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Gott, der Schöpfer und Erhalter
Martin Luther, WA 30 I, 10,23-26: "Non ideo creavit caelum et terram, ut
ipse haberet, sed mihi et tibi annunciatur, quod crearit omnia, ut cogites: Si
deus meus tam potens est, quid faciet mihi Papa, diabolus cum omnibus suis angelis?
Non perderent orbem terrarum, quia deus noster fortior est."
Gott als Schöpfer und Erhalter
Predigt von Friedrich Mildenberger
Predigt zum 1.Artikel des Glaubensbekenntnisses über den
noachitischen Bund
Text:
Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde.
Und Gott segnete Noah und seine Söhne und sprach: Seid fruchtbar
und mehret euch und füllet die Erde. Und ich richte meinen Bund
so mit euch auf, daß hinfort nicht mehr alles Fleisch verderbt
werden soll durch die Wasser der Sintflut und hinfort keine Sintflut
mehr kommen soll, die die Erde verderbe.
Und Gott sprach: Das ist das Zeichen des Bundes, den ich geschlossen
habe zwischen mir und euch und allem lebendigen Getier bei euch auf
ewig: Meinen Bogen habe ich in die Wolken gesetzt; der soll das Zeichen
sein des Bundes zwischen mir und der Erde. Und wenn es kommt, daß ich
Wetterwolken über die Erde führe, so soll man meinen Bogen
sehen in den Wolken. Alsdann will ich gedenken an meinen Bund zwischen
mir und euch und allem lebendigen Getier unter allem Fleisch, daß hinfort
keine Sintflut mehr komme, die alles Fleisch verderbe. Darum soll mein
Bogen in den Wolken sein, daß ich ihn ansehe und gedenke an den
ewigen Bund zwischen Gott und allem lebendigen Getier unter allem Fleisch,
das auf Erden ist. Und Gott sagte zu Noah: Das sei das Zeichen des
Bundes, den ich aufgerichtet habe zwischen mir und allem Fleisch auf
Erden.
1.Mose 1,1; 9,1.11-17
Liebe Gemeinde!
Als Erinnerungszeichen deutet der Schluß der Sintflutgeschichte
den Regenbogen: Gott selbst erinnert sich. Wenn da die Unwetter mit ihren
bedrohlichen schwarzen Wolken aufziehen, so sagt Gott selbst, “soll
man meinen Bogen sehen in den Wolken. Alsdann will ich gedenken an meinen
Bund zwischen mir und euch und allem lebendigen Getier unter allem Fleisch,
daß hinfort keine Sintflut mehr komme, die alles Fleisch verderbe.” Gott
selbst erinnert sich also daran, daß er seine Welt und alles Leben
auf dieser Erde erhalten will.
Im vergangenen Sommer haben wir wieder einmal erfahren, wie hilflos wir
Menschen sind trotz aller unserer Technik, mit der wir die Natur unterworfen
und unseren Zwecken dienstbar gemacht haben. Wie das ist, wenn es regnet
und regnet und nicht mehr aufhört zu regnen. Wenn das Wasser steigt
und steigt und ein Stück Land nach dem anderen, ein Haus nach
dem anderen angreift und sich holt. Da ist der Bogen Gottes in den
Wolken Erinnerungszeichen, Friedenszeichen, Hoffnungszeichen: Gott
will das Leben in seiner Welt erhalten. Es soll nicht untergehen in
einer gewaltigen Katastrophe. Es soll weitergehen mit diesem Leben,
mit uns Menschen, aber genauso mit dem Leben, das uns verwandt ist,
dem “lebendigen Getier”.
Der Regenbogen als dieses Erinnerungszeichen, dieses Friedenszeichen,
dieses Hoffnungszeichen gehört zur Sintflutgeschichte mit dazu
wie das andere uns vielleicht noch geläufigere Friedenszeichen,
die Taube mit dem Ölzweig im Schnabel, den sie zur Arche zurückbrachte:
Damit wurde dem Noah angezeigt, daß die Wasser der großen
Flut zurückgewichen waren, daß er nun die Arche verlassen
konnte mit allem, was bei ihm war, Mensch und Tier.
Als Kinder haben wir mit der Arche Noah gespielt. Darum gehört die
zu den bekanntesten Geschichten der Bibel. Aber deshalb ist die Sintflutgeschichte
noch lange kein Kinderspiel. Das gehört zu meinen bleibenden Erinnerungen:
Als vor vielen Jahren mein Sohn - er war damals wohl etwa fünf Jahre
alt - mit seine Holztierchen Arche Noah spielte, da stellte er eine menschliche
Figur oben auf die Kommode: “Das ist der Gott. Der paßt auf.”
