Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach, Redaktion: R. Schmidt-Rost

Andachten (2003)
"Profil oder Turnschuhe", verfaßt von Rainer Müller-Brandes
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)

Profil oder Turnschuhe
Epheser 6, 11a

Liebe Hausgemeinde,
einen Satz nur möchte ich heute in den Mittelpunkt stellen. Er steht im 6.Kapitel des Epheserbriefs. Es heißt dort:
" Zieht an die Waffenrüstung Gottes, damit ihr bestehen könnt." Mehr nicht.

Diese Zeilen gehen an die Gemeinde in Ephesus. Ich war mal in Ephesus. Im Urlaub mit Freunden. Und ich muß sagen, das sieht heute noch beeindruckend aus, obwohl nur noch Ruinen übrig sind: Ephesus, das war damals das New York von heute - eine der größten und bedeutendsten Städte. Alles gab es in Ephesus, große Bäder mit freien Eintritt, Büchereien Theater, sogar Straßenbeleuchtung.. Und einen Tempel hatten die, da kommt unsere Kapelle, auch die Neustädter Kirche nicht mit. Ein Tempel -für eine Göttin - nur aus Marmor. Eines der sieben Weltwunder war das. Wenn in diesem Tempel geopfert wurde, war das so prachtvoll, daß die Besucher schwer beeindruckt waren und nur so schwärmten.

Ja und daneben stelle man sich ein kleines armseliges Haus vor, wo sich die Christen trafen. Vielleicht 20 erst, vielleicht 30, eine kleine verschüchterte Gemeinde im Schatten des Tempels. Die auch noch schief angeschaut wurden, wenn heraus kam, daß sie zu den Christen gehören.

Tja und heute sieht es so aus, als hätte wir gewonnen. Der Tempel in Ephesus steht nicht mehr und bei uns gibt es in jedem Dorf eine Kirche. Über 55 Millionen Menschen gehören unserer oder der katholischen Kirche an. Die absolute Mehrheit hier bei uns.

Aber manchmal denke ich, soviel hat sich zu früher doch nicht verändert . Ich habe den Eindruck, manchmal fühlen wir uns gar nicht groß anders als die kleine verschüchterte Schar von Christen damals in Ephesus. Eben haben wir das Lied "Liebster Jesus wir sind hier" gesungen und sie kennen wahrscheinlich die Umdichtung eines Ostberliner Pfarrers, der daraus in einem Gottesdienst machte: Liebster Jesus wir sind vier.

Manchmal frage ich mich: Was ist los mit uns Christen: Ist es uns unangenehm, als Christen erkannt zu werden?
Es gab eine Umfrage bei Pastoren - zum Glück bei Pastoren in Westfalen nicht bei uns. Wenn die - was weiß ich - zum Friseur oder zur Bank gehen und dann gefragt werden von der Friseuse zum Beispiel, wo sie denn arbeiten, dann ist es mehr als 35 % Prozent der Pfarrer peinlich zuzugeben, daß sie bei der Kirche arbeiten. Und das gilt ja nicht nur für Pfarrer. Und vielleicht erinnern wir uns ja auch selber an ähnliche Situationen.

Warum ist das eigentlich so?
Es wird ja keiner verlegen, zu erzählen, daß er am Sonntag Fußball spielen war. Keiner wird verlegen, wenn er erzählt, daß er schwimmen war.

Warum sind wir manchmal verlegen zu sagen, daß wir in der Kirche waren?
Weil das nicht im Trend liegt?

Die Kirchen in Deutschland sind nach dem Staat der größte Arbeitgeber. Und trotzdem kommt bei uns Christen manchmal dieser verlegene Blick, wenn wir erzählen, wofür wir stehen.
Manchmal habe ich den Eindruck, daß Ephesus wieder ganz stark geworden ist. Nur anders natürlich.

"Zieht an die Waffenrüstung Gottes."

Es stimmt, unsere Kirche ist heute eine Stimme unter vielen und wir müssen zusehen , daß unsere Stimme nicht überhört wird.

