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18. Sonntag
nach Trinitatis, 19. Oktober 2003 |
Die Größe der Liebe I. Liebe Gemeinde, Früher, Jahrhunderte früher, spielt eine ähnliche Geschichte.
Zwei Familien sind spinnefeind mit einander. Sie sind schon seit langem
miteinander verfeindet. Da verlieben sich ein Mädchen aus der einen
Familie und ein junger Mann aus der anderen Familie. Auch hier vergessen
die Liebenden alles andere, auch die Feindschaft ihrer Familien, die
ihren Eltern noch immer wichtig ist. Bei beiden Geschichten hörten Sie mir zu, obwohl Sie die Geschichten
kannten. Die Liebe ist schon merk-würdig. Kein Wunder ist es darum, dass
Jesus und ein Besucher sich daran einig sind, dass die Liebe das wichtigste
Gebot unter allen 613 jüdischen Geboten ist. Markus 12,28 – 34: II. Was macht eigentlich die Liebe zur Liebe? Ein Gebot – sagt der
Predigttext. Gut, fragen wir weiter: Was macht die Liebe zum vornehmsten
Gebot? Im großen Meyerschen Lexikon wird Liebe beschrieben als „starke Zuneigung, intensive Liebeserklärung“. Ich finde, wer so schreibt, hat noch nie geliebt. Wir können Liebe gar nicht definieren. Sie ist dafür viel zu groß. Ich habe darum eben eine ganze Aufzählung gegeben, was Liebe alles ist. Sie ist so groß, dass uns dafür die Worte fehlen. Unsere Sprache ist am Alltag orientiert. Liebe findet im Alltag statt, aber verändert, ja sprengt ihn. Wir müssen darum, wenn wir von der Liebe sprechen, auf Begriffe ausweichen, die viel zu klein, zu blass sind, um das auszudrücken, was gesagt werden muss. Wir müssen darum einen Roman oder ein Theaterstück schreiben, einen Film drehen. Vielleicht schreiben deshalb unsere Zeitungen so viel über Krieg, Hass, Gewalt, weil sie die beschreiben können. Aber wir lassen uns damit nicht abspeisen. Trotz Kriegsberichte laufen wir in den Film "der Untergang der Titanic". Ja, merkwürdig eine Schiffskatastrophe wird zum Rahmen für eine große Liebe. Was für die Liebe zwischen Mann und Frau gilt, trifft auch auf die Liebe generell zu. Die Liebe zum Nächsten lässt einen Geschäftsmann sein Geschäft vergessen und einem Armen, am Straßenrand Liegenden zu helfen. Die Geschichte ist so packend, dass sie rund um die Welt geht, zu den bekanntesten Geschichten der Bibel wurde, die Geschichte von dem Geschäftsmann aus Samaria, dem barmherzigen Samariter, wie wir ihn auch nennen. Ja, dieser Geschäftsmann vergisst vor lauter Mitgefühl seine Furcht. Er sorgt sich nicht um seine Gesundheit, um seine Waren, obwohl Räuber hier waren. Was sie hinterlassen haben, spricht eine eindeutige Sprache und die heißt eigentlich: Nichts wie weg! Aber die Liebe spricht lauter, stärker, lässt ihn bleiben. Heute helfen Männer im Irak, eine Schule an einem Ort aufzubauen, wo alle anderen Helfer abgereist sind, weil die Sicherheitslage dort so schlimm ist. Ebenso stark ist die Liebe von Menschen zu Gott. Menschen bekannten sich zu Gott unter Hitler, unter Stalin, in der DDR und anderswo. Sie bekannten, obwohl das Bekennen für sie gefährlich werden konnte und für manche gefährlich wurde. Ihre Liste ist lang. Wir haben eine eigene Bezeichnung für diese Menschen seit den Anfängen der Kirche: Märtyrer. Diese Liebe von Mensch zu Mensch wie die von Mensch zu Gott hat auch einen Gegensatz. Haben Romeo und Julia als Gegensatz zu ihrer Liebe die Feindschaft ihrer Familien, so steht der Liebe von Mensch zu Mensch die Habgier gegenüber. Der Gegensatz zur Liebe von Menschen zu Gott ist Ablehnung oder Interesselosigkeit, die heute verbreiteste Form der Antiliebe zu Gott. Zu dieser Antiliebe des Menschen zu Gott steht im Gegensatz Gottes Liebe zum Menschen. Ja, wer von der Liebe spricht, kann nur in Gegensätzen reden. Liebe ebnet Gegensätze ein. Wo ihr das nicht gelingt, wird der Gegensatz zum so größer. Warum sind Menschen gegen Gott, wo Gott für sie ist, sie liebt? Wie groß diese Liebe Gottes ist, wird in der Bibel immer wieder deutlich. Darum stehen die schönsten Liebesgeschichten in der Bibel. Die Bibel hat die meisten Erfahrungen mit der Liebe. III. Die Bibel kennt viele Liebesgeschichten. Sie fängt gleich mit einer an, mit der von Adam und Eva. Die schönste von allen diesen Liebesgeschichten steht fast am Schluss der Bibel. Es wird dort beschrieben, nicht definiert. Gott wendet sich ganz dem Menschen zu. Er tut das in einer Art und Weise, wie eine Mutter ihrem kleinen Kind hilft. Das Kleine kommt angelaufen. Das Gesicht ist ganz mit Tränen verschmiert. Die Mutter tröstet; sie wischt die Tränen ab. Die Kinderwelt ist wieder in Ordnung. Ich lese die Geschichte, wie Gott uns tröstet ( Offenb. 21,3f): Amen Prof. Dr. Dr. Ulrich Nembach, Göttingen
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