Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach, Redaktion: R. Schmidt-Rost

Predigt zur Konfirmation, Mai 2003
über Johannes 10, 9-10, verfaßt von Karin Klement
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)

Konfirrmations-Predigt in Herberhausen, Mai 2003

Liebe Fest-Gemeinde! Liebe Eltern, Großeltern und Paten!
Und ganz besonders: Ihr, liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden!

Heute morgen seid Ihr, lieben jungen Mitchristen, wie alle Anwesenden durch unser Kirchenportal gegangen, das für euch weit offen stand. Die wärmenden Sonnenstrahlen prickelten auf Eurer Haut; die ungewohnte festliche Kleidung ließ euch etwas aufrechter und wohl auch ein bisschen „angestrengter“ gehen. Auf dem Hinweg zu dieser Kirchentür habt Ihr ein wenig herumgeflakst; eure verständliche Aufregung suchte sich abzureagieren. Doch kaum hattet ihr den Eingang hier zu unserer Kirche erreicht, wurde Eure Stimmung mit einem Mal sehr still und feierlich. Ihr habt eine Schwelle überschritten und das in einem weit tieferen Sinn, als nur mit einem förmlichen Übergang von draußen nach drinnen. Ihr macht nun einen Schritt hinein in einen neuen Lebensabschnitt. Euer Konfirmations-Versprechen und das nachgeholte Tauf-Bekenntnis, das Ihr hier ablegt, wird Euch als eigenständige, mündige Christen und Christinnen zeigen. Als Menschen also, die sich nicht nur mit den ganz alltäglichen Schwierigkeiten des Lebens auseinandersetzen können, sondern denen auch Glaubensfragen nicht fremd sind, die damit ihre eigenen Erfahrungen gemacht haben.

Wenn Menschen an einer Schwelle stehen, z.B. an dem wichtigen Übergang von der Kindheit zum Erwachsenwerden, kann plötzlich auch Unsicherheit und Angst sie überfallen. Ist der Weg richtig, den ich eingeschlagen habe? Habe ich die richtige Tür gewählt unter der Vielzahl von Zugängen zum Leben oder verbirgt sich dahinter evtl. eine unangenehme Überraschung? Solange wir immer nur vor einer Tür stehen, können wir ja nicht wissen, was sich dahinter verbirgt.

Beim Überschreiten von Schwellen ist es gut, sich auf dem Weg nicht allein zu wissen. Eure Eltern, Paten und Großeltern und viele andere haben Euch schon ein ganzes Stück Eures Lebens begleitet. Sie haben Euch umsorgt und behütet, Eure Entwicklung gefördert und herausgefordert – wie ich hoffe – auch im Blick auf das, woran es sich zu glauben lohnt!
Sie haben Euch verschiedene Türen geöffnet und neue Wege gezeigt. Heute jedoch, als Ihr Konfirmanden und Konfirmandinnen in die Kirche eingezogen seid, konnten sie Euch nur aus der Distanz begleiten. Und vielleicht ist dem einen oder anderen Elternteil dabei plötzlich bewusst geworden, dass ihr Kind nun tatsächlich mehr und mehr eigene Wege gehen wird.

Dies zu erkennen und dabei zusehen zu können im Vertrauen darauf, dass die Wege Ihrer Kinder „zum Segen“ sind, ist eine Aufgabe, die Ihnen, liebe Eltern und Großeltern, nun aufgegeben ist. Und ich kann mir gut vorstellen, dass Sie als Erziehende ganz ähnliche zwiespältige Gefühle empfinden wie Ihr Konfirmanden und Konfirmandinnen angesichts der Schwellen, die Ihre Kinder überschreiten: Einerseits Stolz und Freude über die gewonnene Selbständigkeit, andererseits Unsicherheit und Sorge über eine ungewisse Zukunft. Wie gut, dass wir mit all diesen widersprüchlichen Erfahrungen nicht allein gelassen sind. Hier im Hause Gottes können wir uns geborgen wissen. Hier finden wir im gemeinsamen Abendmahl eine Stärkung für unsere weiteren Lebensschritte. Hier finden wir für unseren Glauben den richtigen Zugang, eine Tür ins Leben.

