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9. Sonntag nach
Trinitatis, 17. August 2003
Predigt über Matthäus 25,14-30, verfaßt von Birte Andersen (Dänemark) (-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de) |
Drei Diener erhalten je ihre Summe. Die zwei investieren sie und machen Profit. Der dritte vergräbt sein Geld, aber er liefert es dennoch beim Herrn ab. Trotzdem wird er gescholten und wahrscheinlich aus seinem Dienst entfernt.
Auf diese Weise sagt Jesus, daß der Herr Wille ist und daß
er es sich leisten kann. Er hat es sich geleistet, und er will, daß
seine Diener dasselbe tun. Er hat sich dazu entschlossen, daß es
besser ist, im Spiel des Lebens zu investieren, als gar nicht mitzuspielen;
und er möchte nicht, daß seine Diener in seinem Namen vorsichtiger
sind als er selbst, und er will überhaupt nicht, daß sie seine
angebliche Kleinlichkeit als Vorwand benutzen. Was er von seinen Dienern
verlangt, ist Wille zum Risiko, denn nur so kann man den Aufgaben des
Lebens gerecht werden - sonst steht das Leben still. Aber: Wenn du spielst, wirst du schuldig. Niemand kann das Leben leben,
wie es ist, voll von Entscheidungen und Möglichkeiten und Verlusten,
ohne Schuld auf sich zu laden. Das kann man nur, wenn man sich das Leben
vom Leibe hält. Jeder, der lebt und sich einsetzt, wird schuldig. Ein hervorragendes Beispiel sah ich einmal im Fernsehen, eine schwedische
Sendung. Gro Harlem Brundtland, früher Ministerpräsidentin von
Norwegen, nun in leitender Stellung in der Weltgesundheitsorganisation
WHO, wurde aus Anlaß ihrer gerade erschienenen Erinnerungen interviewt.
Ein Kapitel ist den Umständen und Gedanken um den Selbstmord ihres
Sohnes gewidmet. Er war psychisch krank, und die Frage, ob sie dieses
Unglück hätte verhindern können, kam nicht auf. Aber sie
hätte ja auch nicht mehr tun können, meinte der Interviewer.
Doch, antwortete sie, das hätte ich. Sie hätte mehr tun können.
Sie hatte auf die falschen gehört, auf die, die sie beruhigten, und
war deren Rat gefolgt. Sie hätte mehr mit ihm zussamensein können,
sie hätte vielleicht auch mehr an Behandlung verlangen können
in dem, was ihr richtig erschien. Sie hatte sich zurückgehalten,
gerade weil sie sowohl Ministerpräsident als auch Ärztin war
und sich nicht in die Arbeit von Kollegen einmischen wollte. Aber es ging
ja um ihren Sohn, und den Kampf konnte niemand anderes kämpfen, das
war ihre Verantwortung. Und eben dies ist das Schwierige und Herausfordernde, wenn man in der
Geschichte und im Lichte des Christentums steht: Wir haben die volle Verantwortung
und müssen die Konsequenzen unser Entscheidungen selbst tragen: das
Gericht. Wir können keine anderen Instanzen zwischen uns und dem
Leben Gottes einschieben: Keine moralischen Regeln, die zu erfüllen
sind. Keine Systeme, die den richtigen Weg garantieren. Keine einfachen
Lösungen und Wege. Keine Träume, die Entscheidungen auf nächste
Woche verschieben zu können oder sie von anderen für mich treffen
zu lassen - höheren Personen oder Instanzen, kirchlichen oder weltlichen
Amtspersonen. Und der Grund dafür, daß die volle Entscheidung bei uns liegt,
ist der, daß wir dazu befreit sind, die Entscheidungen zu treffen,
die auf uns zukommen. Wir sollen uns nicht selbst erlösen mit den
Handlungen, die wir ausführen. Erlöst sind wir schon, wir haben
Möglichkeiten erhalten, wir haben mehr Talente erhalten, als wir
gebrauchen können. Und deshalb sollen wir uns selbst die Freiheit
nehmen, sie einzusetzen, so daß das Bild, das wir von uns - und
von Gott - abgeben, so groß wie überhaupt möglich werden
kann. Pfarrerin Birte Andersen |
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