Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach, Redaktion: R. Schmidt-Rost

17. Sonntag nach Trinitatis, 12. Oktober 2003
Predigt übe
r Matthäus 15, 21-28, verfaßt von Gerda Altpeter
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)


Liebe Gemeinde!

Hier wird in ganz anderer Weise als sonst von Jesus und den Frauen geredet. Eine Theologin aus Kenia hat einmal gesagt, dass die Kanaaniterin Jesus missioniert habe, ihn aus dem engen Kreis der Juden herausgerissen, und in die grosse Welt aller Menschen gestellt habe. Das sind grosse Worte und völlig neue Gedanken. Schauen wir uns noch einmal diese Geschichte an!

Da lebt zur Zeit Jesu in der Gegend von Tyrus und Sidon - dem heutigen Libanon - eine Mutter mit ihrem Kind. Sie liebt ihre Tochter, sie versorgt sie, sie spielt mit ihr. Die Tochter ist die grosse Freude ihrer Mutter. Plötzlich wird das Kind krank. Sie windet sich in Krämpfen. Die Mutter sammelt Kräuter und kocht ihr Tee. Sie versorgt sie mit Umschlägen. Sie läuft zu ihrem Priester und gibt ihm all' ihr Geld, damit er einen Heilzauber ausübe. Nichts will helfen. Das Wimmern der Kranken zerschneidet der Mutter das Herz. Wie kann sie ihrem Kind helfen? Was soll sie tun? Sie weiss keinen Rat.

Da kommt eine Nachbarin angelaufen und erzählt ihr atemlos:"Hast du nicht gehört? Dieser Jesus aus Nazareth kommt hierher, ein Jude, ja, aber er hat in seiner Heimat schon viele Menschen geheilt!"Da bittet die Mutter die Frau, bei ihrem kranken Kind zu bleiben, und macht sich auf den Weg. Wenn sie doch Hilfe finden könnte für ihre geliebte Tochter!

Von weitem schon erkennt sie eine Gruppe Männer und einer geht voraus. Da schreit sie laut:"Ach, Herr, du Sohn Davids, erbarme dich mein! Meine Tochter wird von einem bösen Geist übel geplagt!" Was ist das nur? Jesus antwortet nicht. Er schweigt. Das Geschrei ist nicht zu überhören, also will er nichts damit zu tun haben. Hat der Mann kein Herz im Leibe? Die Mutter ist verzweifelt. Sie schreit immer lauter. Der Krach geht den Jüngern auf die Nerven, darum bitten sie für die Frau, aber Jesus weist sie ab:"Ich bin nur gesandt zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel." Damit kennzeichnet er Israel als verloren, gibt aber gleichzeitig seine Bereitschaft zu erkennen, in diesem Fall Hilfe zu gewähren. Er handelt hier als Jude. Für ihn sind die Juden das Volk Gottes. Sie sind ihm wichtig, die andern lehnt er ab.

Haben wir Jesus je so gesehen? Sicher, er war müde, er brauchte Ruhe, er wollte eine Weile mit niemandem etwas zu tun haben, denn er hatte den Leuten ihre Sünden vorgehalten, Mord, Ehebruch, Unzucht, Dieberei, falsch Zeugnis, Lästerung. Mit solcher Rede hatte er die Menschen vor den Kopf gestossen, das weiss er wohl, und er hat den Zorn der Pharisäer und Schriftgelehrten heraufbeschworen gegen sich. Er hat den Mut zu solcher Rede gehabt, aber nun ist er am Ende. Er muss wieder zu sich selber und zu seinem Auftrag kommen, Verbindung mit Gott suchen und finden.

Die Mutter gibt nicht auf. Hier ahnt sie ihre einzige Rettung, darum fällt sie vor dem Mann auf die Knie und ruft:" Herr, hilf mir!" Jesus vergleicht sie mit einer Hündin und dreht sich um. - Aus - So etwas kann sich niemand bieten lassen. Das ist doch gemein!

