Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach, Redaktion: R. Schmidt-Rost

1. Sonntag nach Trinitatis, 22. Juni 2003
Predigt über Lukas 16, 19-31, verfaßt von Andreas Pawlas
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)

"Es war aber ein reicher Mann, der kleidete sich in Purpur und kostbares Leinen und lebte alle Tage herrlich und in Freuden. Es war aber ein Armer mit Namen Lazarus, der lag vor seiner Tür voll von Geschwüren und begehrte, sich zu sättigen mit dem, was von des Reichen Tisch fiel; dazu kamen auch die Hunde und leckten seine Geschwüre. Es begab sich aber, dass der Arme starb, und er wurde von den Engeln getragen in Abrahams Schoß. Der Reiche aber starb auch und wurde begraben. Als er nun in der Hölle war, hob er seine Augen auf in seiner Qual und sah Abraham von ferne und Lazarus in seinem Schoß. Und er rief: Vater Abraham, erbarme dich meiner und sende Lazarus, damit er die Spitze seines Fingers ins Wasser tauche und mir die Zunge kühle; denn ich leide Pein in diesen Flammen. Abraham aber sprach: Gedenke, Sohn, dass du dein Gutes empfangen hast in deinem Leben, Lazarus dagegen hat Böses empfangen; nun wird er hier getröstet, und du wirst gepeinigt. Und überdies besteht zwischen uns und euch eine große Kluft, dass niemand, der von hier zu euch hinüber will, dorthin kommen kann und auch niemand von dort zu uns herüber. Da sprach er: So bitte ich dich, Vater, dass du ihn sendest in meines Vaters Haus; denn ich habe noch fünf Brüder, die soll er warnen, damit sie nicht auch kommen an diesen Ort der Qual. Abraham sprach: Sie haben Mose und die Propheten; die sollen sie hören. Er aber sprach: Nein, Vater Abraham, sondern wenn einer von den Toten zu ihnen ginge, so würden sie Buße tun. Er sprach zu ihm: Hören sie Mose und die Propheten nicht, so werden sie sich auch nicht überzeugen lassen, wenn jemand von den Toten auferstünde."

Liebe Gemeinde!

In diesem populären Gleichnis begegnen sie uns wieder, die altbekannten Bilder von Himmel und Hölle, von arm und reich, und gut und böse. Und wir kennen diese Bilder nur zu gut, denn sie sind tief in unsere Alltagssprache und in unsere Alltagskultur eingedrungen: Sagen wir nicht z.B. „Ich fühle mich wohl wie in Abrahams Schoß“? Oder was den Namen Lazarus angeht, so wissen doch nicht nur Soldaten, was ein Lazarett ist, nämlich ein Militär-Krankenhaus, in dem eben Verwundete und Kranke wie der arme Lazarus gepflegt werden.

Aber es ist ja nicht nur unsere Alltagssprache, in die dieses Gleichnis eingegangen ist, sondern offenbar sind und bleiben wir hier in Europa untergründig und ob wir wollen oder nicht, irgendwie durch christliche Werte geprägt. Woran wir das merken können? Doch allein daran, dass in diesem Gleichnis unsere Herzen eben vom Geschick des armen Lazarus angerührt werden. Dagegen lässt uns doch der Reiche ziemlich kalt, dieser offenbar durchaus widerliche und hartherzige Kerl, der alle Tage herrlich und in Freuden lebte und dabei kein Erbarmen hatte mit dem armen Gepeinigten vor seiner Tür.

Und was ist nun eigentlich die Botschaft dieses Gleichnisses für uns heute morgen? Heißt das Gleichnis nun für alle Reichen dieser Welt: „Pech gehabt, dass ihr jetzt für eure kurze Lebenszeit so reich seid; denn ihr werdet dafür ewige Pein erleiden!“ Und sollte es nun umgekehrt für alle, die arm sind auf dieser Welt, heißen: „Glück gehabt, dass ihr jetzt für so eine kurze Lebenszeit arm seid; denn ihr werdet dafür nach eurem Tod ewige Freuden gewinnen!“

Nein, eine solche Botschaft überzeugt mich nicht. Denn nur zu leicht würde sie alle Reichen und Mächtigen dieser Welt dazu ermuntern, die Armen vor ihrer Tür durch eine schnelle und billige Jenseitsvertröstung ruhig zu halten und zu manipulieren. Nein, für mich hat dieses Gleichnis mit seinen alarmierenden Bildern von Himmel und Hölle, von arm und reich und gut und böse eine ganz andere Aufgabe. Ich fühle mich durch dieses Gleichnis angestoßen, ganz drastisch und ganz persönlich darüber nachzudenken, auf welche Weise ich denn nun meinen Lebensweg zu gehen habe zwischen gut und böse, zwischen arm und reich, zwischen Verheißung und Versuchung. Und da wird im Gleichnis wirklich Klartext geredet, da wird unüberhörbar deutlich gesagt, woher die rechte Weisung und die richtige Ausrichtung kommt.

