Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach, Redaktion: R. Schmidt-Rost

Predigten über biblische Gestalten im Jahr der Bibel 2003
"Jona", verfaßt von Christian Berndt
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)

"Gott - gnädiger als gerecht"

Liebe Schwestern und Brüder,

fast am Ende des Alten Testaments befindet sich ein kleines Buch mit vier Kapiteln, das Buch Jona. Es erzählt, wie der Name schon sagt, von dem Propheten Jona. Wir kennen Jona vor allem als den Mann im Walfisch. Aber die Geschichte von Jona hat noch viel mehr zu bieten. So war zum Beispiel kein anderer Prophet so erfolgreich wie Jona. Weder Samuel, noch Elia, noch Jesaja. Jona war so erfolgreich, er brauchte nur 5 Worte, um eine gewaltige Stadt von ihrer Schuld zu überzeugen und zu Gott zu bringen. 5 Worte! Zugleich regte sich kein anderer Prophet so sehr über seinen Erfolg und über Gott auf wie Jona. Schließlich wollte Gott endlich einmal böse, ungerechte Menschen für ihre Schuld büßen lassen und sie richtig bestrafen, so wie sie es für ihre schlechten Taten verdient hätten. Aber dann ... Doch hört die Geschichte besser von Anfang an und macht euch selbst ein Bild von beiden, Jona und Gott.

Es ist die Zeit vor vielen hundert Jahren, als in Israel noch Könige herrschen und Propheten den Willen Gottes verkünden. Da gibt Gott einem seiner Propheten, Jona, genannt die Taube, einen Auftrag. "Mache dich auf, Jona!" so beginnt Gott - und Jona weiß sofort, dass ihm jetzt eine große Aufgabe zukommen wird. Das Wort Gottes verkünden. Nur er und seine Berufskollegen dürfen das. Mal ist es eine gute Nachricht für die Menschen einer Stadt, mal ist es aber auch eine Warnung Gottes, ja manchmal sogar die Ansage, dass ein ganzes Volk untergehen wird, weil es sich nicht an das hält, was Gott von ihm will.

"Wo wird Gott mich diesmal hinschicken?" fragt er sich - und hört mit Entsetzen die nächsten Worte von Gott: "Ja, mach dich auf ... in die große und mächtige Stadt Ninive und kündige ihren Einwohnern an, dass ich sie strafen werde. Denn ich kenne ihre Bosheit." Eine Gerichtsbotschaft war nichts Neues für Jona, aber Ninive! Das ist die Hauptstadt der Assyrer, der schrecklichsten aller Feinde. Die sich am wenigsten an Gott halten, die über die 10 Gebote nur lachen und fremden Götzen dienen, die nur zechen, huren und morden, wie es ihnen gefällt.

Und was wäre, wenn - Jona mag diesen Gedanken gar nicht denken - was wäre, wenn Gott es zwar ankündet, aber die Stadt dann gar nicht bestrafen und vernichten wird? Wenn er, Jona, als Gottes Sprachrohr den Untergang prophezeien würde, Gott aber stillhält? Schließlich ist Gott unberechenbar. Ihm wäre durchaus zuzutrauen, dass er sogar solch bösen, grausamen, gotteslästernden Menschen vergeben würde.

Jona erschauert bei diesen Gedanken. Was soll er nur tun? Nach Ninive will er auf keinen Fall. Mit Gott über seinen Auftrag diskutieren - das ist ausgeschlossen. Und bleiben kann er auch nicht, wo Gott ihn doch hier ergreifen kann. Also macht er sich auf und geht so schnell er kann ... in die von Ninive entgegengesetzte Richtung - hinab zum Hafen von Jafo. Dort hält Jona nach einem Schiff Ausschau, das ihn so weit wie möglich wegbringen würde - noch weiter weg von Ninive, weg von seinem Auftrag.

Es dauert nicht lange, da findet er ein ausländisches Schiff, das nach Spanien fahren soll. Er geht an Bord, bezahlt seine Reise und legt sich völlig erschöpft unter Deck schlafen. Doch er kann sich nur kurz ausruhen. Bald wird er unsanft vom Kapitän geweckt: "Jona, Jona, steh auf. Wie kannst du bloß schlafen?" Jona wird plötzlich hellwach. Alles scheint zu beben und sich zu drehen. "Ein riesiger Sturm!" schreit der Kapitän ihm zu. "Wir haben schon allen Ballast von Bord geworfen. Aber der Wind wird immer schlimmer. Wir gehen gleich unter! An Deck kann sich schon keiner mehr halten. Komm, rufe deinen Gott an, damit er uns helfe."

Der Kapitän zieht Jona in den Mannschaftsraum, wo alle anderen sich verzweifelt an etwas klammern, beten oder sich übergeben. Doch Jona kommt kein Gebet über die Lippen.

Das Schiff bäumt sich immer mehr auf, immer stärker werden alle hin und her geworfen. Schließlich schreit einer der Matrosen: "Die Götter zürnen uns. Daran muss einer von uns Schuld sein. Lasst uns also die Götter fragen und losen, wer es ist." Und so losen sie, und es trifft Jona. Sogleich bestürmen sie ihn: "Sag, warum geht es uns so schlecht? Wer bist du und was machst du hier?"

Da bekennt Jona: "Ich bin ein Hebräer und verehre den Herrn, den Gott des Himmels, der das Land und das Meer geschaffen hat. Vor diesem Gott fliehe ich." Die ausländischen Seeleute bekommen noch mehr Angst vor diesem Gott, der den großen Sturm befehlen kann. Und sie flehen Jona an: "Hilf uns! Was sollen wir denn nur machen, damit dieser Sturm aufhört?"