JESUS erzählte einmal ein Gleichnis von einem Guten Hirten, dem die Schäfchen folgen, weil sie ihm vertrauen. Als seine Zuhörer nicht verstanden, worauf er anspielte, drückte er es mit einem weiteren, neuen Bild aus. Im Joh.Ev. (10, 9-10) in der Übersetzung der Guten Nachricht steht geschrieben:
Christus spricht: „Ich bin die Tür. Wer durch mich hineingeht, wird gerettet. Er wird ein- und ausgehen und (saftiges) Weideland finden. Der Dieb kommt nur zum Stehlen, Töten und Zerstören. Ich aber bin gekommen, damit meine Schafe das Leben haben, Leben in Überfluss und Fülle.“

Jesus spricht über sich selbst: Ich bin der Zugang zu Gott, zum echten, wirklichen Leben. Der Gottessohn ist die einzig richtige Tür, – so vertritt es dieser Text – die einzige Tür, die zum saftigen Weideland führt, zu einem erfüllten, fruchtbaren Leben. Zwar gibt es ein vielfältiges Angebot von Lebenswegen, Türen, die uns Verborgenes auftun wollen, in verschiedenen Religionen, Sekten und Weltanschauungen. Doch für uns Christen und Christinnen ist allein JESUS die Tür ins Leben.

Warum? Welche Sicherheit ist uns gegeben, dass wir so felsenfest behaupten können, hier in diesem JESUS – und nur in ihm –, finden wir den Zugang zu jenem fernen, unergründlichen Gott und zu dem, wonach wir uns tief in der Seele sehnen? Da geht es uns, wie mit vielen anderen Tür-Erfahrungen: Wir sind angewiesen auf das Zeugnis jener, die bereits die betreffende Tür aufgemacht und hineingeschaut, ja hindurch gegangen sind. Die Christen von damals haben uns ihre Erfahrungen weitergegeben.

In diesem dicken Buch, mit dem sich manche von euch sogar gern noch viel öfter beschäftigt hätten, als wir es im KU taten, also in der Bibel, erzählen Menschen von ihrem Glauben: Geschichten, wie JESUS z.B. Menschen neue Zugänge untereinander und zueinander eröffnet; Geschichten von seiner Tischgemeinschaft mit Sündern und Außenseitern, deren Ausgeschlossen-Sein von anderen er damit aufhob. Geschichten, die Mut machen, dem Leben und seinem Schöpfer, zu vertrauen. Bei ihm anzuklopfen mit allem, was uns als Mensch belastet, und was uns neugierig macht. Geschichten, die uns zum Schlüssel werden und uns ein besseres Verständnis des eigenen Lebens wie auch des Zusammenlebens mit anderen aufschließen.

Die Geschichten von, mit und über Jesus erzählen von Schlüssel-Erfahrungen, die uns zum Leben helfen wollen. Jeder Schlüssel hat eine typische FORM; wie z.B. dieser (Bastel-Schlüssel zeigen). Sein „Bart“ trägt ein KREUZ in sich und sagt damit: Christus hat mit seinem Kreuz die Himmelstür aufgeschlossen, uns den Zugang zu Gott geöffnet.

Meine Schlüssel- bzw. Türerfahrungen mit Euch Konfirmanden sind zuerst einmal die, dass Ihr eine Vorliebe für offene Türen habt. Speziell, wenn es darum geht, wer denn nun als letzter zur Tür hereingekommen ist und sie schließen sollte.
Wie viele Male habt Ihr die Türklinke am Pfarrwitwenhaus schon in der Hand gehabt? Habt Ihr es mal gezählt? Und mit welchen Empfindungen seid Ihr durch die äußere und schließlich innere Tür in den Gruppenraum gegangen? Sicherlich wohl oft auch mit dem Gedanken: „Puh, schon wieder Pfarre! Eigentlich habe ich überhaupt keine Lust dazu.“ Doch die Gemeinschaft war euch wichtig und ihr habt Euch immer darauf gefreut die anderen zu sehen. Denn wichtiges hattet Ihr ja wohl fast immer miteinander zu besprechen!

Andererseits würde es mich sehr freuen, wenn Ihr das eine oder andere Mal wieder zur Tür hinausgegangen seid mit dem Gedanken: „Heute war`s eigentlich doch ganz schön! Ich habe etwas Neues erfahren; Überraschendes erlebt.“ Vielleicht z.B. bei unserer Konfirmandenfreizeit vor 5 Wochen zusammen mit der Landolfshäuser Gruppe. Entgegen aller vorherigen Unkenrufe (was für merkwürdige Typen das wohl seien), stellte sich heraus, dass man mit ihnen wunderbare Wasserschlachten zwischen Imshäusener Herrenhaus und Scheune praktizieren kann. Auch die nächtlichen oder frühmorgendlichen gegenseitigen Besuche zwischen Jungen- und Mädchenflur trafen höchst selten auf verschlossene Türen. (Es sei denn, wir Betreuer hörten das leise, vorsichtige Türenknarren.)

Erfahrungen mit unterschiedlichen TÜREN und TOREN haben wir gemeinsam schon sehr viele gemacht. Durch die 1. Tür wurden wir getragen, in der Klinik oder im Elternhaus. Später schob man uns im Kinderwagen durch Gartenpforten und Wohnzimmertüren. Als Kleinkind machten uns Türen vielleicht Angst, weil die uns vertrauten Menschen dahinter verschwinden konnten, und wir allein zurückblieben. Konnten wir endlich selbst an die Klinke reichen, spürten wir Stolz und Selbstbewusstsein, endlich aus eigener Kraft Türen öffnen zu können. Ein Stück Selbständigkeit war erobert.