Aber ehe wir uns das genauer vor Augen führen, kurz eine Besinnung darauf, woher sie nicht kommt: Die richtige Ausrichtung für mein Leben kommt eben nicht daher, dass ich das richtige Waschmittel kaufe, Fan des richtigen Fußballvereins bin oder die richtige Automarke fahre. Damit will ich natürlich überhaupt nichts gegen Waschmittel, Fußballvereine oder Automarken sagen, die entweder notwendig sind oder eine Menge Spaß machen. Aber wie könnten sie wirklich das sein, was uns in unserem Leben heilig ist? Aber wie sollten sie wirklich helfen können beim unserem Leben und Sterben, auf unserem Weg durch Lebens-, Berufs- und Beziehungskrisen?

Jedoch jetzt konkret zum Klartext unseres Gleichnisses: Woher erfahren wir also nun, was uns wirklich heilig sein soll? Das erfahren wir aus Gottes Wort, und zwar allein aus Gottes Wort. Genauso sagt es Christus dem Reichen, der sich doch eigentlich in rührender Weise um seine fünf Brüder sorgt, dass sie nicht auch höllische Qualen im Gericht über ihr Leben und in der Bilanz über ihr Leben erleiden müssen. Genauso sagt Christus dem Reichen: „Sie haben Gottes Wort, Sie haben Mose und die Propheten; die sollen sie hören.“ Ja, und heute hat man mittlerweile In jedem Winkel dieser Erde Gottes Wort durch Mose und die Propheten wie es sich dann unüberbietbar in Jesus Christus erfüllt. Und da kann wirklich niemand sagen, er hätte es nicht gehört!

Aber mit diesem Hinweis auf Gottes Wort hört dieses Gleichnis ja nicht auf. Sondern es geht ganz lebendig und realistisch weiter. Denn natürlich haben die Brüder des reichen Mannes - und ich denke, das gilt auch genauso für die Schwestern einer reichen Frau - ab und zu einmal Gottes Wort gehört, wie man das eben nun einmal gewohnt ist zu hören: Ins eine Ohr hinein und aus dem anderen wieder heraus. Natürlich, war man auch schon einmal im Gottesdienst, so, wie es sich gehört. Oder vielleicht hat man ja einmal bei einer Trauung oder sogar bei einer Beerdigung ein bisschen zugehört, was so ein Pastor einem da zu erzählen hat. Aber Hand aufs Herz, die Gedanken und Gefühle die waren dabei doch ganz wo anders. Es ist ja auch so viel, was einem alles so laufend durch den Kopf galoppiert an Ideen oder Hoffnungen, an Sorgen oder Traurigkeiten. Oder eben auch an Waschmitteln, Fußballvereinen oder Automarken Wie sollte man da ernsthaft auf Gottes Wort hören können?

Mir haben zu dieser Frage Werbeleute gesagt, dass uns als Kirche da ein Spektakel fehlt, wie in den großen Fernsehshows - mit viel ohrenbetäubender Musik und Rauch und Fernsehballett. Ja, dann würden wir aufmerksam werden, dann würden wir bestimmt zuhören. Schuld sind also allein wieder die Pastoren, die alles immer nur so langweilig machen.

Aber jetzt einmal ehrlich, helfen solche Show-Einlagen wirklich, dass man auf Gottes Wort hört? Oder helfen Show-Einlagen überhaupt dazu, dass man richtig zuhört? Machen Sie doch einmal die Probe aufs Exempel und prüfen Sie sich doch einmal, ob sie von den vielen Fernseh-Shows, die sie bereits gesehen haben, irgendwelche Kernsätze des Moderators behalten haben. – Mir fallen keine ein. Ihnen auch nicht? Damit helfen Show-Einlagen also auch nicht, wirklich Wichtiges zu behalten.

