?”, dann zeigt sich rasch die Schwierigkeit eines solchen Urteils. Ich könnte mich auf diese Frage hin doch ehrlicherweise mindestens zunächst nur auf meine Glaubenstradition berufen. Wie diese Glaubenstradition dann mit der geläufigen Anschauung der Weltentstehung (“Urknall” etc.) zusammenstimmt, wäre eine Frage, die sich kaum noch beantworten ließe. Und erst recht käme ich ins Stottern, wenn mir dann entgegengehalten würde: Wenn das stimmt, wieso ist diese Welt dann hier und hier und hier so elend eingerichtet? Wenn wir miteinander im Sanctus bekennen: “Heilig, heilig, heilig ist Gott, der Herr Zebaoth: voll sind Himmel und Erde seiner Herrlichkeit. Hosianna in der Höhe”, dann ist hier eine ganz andere Gestalt gemeinsamer Identifikation gegeben. Wie wir das dann explizieren, ob die Fülle des Geschaffenen als diese Herrlichkeit Gottes gedacht ist, oder ob diese Herrlichkeit zu dieser Fülle dazukommt als eine besondere Art der Gegenwart Gottes: das macht wenig Unterschied. Im Gegenüber der lobenden Gemeinde zu dem Gott, der da angerufen wird, ist in solchem Sprechen die Gewißheit seiner Gegenwart in der ausgesprochenen Wahrheit des Glaubens mit gesetzt.

Die Sprachform der gemeinsamen wie der individuellen Klage ist uns dagegen nicht so geläufig, obwohl sie in vielen Gestalten in den Psalmen vorliegt. Auch da wird Gott angerufen. Freilich nun nicht in der lobenden Gewißheit seiner Gegenwart, sondern im Zweifel angesichts einer Welt, in der diese Gegenwart unkenntlich geworden ist. Vielleicht kann da dann, wie das Klageformular das vorsieht, erinnert werden an Zeiten, in denen das anders gewesen ist. Und mit der Klage über die Abwesenheit Gottes, oder jedenfalls der Erfahrung seiner liebenden Zuwendung, kann die Erwartung verbunden werden, daß sich das ändern möge, daß sich Gott wieder so zeige, wie das die jetzt Klagenden hoffen und erwarten.

Sind gerade gemeinsames Lob und gemeinsame Klage durch Allaussagen charakterisiert, die Himmel und Erde, das Ganze unserer Wirklichkeit nennen, so haben Dank und Bitte ihren konkreten Gegenstand, das was gut gewesen ist oder das was gut werden soll. Hier ist in unserem religiösen Sprechen Gott als der, der uns miteinander und jede insbesondere erhält, begleitet und führt - vgl. die oben genannten Distinktionen zur Vorsehungslehre, conservatio, concursus und gubernatio - anzutreffen. Das gilt schon von geläufigen Redensarten, “Gott sei Dank”, “so Gott will”, “helf Dir Gott” , “da gnade uns Gott” etc. Aber es gilt erst recht von der Erinnerung dessen, was gewesen ist und von der Erwartung dessen, was kommen wird. Hier kann und muß Gott mit dem, was sich unter uns und mit uns zuträgt, zusammen gesprochen werden. Daß hier dann nicht nur das offenkundig Gute besprochen wird, sondern auch Erfahrungen, die Mühe gemacht haben, Aussichten, die fürchten lassen, Geschehen, das uns mindestens zunächst einmal sinnlos vorkommt, erwähne ich nur eben. Aber auch hier läßt sich dann im Blick auf Gott sprechen, etwa mit Jes 55,8. Solches Sprechen wird dann leicht in die Klage übergehen können. Gerade darum ist allerdings ein Optimismus des Vorsehungsglaubens, der unser allgemein-menschliches, etwa in unserer philosophischen Tradition ausgearbeitetes Postulat eines Sinnverstehens dessen, was ist und Gottes Vorsehung ununterscheidbar zusammenrückt, genauso unangebracht, wie ein frommes Gerede, das meint, Gottes Liebe über alles, was sich zuträgt, ausbreiten zu müssen.