Die Friedenstaube, der Regenbogen, sie erinnern uns daran: die Geschichte
von der Sintflut ist eine ernste, eine todernste Geschichte. Gott weist
den Menschen in die Schranken; den Menschen, den er inmitten allen
Lebens auf dieser Erde geschaffen hat; den Menschen, der sich als eine
Bedrohung dieser Erde erwiesen hat. Gottes Gericht über die Sünde
und den Sünder gehört zu seiner Erhaltung der Schöpfung
mit dazu. Aber dieses Gericht soll nicht zu dem totalen und endgültigen
Verderben der Erde führen. Daher der Regenbogen als Erinnerungszeichen,
als Friedenszeichen, als Hoffnungszeichen: Gott selbst erinnert sich
an seinen Bund, erinnert sich an das, wozu er sich verpflichtet hat
Noah und seinen Nachkommen gegenüber.
Gott selbst erinnert sich. Wir sehen, wie sich dunkle Wolken zusammenballen.
Krieg droht; die Lösung der Irakkrise mit kriegerischen Mitteln
rückt näher und näher. Niemand weiß, wie das weitergehen
wird. Seit Wochen starren wir auf diese Gefahr. Auf Zeit läßt
sie sich vergessen und verdrängen. Aber dann kommt wieder eine Nachricht,
die uns aufschreckt. Konnten wir, können wir mehr tun als für
eine friedliche Lösung zu demonstrieren?
Wo ist denn jetzt Dein Bogen, Gott, der uns hoffen ließe? Wo ist
die Taube mit dem Ölzweig im Schnabel, die uns den Frieden anzeigte,
nach dem wir uns alle sehnen? Die dunklen Wolken ballen sich immer mehr
zusammen. Aber Deinen Bogen sehe ich nicht, o Gott! Das Erinnerungszeichen,
das Friedenszeichen, das Hoffnungszeichen: laß es doch erscheinen
zwischen den dunklen Wolken. Spann ihn auf, Deinen Bogen, zwischen Bagdad
und Washington, zwischen Pyoengyang und New York. Erinnere Dich, Gott!
Erinnere uns, Gott! Es soll doch Frieden sein zwischen Dir und allem
Leben auf dieser Erde. Wie lange soll noch Resignation und Hoffnungslosigkeit
die Menschen bestimmen, die sich nach Frieden sehnen; erst recht die,
die nur noch mit geducktem Nacken darauf warten können, daß sich
diese dunklen Wolken entladen mit Blitz und Donner, mit Bomben und Feuer?
Du hast sie doch bisher erhalten, Deine Schöpfung, die Erde und
all das Leben auf ihr. Hast sie erhalten trotz allem, was Menschen da
angerichtet haben. Denk daran, erinnere Dich, Gott, paß auf! Du
hast es doch versprochen und als Zeichen dieses Versprechens Deinen Bogen
in die dunklen Wolken gesetzt!
Gott selbst erinnert sich. Sein Bund gilt allem Leben auf dieser Erde
und uns Menschen inmitten dieses Lebens. Er erhält dieses Leben.
Ihm verdanken wir jeden Atemzug. Seine Güte hat jede, hat jeden
unter uns bis heute bewahrt. Wenn wir über Gott als Schöpfer
und Erhalter nachdenken, dann gehört dazu sicher auch und vielleicht
zuerst das ganz persönliche Erleben. Wer alt geworden ist, weiß davon
zu reden.
Thomas Mann schildert uns in der Eingangsszene seines großen Familienromans “Buddenbrooks” den
alten Monsieur Johann Buddenbrook mit seiner achtjährigen Enkelin
Tony auf dem Knie. Sie betet ihm stolz Luthers Erklärung zum ersten
Glaubensartikel herunter, die sie gelernt hat: “Ich glaube, daß mich
Gott geschaffen hat samt allen Kreaturen, mir Leib und Seele, Augen,
Ohren und alle Glieder, Vernunft und alle Sinne gegeben hat und noch
erhält, dazu Kleider und Schuh, Essen und Trinken, Haus und Hof,
Weib und Kind, Äcker, Vieh und alle Güter beschert.” Als
das Kind so weit gekommen ist, kichert der alte Mann laut los, fragt
sie, wo sie denn ihre Äcker und ihr Vieh habe, schlägt ihr
einen Getreidehandel vor. Sie aber, einmal in der Bahn des Gelernten,
läßt sich nicht beirren und bringt ihren Text zu Ende: “mich
mit aller Notdurft und Nahrung dieses Leibes und Lebens reichlich und
täglich versorgt, wider alle Fährlichkeit beschirmt und vor
allem Übel behütet und bewahrt; und das alles aus lauter väterlicher,
göttlicher Güte und Barmherzigkeit, ohn all mein Verdienst
uns Würdigkeit; des alles ich ihm zu danken und zu loben und dafür
zu dienen und gehorsam zu sein schuldig bin. Das ist gewißlich
wahr.”