- Weil das schade wäre. Weil wir etwas zu sagen haben. Mehr als Kino.

Und genau da setzen die Worte aus dem Epheserbrief an. Zupackend.
" Zieht an die Waffenrüstung Gottes, damit ihr bestehen könnt."

Neulich habe ich beim Bürgeramt angerufen, weil ich meine Steuerklasse ändern lassen wollte und die Dame am Telefon fragte mich, ganz Dienst am Bürger: "Wenn Sie Steuern sparen wollen, können Sie z.B. auch aus der Kirche austreten."

Wir brauchen nicht zu sagen:
" Ich glaube an Gott, Entschuldigung." Die meisten Menschen sind in irgendeiner Form religiös und suchen. Nur suchen sie viel zu selten bei uns. Und ganz oft bleibt ein Vakuum, eine Leere, die wir nicht mehr füllen.

"Zieht an die Waffenrüstung Gottes, damit ihr bestehen könnt."

Sogar eine große Turnschuhfirma, Nike, weiß um diese Leere. Nike der große Konkurrent von Adidas, sammelt jetzt Turnschuhe von berühmten Sportlern und stellt sie in Kaufhäusern auf, wie Reliquien unter Glas. Dann kann man da den Schuh von Michael Jordan oder vielleicht irgendwann mal von Lothar Matthäus sehen. Der Firmenchef von Nike begründete diese Aktion; in einem Interview sagte er:
" Wir wollen den Besuch eines Nike-Kaufhauses zu einen emotionalen Spitzenereignis machen, das alle packt." Und auf die Kirche angesprochen, sagt er: "Wenn die Kirche da nicht mithalten kann, dann muß sie eben ihren Job besser machen."

Ich glaube, wir müssen wieder mehr Profil zeigen. Mehr Selbstbewußtsein gegen dieses leise Wegrücken von unserem Glauben. Sonst sind unsere Kirchen irgendwann geschlossen und wir können für emotionale Spitzenereignisse Turnschuhe anschauen.

Im Epheserbrief, das zum Schluß, wird eine militärische Sprache gebraucht. Waffenrüstung, später ist vom Helm und Schwert die Rede. Und der Autor benutzt diese Worte ganz bewußt, weil er sich - nicht nur für die Leute neben dem großen Tempel in Epheseus - weil er sich einen offensiven, selbstbewußten Glauben wünscht.
Stehen wir ruhig zu unsern Glauben. Erzählen wir von ihm. Erzählen wir von dem schönen Gottesdienst in und um der Marktkirche. Erzählen wir davon, daß in Deutschland Sonntag für Sonntag immer noch mehr Menschen in unsere Gottesdienste gehen, als zum Fußball, Bundesliga inbegriffen.

Liebe Hausgemeinde, wenn wir es nur zuließen, ich glaube, wir wären unglaublich stark. Gott hat uns Möglichkeiten in den Schoß gelegt, die wir noch viel zu wenig nutzen. Trauen wir uns und unserem Glauben doch mehr zu. Unsere Gemeinden, unsere Kirche, unser Land braucht Menschen, die keine Angst vor dem haben müssen, was kommt.
Ziehen wir sie an, die Waffenrüstung Gottes. Und gehn los, in die neue Woche.
Amen

EG 395 1-3

Gebet:
Herr, unser Gott, manchmal bemerken wir, wie unser Glaube leise von uns wegrückt. Hilf uns, hier Stop zu sagen und mutiger für Dich einzustehen:
Daß wir bei unserer Arbeit immer wieder auch nach Dir fragen.
Daß wir auch bei uns zu Hause in unserer Familie nicht vergessen, wofür wir eigentlich stehen wollen.
Daß wir selber nicht gleichgültig werden gegenüber Dir und unserer Kirche.

Schenke uns immer wieder neu Deine Nähe, rüste uns aus mit Glauben, der uns selbstbewußt und zufrieden in die neue Woche gehen läßt .
Denn wir wissen: in dir sind wir stark.
Amen

Pastor Rainer Müller-Brandes, Hannover
rainer.mueller-brandes@evlka.de


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