Nun höre ich aber schon Einwände! Sicher würde mir mancher entgegenhalten: Ja, wenn es in den Gottesdiensten Eine richtige Sensation gäbe, dann wäre doch alles anders und dann würde man doch ganz bestimmt alles behalten! Wenn es z.B. gefährliche, halsbrecherische Verrenkungen wären, die man sehen könnte, oder rasante todesmutige Sprünge oder Crash-Autofahrten, oder wenn gar einer von den Toten wiederkäme, dann würden wir uns die Augen aus dem Kopf gucken und hören. Und dann würden wir bestimmt auch Buße tun. -

Ja, liebe Gemeinde, so oder so ähnlich würde es wohl heute klingen, was der Reiche aus der Hölle in der Sprache von damals gesagt hatte. Und mit welchem Ergebnis? Jesus Christus ist doch von den Toten wiedergekommen. Jesus Christus ist doch auferstanden und haben die Leute gehört? Haben denn da die Leute gehört, die immer nur Sensationen sehen wollen? Nein, das haben sie nicht! Nein, Sensationen, die man einmal begaffen und dann vergessen kann, die helfen nicht, um zu unterscheiden zwischen Himmel und Hölle, zwischen gut und böse, zwischen Verheißung und Versuchung.

Aber was ist es um Gottes Willen dann, das hilft? Wann beginnt man denn nun wirklich auf Gottes Wort zu hören und auf Jesus Christus zu hoffen? Vielleicht ist das auf dieser Welt wirklich so, dass wir Menschen uns häufig erst dann um Gottes Wort scheren, wenn wir in eine persönliche Krise geraten sind, oder wenn wir vor Schmerzen oder Trauer einfach nicht mehr wohin wissen. Not lehrt beten, sagt dazu der Volksmund. Ja, wenn uns alles aus den Händen geschlagen ist, womit wir uns sonst immer ablenken und wenn es uns schlecht geht, dann erst faltet so mancher seine Hände und bittet und fleht zu Gott. Dann erst kommt die Erinnerung an Gottes Wort und die Hoffnung, dass Gott hilft, denn sonst kann niemand anderes helfen.

Jedoch schlimme Erfahrungen mögen wir doch um Gottes Willen niemandem wünschen. Aber was bleibt uns anderes, als nach Gottes Wort in allen Lebenskrisen von Herzen für uns selbst und andere um Schutz und Bewahrung zu bitten. Und wenn wir dann das so tun, und wenn wir uns dann und sie sich darauf verlassen, was uns im Evangelium zugesagt ist, dann wird es auch so geschehen wie wir und sie glauben! Und genau mit diesen Bitten und diesem Vertrauen haben wir dann ganz konkret auf Gottes Wort gehört, wie es durch Mose und die Propheten zuerst gesagt wurde und wie es sich in Jesus Christus erfüllt.

Das ist wirklich eine frohe Botschaft. Aber sollte das so einfach sein, sein Leben nach Gottes Wort auszurichten? Denn wir sind es doch gewohnt, große lebenswichtige Dinge mit viel Mühe, Schweiß und Fleiß zu erdenken oder zu erkämpfen. So werden wir doch vielfach geschult und erzogen, Und vielleicht ist das auch in allen weltlichen Dingen richtig so. Allerdings ist es doch selbst in der Liebe schon nicht mehr so. Denn wie wollte ein Verehrer sich die Liebe seiner Auserwählten je erarbeiten oder verdienen können? Nein, wahre Liebe kann ihm doch nur frei geschenkt werden und er muss an sie glauben.

Und genau so ist es nach Gottes Wort für unseren Lebensweg zwischen gut und böse, zwischen Verheißung und Versuchung. und mit der Füllung unseres Lebens mit Gottes Güte und Liebe. Das Evangelium von Jesus Christus sagt uns, dass man sich Gottes Liebe und Güte niemals erarbeiten oder verdienen, sondern allein schenken lassen kann - eben so, wie wir es als Täuflinge uns in der Taufe nur haben schenken lassen können, wie wir die Zusage nur hatten empfangen können, schon jetzt in Gottes ganz anderem Lebensraum fest verankert und geborgen zu sein, so dass uns eigentlich nichts Schlimmes mehr von unserem Lebensweg zu Gott abbringen kann.

Aber wenn man eine solche Zusage bekommen hat und wenn man sich dann in seinem Leben darauf verlässt, dass Gott für einen wunderbar sorgt, wie sollte man dann eigentlich noch so hartherzig und raffgierig sein können, wie der reiche Mann unseres Gleichnisses? Wenn man so von Gottes Liebe umfangen und angesteckt ist, wie sollte man es dann mit ansehen können, wie es anderen schlecht geht, so wie dem Lazarus? Nein, um Gottes Willen, das geht nicht mehr, weil Gottes Wort und seine Liebe uns genauso umschließt wie unseren Nächsten, jetzt in unserem Alltag und Sonntag und bis in Ewigkeit. Gott sei Dank! Amen.

Pastor Dr. Andreas Pawlas
Ev.-luth. Kirchengemeinde Barmstedt
Erlenweg 2
25365 Kl. Offenseth-Sparrieshoop
Andreas.Pawlas@t-online.de


(zurück zum Seitenanfang)