Immer noch gibt die Frau nicht auf. Sie gibt Jesus recht:" Ja, Herr!" Und dann folgt:" Aber doch..." Die grosse Liebe zu ihrem Kind treibt die Mutter ins Gebet. Sie bleibt bei Jesus, sie gibt nicht auf. Hier ist Hilfe. Hier demütigt sie sich und klammert sich gleichzeitig an. Ihr Vertrauen ist auch durch harte und spöttische Abweisung nicht zu erschüttern. Die Frau bleibt im Bild. Sie fügt sich in die Rolle des Hundes, aber damit fordert sie Jesus auf, ihr und ihrer Tochter Herr zu werden mit allen Rechten und Pflichten. Vor soviel Vertrauen und Zuneigung gewinnt Jesus seine Haltung und göttliche Kraft wieder, seine Müdigkeit ist vorbei. "Dir geschehe wie du willst", sagt er und heilt mit diesen Worten das kranke Kind.

Er ist über die Grenzen Israels hinausgegangen. Als Jude verliess er sein Land, um Ruhe zu finden in der Fremde. Da zeigt ihm eine fremde Frau seinen Weg. Er ist nicht nur für Israel da, sondern für alle Welt. Und es ist diese heidnische Frau, die ihm die Einsicht und Kraft für diese Aufgabe vermittelt.

Diese Mutter ist eine gute Mutter, weil sie für ihr Kind betet. Sie hat nicht immer alles richtig gemacht als Mutter, das weiss sie. War sie übervorsichtig oder nachlässig? Hat sie ihm ihre eigene Angst übertragen? Wenn ihr Kind Krämpfe bekommen hat, einen "bösen Geist" wie es der Text nennt, dann ist sie durch ihr Verhalten mitbeteiligt an der Erkrankung ihrer Tochter. Aber was immer geschehen ist, eins hat sie richtig gemacht, sie hat für ihr Kind gebetet. Sie hat sich selber und ihre Tochter unter die Herrschaft Jesu gestellt. Die Tochter erlebt es am eigenen Leibe, dass das Gebet der Mutter ihr Heilung verschafft. Aus der Gewalt böser Mächte wird das Kind durch Jesu Wort herausgerissen. Jetzt gehört es Gott. In seiner Gegenwart kann es gesund und fröhlich sein.

Wir haben heute darüber nachgedacht, welche Rolle uns Frauen in einer sich verändernden Welt zugewiesen ist. Mir ist aufgefallen, dass sich in den letzten 30 Jahren, die ich im Wallis verbracht habe, vieles geändert hat in der Stellung der Frau. Das gilt nicht nur für die katholischen Frauen, die sich vermehrt aus der Rolle des Putzlumpens in die Rolle der Mitarbeiterin auch im Bereich der Kirche entwickelt, das gilt auch für uns reformierte Frauen, die wir immer intensiver gefragt sind, wieweit wir Verantwortung übernehmen für uns selbst, unsere Familien und unsere Gesellschaft.

Das erste, was wir tun können und müssen ist das, was diese heidnische Frau getan hat. Wir können beten für unsere Kinder, unsere Familie und unsere Gesellschaft. Das verändert unsere innere Haltung. Wir stellen uns selbst, unsere Familie und unsere Gesellschaft damit unter die Herrschaft Jesu. Dann gelten die Ordnungen, die Gott selber gegeben hat, um unser Zusammenleben zu regeln in Harmonie und Einigkeit. Dann sorgen wir dafür, dass auch in den Gesetzen in der Schweiz das gilt, was Jesus zu dem Volk Israel gesagt hat: in euren Herzen verbirgt sich Mord, Ehebruch, Unzucht, Dieberei, falsch Zeugnis und Lästerung. Damit muss es aufhören. Damit kann es aufhören. Wenn ihr euch von Gott diese bösen Gedanken vergeben lasst, dann könnt ihr auch anderen alles Böse vergeben, was sie euch antun.Wir Frauen im Wallis, in der Schweiz, sind Souverain, bestimmen, was gelten soll in unserem Lande. Beten wir für dieses Land, in dem wir leben, und lassen Gott unseren Herrn sein, damit wir Harmonie und Geborgenheit finden miteinander.

Mechthild von Magdeburg schreibt im Mittelalter:
Das Gebet, das ein Mensch mit aller seiner Macht leistet,
hat eine grosse Kraft.
Es macht ein sauer Herz süss,
ein traurig Herz froh,
ein armes Herz reich,
ein dummes Herz weise,
ein ängstliches kühn,
ein krankes Herz stark
und ein blindes Herz sehend
und eine kalte Seele brennend.
Es zieht den grossen Gott hernieder
in ein kleines Herz,
und treibt die hungrige Seele hinauf
zu dem reichen Gott.

Dr. Gerda Altpeter
gerda.altpeter@bluewin.ch


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