Ich mache gerade in diesem Zusammenhang darauf aufmerksam, wie uns hier das traditionelle Sprechen von Gottes Vorsehung in unlösbare Probleme verwickeln kann. “Wenn guten Menschen Böses widerfährt” (H.Kushner), wenn gar “Der Gottesbegriff nach Auschwitz” (H.Jonas) durchdacht werden soll, dann zeigt sich rasch auch die Ohnmacht eines traditionellen Sprechens von Gottes Vorsehung. Nur in strenger Disziplin, die weiß, wo sie schweigen muß, wie Hiobs Freunde das wenigstens zunächst taten, wie dann in konkreter Rückbindung an biblisches Sprechen kann hier die Sprachtradition der Vorsehungslehre weitergeführt werden. Der Vorzug dieser Tradition, die auf unmittelbar Erfahrenes als auf einen Erweis der Nähe Gottes hinweisen konnte, läßt sich nicht so auf Dauer stellen, daß wir darüber bei Bedarf verfügten.

Deshalb nenne ich als eine weitere identifizierende Sprachform, in der von Gottes Vorsehung geredet werden kann, die Erzählung. Dazu brauche ich nun nicht Einzelheiten anzuführen. So unterschiedlich Gelegenheiten und Herausforderungen sind, Gottes Dabeisein bei dem, was sich zuträgt, zu besprechen, so unterschiedlich werden die Geschichten sein, durch die das geschieht und die Zeiten, die da dann in der erzählenden Erinnerung versammelt werden. Jedenfalls ist hier klar, wie von Gottes Vorsehung dann in ihrer ganz eigenen Besonderheit geredet werden kann und muß, die weit von dem abliegt, was als eine Allaussage für alles, was geschieht, gelten soll und so oft gerade nicht weiter trägt.

Die hier genannten Redeformen haben ihre eigentümlichen Orte, an die sie gehören. Natürlich kann ich die jetzt nicht in allen Einzelheiten durchgehen. Aber ich erinnere doch an Einiges, das hier mit im Blick sein sollte. Das Lob des Gottes, der seine Schöpfung und uns in dieser Schöpfung erhält, hat in unserem Kirchenjahr ja mindestens zwei ausdrückliche Orte: das Erntedankfest und den Jahreswechsel. Ist es am Erntedankfest eher das natürliche Leben, dessen Erhaltung in Gottes Zuwendung gepriesen wird, so wird am Jahreswechsel das individuelle Leben gerade in seiner Einbettung in die gesellschaftlichen Zusammenhänge und Begebenheiten zu nennen sein. Wir tun hier freilich gut daran, bei diesen Gelegenheiten nicht zu rasch in den ethischen Appell überzugehen. Sicher hat ein Reden von der uns aufgetragenen “Bewahrung der Schöpfung” seinen biblischen Anhalt in 1.Mose 2,15; aber davon müßte dann auf jeden Fall in der Gebrochenheit dieses Schöpfungsauftrags durch die Sünde gesprochen werden. Daß Gott selbst Subjekt der Erhaltung ist, und allein in dieser Erhaltung durch Gott unsere Welt Bestand hat, das muß auf jeden Fall deutlich bleiben.

Natürlich sind es nicht nur diese Feste im Kirchenjahr, an denen die Doxologie Gottes, der Himmel und Erde geschaffen hat und erhält, in unseren Gottesdiensten ihren Ort hat. Gerade um der Zusammengehörigkeit von Schöpfung und Erlösung willen ist solches Reden unverzichtbar. Ich habe darum ja schon auf das Sanctus verwiesen, in dem Schöpfung und Erlösung zusammengebunden sind.