Warum sollen wir uns über die Konkretion der Lebensverhältnisse,
in die Luther hineinspricht, mokieren wie der alte Buddenbrook? Es ist
nicht schwer, sie in die eigene Geschichte zu übersetzen. Und manchmal
paßt ja auch genau, was Luther formuliert hat.
Beim Besuch zu einem runden Geburtstag erzählte mir der alte Mann: “Ganz
verzweifelt bin ich gewesen, Herr Pfarrer, wie mir meine Frau weggestorben
ist und ich steh allein da mit der Wirtschaft und den zwei kleinen Kindern.
Die ich gefragt hab, die Frauen, die haben mich bloß ausgelacht.
Aber meine Pauline, die hat so ein gutes Herz. Die hat mich nicht sitzen
lassen, sondern sie ist zu mir gekommen, und dann ist es wieder gegangen.
Jeden Tag könnt ich dem Herrgott danken, daß er mir die Frau
gegeben hat.” Und seine Pauline saß daneben und sagte nichts.
Sie lächelte bloß still vor sich hin.
Gott selbst erinnert sich. Er will das Leben auf dieser Erde, das er
geschaffen hat, auch erhalten. Das zeigt der Regenbogen an. Auch wir
erinnern uns. Sicher, viele nehmen es selbstverständlich, was Luther
in seiner Erklärung zum ersten Glaubensartikel aufzählt, und
mancher hält es wohl auch noch für sein gutes Recht, daß er
das auch bekommt, was er braucht und auch das, was er haben will; und
das ist ja oft viel mehr, als er braucht. Ich bin froh, daß ich
es gelernt habe, das Gott auch ausdrücklich zu verdanken, was er
mir Tag um Tag zukommen läßt, morgens oder abends, vor dem
Essen, nach dem Essen. Aber vielleicht ist noch nicht einmal so ein ausdrückliches
Verdanken nötig. Es genügt, wahrzunehmen, daß es nicht
selbstverständlich ist, wie die Güte der Welt unserem bedürftigen
Leben entgegenkommt; ihm so entgegenkommt, daß es gut ist.
Es ist gut, das eigene Leben wahrzunehmen, wenn die Krankheit überwunden
ist und es wieder aufwärts geht, Tag um Tag; wenn das Essen und
Trinken schmeckt, und ich die Luft tief einatmen kann. Es ist gut, daß das
Leben weitergeht: wenn da ein Kindlein geboren ist und ich darf es in
meinen Händen halten. Es ist gut, wenn jetzt im Garten die ersten
Blüten kommen, Kornelkirschen, Schneeglöckchen, Krokus und
Leberblümchen. Es ist gut, wenn in der ersten Morgenfrühe die
Amsel wieder ihr Lied singt.
Dank Dir, mein Gott, für dieses gute Leben. Dank Dir, daß ich
es erleben kann bis in meine alten Tage hinein. Laß es weitergehen,
bitte. Laß es weitergehen, dieses Leben in seiner Fülle und
Schönheit. Wir selbst, wir Menschen allein können sie ja nicht
bewahren, Deine Schöpfung, auch bei allem guten Willen nicht. Wir
sehen allenfalls hier und dort eine Bedrohung und protestieren, und haben
vielleicht sogar einmal einen kleinen Erfolg. Aber Du allein hast die
Macht, das Unheil abzuwehren, Leben zu erretten und zu erhalten.
Gott selbst erinnert sich. Das zeigt sein Bogen in den dunklen Wolken,
Erinnerungszeichen, Friedenszeichen, Hoffnungszeichen. Gott selbst erinnert
sich Tag und Nacht, erinnert sich jeden Augenblick daran, daß er
bei seiner Schöpfung bleiben will in seiner Güte, um alles
Lebendige zu bewahren, zu erhalten, zu begleiten und zu leiten. So ist
das sein Bund mit allem Lebendigen, wie ihn der Schluß der Sintflutgeschichte
erzählt. Nicht menschliches Unvermögen, nicht Dummheit und
Bosheit sollen diese Erde verderben. Er, Gott selbst, erhält sie
in seiner väterlichen, göttlichen Güte und Barmherzigkeit.