Eine Menge Türen haben wir in unserem Leben bereits durchschritten: im Kindergarten, in der Schule, Türen, hinter denen sich Unangenehmes verbergen konnte, wie z.B. im Wartezimmer eines Zahnarztes. Oder wundervoll geschmückte Türen – wie heute anlässlich Eurer Konfirmation! Vielleicht Ihr ja beim Hineinkommen mal einen Blick auf die besonders schöne Girlande geworfen. In mehrstündiger Handarbeit haben Eure Mütter sie selbst angefertigt. Man sieht es ihr förmlich an, wie viel Liebe, Freude und glückliche Wünsche für Euch Konfirmandinnen dort mit hineingewickelt und -gebunden sind!
Türen, die auf diese Weise einen feierlichen Übergang in einen neuen Lebensabschnitt versinnbildlichen.

Türen können aber auch verschließen, sie grenzen ab oder aus. Sie verbergen etwas oder schützen uns vor unangenehmen Erfahrungen. Sie geben ungewohnte Blickwinkel preis und erschließen neue Möglichkeiten. So stehen wir manchmal vor verschlossenen Türen und brauchen Mut, um anzuklopfen, weil wir nicht wissen, ob wir willkommen sind, und was uns dahinter erwartet. Oder wir suchen in einer schwierigen, bedrängenden Lebenssituation nach einem verschwiegenen, aber offenen Hintertürchen. Es kann sein, dass man uns einmal unsanft den Stuhl vor die Tür stellt, was bedeuten soll: „Hier drinnen ist kein Platz für dich.“ Oder wir müssen warten eingekeilt zwischen Tür und Angel, das meint: wir befinden uns in einer Lebenslage, in der wir weder vor noch zurück bewegen können, in der wir kaum Spielraum besitzen für eigene Entscheidungen. Manchmal schlagen wir im Zorn selbst die Tür hinter uns zu: eine Freundschaft zerbricht, Streit verschließt uns den Zugang zueinander. Dann ist es nicht leicht, die Tür wieder zu öffnen.

Viele Lebensübergänge lassen sich mit Türen symbolisieren. Wo immer Türen sich öffnen oder schließen, geschieht Bewegung und Veränderung. Gefühle der Unsicherheit und Schwellenangst verbinden sich damit, aber auch Empfindungen wie Abschiednehmen und Neubeginn.
Wenn JESUS von sich sagt: „Ich bin die Tür“, dann will er damit sagen: „Ich bin wie eine offenstehende Tür zum Raum des HEILIGEN, kein verriegeltes oder verschlossenes Portal. Schaut her, kommt näher, Gott ist nicht mehr in unerreichbarer Ferne, hinter den Wolken, in seinem Himmelreich. Gott kommt selber zu euch wie ein Mensch. ER legt den Schlüssel zu IHM in eure eigenen Hände. Ihr habt es in der Hand, die Tür aufzuschließen. Und dann braucht ihr nur die Schwelle zu überschreiten und hineinzugehen – in das neue Land der Zukunft, in dem Gott zuhause ist.“

JESUS hat den Zugang zu Gott eröffnet. Der Weg, Gott nahe zu sein, liegt frei und offen vor uns. Es liegt nur an uns selber, ob wir die unnötige Schwellenangst überwinden.
Solange wir nicht von uns aus an dieses Tor des Lebens klopfen, werden wir immer unsicher sein, ob wir es denn gefunden haben, ob es sich wirklich öffnet, und wir eingelassen werden. JESUS aber weckt Mut. Wir werden es noch mit einem Bibelwort hören, das zwei von euch KonfirmandInnen sich ausgesucht haben: Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan.

Immer wieder anklopfen bei Gott, das Tor zum Leben suchen, auf dem Weg – und vor allem – neugierig!! bleiben. Hinter die Kulissen blicken und sich von verschlossenen Türen nicht erschrecken lassen. Zu all dem will Christus ermutigen. Er verspricht: Gottes Haus-Tür steht jederzeit für euch offen. Schaut doch einfach mal vorbei!

Ich würde mich sehr darüber freuen. Und vielleicht werdet ihr ein Schlüssel-Erlebnis haben, etwas Wundervolles erfahren: GOTTES SEGEN, der alle Türen öffnet! Das wünsche ich Euch und uns allen!
AMEN

Kirchengemeinden Roringen u. Herberhausen
Pastorin Karin Klement
Lange Straße 42
37077 Göttingen
Tel. 0551 – 2 15 66
Fax 0551 – 209 999 4
Email: Karin.Klement@evlka.de

 


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