Die Frage nach einem besonderen Ort für die gemeinsame Klage lasse ich jetzt anstehen. Unser Unvermögen, bei allem guten Willen den drohenden Krieg im Irak aufzuhalten, läßt uns dem Gott klagen, der die Macht hat, auch das zu tun. Warum hält er sich zurück und läßt uns so unsere Ohnmacht erfahren? In persönlichen Lebenszusammenhängen solche Orte für die Klage aufzusuchen, ist hier nicht nötig. Der “tragische Unglücksfall”, dem Menschen zum Opfer fallen, läßt das Nichtverstehen ohne Adresse. Wir werden diese Adresse beitragen können, auch im Pro-test. “Es hat Gott nicht gefallen” (K.Marti).

In Dank und Bitte die Gewißheit der Erhaltung durch Gott einzuüben, ist eine notwendige Sache. Tischgebet, Morgen- und Abendgebet sind dazu eine eingeführte Sitte, die wir nicht leichthin aufgeben sollten. Anlässe in der persönlichen Lebensgeschichte, regelmäßig wiederkehrend wie Geburtstage, aber auch solche von ganz besonderer lebensgeschichtlicher Relevanz, sei das die Begründung einer Partnerschaft und die Erinnerung ihrer Dauer, sei es eine Krankheit und Genesung, gehören hierher. Ich kann das jetzt nur beispielsweise nennen. Die Fülle des Lebens mit dem, was sich da zuträgt, wird hier in ihrer Bestimmtheit durch Gottes Dabeisein wahrgenommen.

Davon läßt sich auch erzählen. Große Führungsgeschichten der Bibel, Josef und seine Brüder, oder die Sendung des Petrus zum heidnischen Hauptmann Kornelius können beispielhaft genannt werden. Von sich selbst zu erzählen wird sich in manchen Situationen nicht vermeiden lassen. Aber gerade bei öffentlicher Rede wie auf der Kanzel erzählen wir doch im Normalfall das nach, was uns andere erzählt haben. Wie Gott in seinem Dabeisein mit menschlichen Wegen erfahren wurde, das ist ja Anschauung seiner Nähe als dessen, der erhält, was er geschaffen hat.

Wie weit wir bei all dem, was ich da andeutend erwähnt habe, noch von einem locus communis, einem rhetorischen Gemeinplatz reden können, an dem wir uns alle miteinander im Einverständnis treffen können, das habe ich als historisch-dogmatische Frage schon erörtert. Wie die Reichweite dieses “wir alle miteinander” anzusetzen ist, das läßt sich also nicht generell beantworten. Aber wir haben danach zu fragen, wenn wir über die Erhaltung der Schöpfung durch ihren Schöpfer zu reden haben.

Die Möglichkeiten solchen Redens, die ich wenigstens andeutend durchgegangen bin, können in einer Predigt selbstverständlich nicht alle aufgenommen werden. Doch es ist nicht unwichtig, sie wenigstens einmal durchzugehen. Was dann ausgeführt wird, müssen die bestimmen, die zu reden haben. Ob dabei ein Einverständnis möglich ist, ob das überhaupt Ziel einer solchen Predigt sein kann, das will ich offen lassen. Was das Richtige ist für die Leute, zu denen da gesprochen werden soll, ist ja wieder abhängig von Zeit und Gelegenheit solchen Redens. Denn “zum Laufen hilft nicht schnell sein, zum Kampf hilft nicht stark sein, zur Nahrung hilft nicht geschickt sein, zum Reichtum hilft nicht klug sein, daß einer angenehm sei, dazu hilft nicht, daß er etwas gut kann, sondern alles liegt an Zeit und Glück” (Pred 9,11). So verweist der Prediger auf Gelingen oder auch Mißlingen in unserem auf Gottes Vorsehung angewiesenen und durch sie bestimmten Leben.

Prof. Dr. Friedrich Mildenberger
Rehweiherstraße 7 91056 Erlangen
Tel. 09131/44244

E-Mail: Mildenberger-Kosbach@t-online.de


• Zurück zur Übersicht