Soll ich jetzt womöglich Beispiele sammeln, die gegen solche Güte
und Barmherzigkeit sprechen, wie Ivan Karamazov in Dostojewskis Roman?
Sicher wäre das möglich, und oft genug geschieht das auch unter
uns, heimlich oder auch mit missionarischem Eifer. Gott selbst, seine
Güte und Barmherzigkeit, in der er diese Welt und das Leben in dieser
Welt erhält, sie liegt gewiß nicht einfach auf der Hand. Aber
was wäre das für eine Welt, was wäre das für ein
Leben, ohne die Gewißheit dieser Güte und Barmherzigkeit?
Ich wollte es mir nicht eintauschen gegen die Gewißheit, die Gott
selbst eröffnet hat. Diese Gewißheit seiner väterlichen
Güte und Barmherzigkeit eröffnet er uns in der großen
Geschichte, in die wir hineingezogen sind durch ihn selbst: In der Geschichte,
in der er nicht nur als Schöpfer und Erhalter diese Welt begleitet.
In der Geschichte vielmehr, in der er sich ganz und gar mit uns Menschen
und so mit allem Lebendigen in dieser Welt verbunden hat, indem er in
Jesus Christus Mensch geworden ist.
Wenn wir miteinander Gottesdienst feiern, wenn wir uns zum Sakrament
versammeln, in dem er sich uns zueignet und in dem wir in diese Geschichte
hineingezogen werden, dann preisen wir ihn. Wir preisen ihn, indem
wir die Worte der Serafim aufnehmen, die der Prophet Jesaja in seiner
großen Vision hörte. Von Gottes Ehre singen sie, von seiner
Herrlichkeit, die alle Lande erfüllt. Da ist er bei allem, was
er geschaffen hat. Da ist er bei allem Lebendigen, das diese Erde füllt.
Das ist seine Ehre, seine Herrlichkeit. Und wir preisen ihn, indem
wir die Worte aufnehmen, die das Volk Jesus entgegenrief, als er in
Jerusalem einzog.
“
Heilig, heilig, heilig ist Gott, der Herre Zebaoth: voll sind Himmel
und Erde seiner Herrlichkeit. Hosianna in der Höhe. Gelobet sei
der da kommt im Namen des Herren. Hosianna in der Höhe.” Hosianna
in der Höhe! Hilf uns doch, Du da oben, Gott, der diese Welt geschaffen
hat und erhält. Hilf uns doch , Du da oben, der zu uns gekommen
ist, um uns der väterlichen Güte und Barmherzigkeit Gottes
zu vergewissern, damit wir zuversichtlich und getröstet leben können
in dieser Welt Gottes; und wenn unsere Zeit zu Ende ist, unser Leben
seinem Schöpfer und Erhalter zurückgeben können, wie Du
das getan hast, als Du am Kreuz gesprochen hast: “Vater, ich befehle
meinen Geist in Deine Hände.”
Gott selbst erinnert sich. Diese Erde und das Leben auf ihr soll nicht
zugrunde gehen um der menschlichen Torheit und Bosheit und um unseres
Unvermögens willen. Er hat sich allem Lebendigen verbunden als sein
Schöpfer und Erhalter. Gott selbst erinnert sich, und wir erinnern
uns: dafür steht der Regenbogen am Ende der Sintflutgeschichte,
als Erinnerungszeichen, als Friedenszeichen, als Hoffnungszeichen. In
dieser Gewißheit können wir leben, gehalten von der väterlichen,
göttlichen Güte und Barmherzigkeit.
Amen.
Eine Nachbemerkung zu dieser Predigt: Sie ist bewußt überladen.
In dieser Gestalt könnte ich selbst sie kaum einer Gemeinde zumuten. Aber
ich hoffe, damit ihrer Verwendbarkeit gedient zu haben. Ich kann und will der
Predigerin, dem Prediger, der sich dieser Predigt bedient, nicht die Auswahl
unter den angebotenen Möglichkeiten von Klage, Erzählung, Bitte und
Dank, Doxologie abnehmen, die dann jeweils auszuführen wären, wie
das die Situation der hörenden Gemeinde erfordert.
Prof. Dr. Friedrich Mildenberger
Rehweiherstraße 7 91056 Erlangen
Tel. 09131/44244
E-Mail: Mildenberger-Kosbach@t-online.de
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