Endlich sieht Jona ein, dass es keinen Sinn mehr hat, vor Gott wegzulaufen. "Werft mich einfach über Bord! Dann wird sich das Meer beruhigen. Der Sturm ist nur durch meine Schuld über uns gekommen." Doch die Seeleute weigern sich, dies zu tun. Sie sammeln noch einmal alle Kräfte, steigen nach oben und rudern verzweifelt gegen den Sturm an. Erfolglos. Schweren Herzens nehmen sie schließlich Jona und werfen ihn ins Meer. Augenblicklich legt sich der Sturm. Die Seeleute erschrecken und fürchten sich noch mehr vor dem Gott des Jona, dem Gott Israels. Sie bringen ihm sogar ein Schlachtopfer dar und bekehren sich zum Glauben an diesen Gott.

Doch Jona bekommt das gar nicht mehr mit. Sobald er ins Wasser gestürzt ist, schickt Gott einen großen Fisch, der ihn mit Haut und Haaren verschluckt. Erst hier, im Bauch des Fisches, und ganz alleine betet Jona endlich zu seinem Gott, dem Herrn über Land und Wasser, Menschen und Tiere. Er zitiert alle Psalmen, an die er sich erinnert. Er dankt Gott für seine Rettung durch den Fisch. Und er verspricht ihm, seinen Auftrag nun zu erfüllen.

Drei Tage und drei Nächte muss Jona ausharren, bis der Fisch ihn wieder an das Ufer ausspuckt. Kaum hat er wieder Erde unter den Füßen, da nimmt sich Gott Jona noch einmal direkt vor und wiederholt seinen Auftrag: "Mach dich auf, geh in die große und mächtige Stadt Ninive, und verkünde den Menschen dort die Botschaft, die ich dir schon gesagt habe!" Scheinbar geläutert macht sich Jona nun wirklich auf den Weg nach Ninive. Seinen Auftrag würde er erfüllen, dessen ist er sich nun bewusst. Widerstand war zwecklos. Aber Gott hatte ihm ja keine Details genannt! So geht Jona keineswegs mitten in die Stadt oder gar zum König von Ninive. Ganz langsam und leise schleicht er sich auf einen kleineren Platz, stellt sich auf eine Kiste und spricht nur 5 Worte: "40 Tage bis zum Untergang!" Das ist seine ganze Predigt. "Sollen sie doch untergehen," denkt er, "sollen sie ihre Strafe bekommen, die verhassten Niniviten! Komm, Gott, jetzt bist du an der Reihe!" Mit diesem Gedanken verstummt Jona und sieht seinen Auftrag als erfüllt an.

"40 Tage bis zum Untergang!" Nur einmal sagt Jona diese Worte. Sie schlagen in Ninive ein wie eine Bombe. Völlig verdutzt muss Jona mit ansehen, was sich nun vor seinen Augen abspielt. Ein großes Fasten wird ausgerufen, alle legen ihre schönen Kleider ab und ziehen einen Sack an zum Zeichen der Buße. Sogar der König, mächtiger Herrscher über viele Völker, hüllt sich in einen Sack und setzt sich in die Asche. Die Menschen in Ninive befolgen alle Rituale der Buße, ja, sogar die Tiere müssen fassten und einen Sack tragen.

So schwören König und Volk ihren früheren bösen Wegen ab und flehen Gott um Erbarmen an. 40 Tage lang. Diese Bekehrung macht auf Gott einen so starken Eindruck, dass er seinen Beschluss zurücknimmt und Ninive nicht vernichtet.

Jona schäumt vor Wut. Er schreit Gott an: "Ich wusste, dass es so kommen wird! Das ist nicht gerecht. Ninive hat den Tod verdient. Nie wollten sie etwas von dir wissen; immer haben sie selber Unrecht getan. Aber ich wusste, dass du zu gnädig und gütig bist. Du lässt dich umstimmen und strafst dann doch nicht.... Ach, lass mich doch sterben, das ist besser als weiter zu leben."

Gott erfüllt ihm diesen Wunsch jedoch nicht, sondern fragt nur zurück: "Ist es recht von dir, so wütend zu sein?" Jona aber schweigt. Voller Grimm verzieht er sich vor die Stadt. Dort sitzt er in der glühenden Sonne, bis Gott es noch ein letztes Mal mit ihm versucht.

Blitzschnell lässt er eine Rizinusstaude wachsen, die Jona kühlenden Schatten verschafft. Jona freut sich über dieses Geschenk, aber seine Freude währt nur kurz. Denn Gott schickt einen Wurm, der die Staude sticht und damit verwelken lässt. Während die Sonne von oben herabbrennt, lässt Gott auch noch einen heißen Ostwind aufkommen. Jona bekommt so fürchterliche Kopfschmerzen, dass er sich nur noch den Tod wünscht.

Erneut fragt ihn da Gott: "Ist es recht von dir, so wütend über die eingegangene Staude zu sein?" Als Jona vehement bejaht, stellt Gott seine letzte Frage: "Du leidest wegen dieser einen Staude, für die du nichts tun mußtest. Und ich sollte nicht leiden wegen der großen Stadt Ninive mit all ihren Menschen und Tieren? Soll ich nun gerecht sein oder barmherzig?"

Amen

Pastor Christian Berndt, Stade
Christian.Berndt@evlka.de

 


(zurück zum Seitenanfang)