Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach, Redaktion: R. Schmidt-Rost

Pfingsmontag, 9. Juni 2003
Predigt über Matthäus 16,13-19, verfaßt von Ulrich Wiesjahn
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)

Liebe Gemeinde!

Die sogenannte Globalisierung bringt es mit sich, daß Menschen verschiedenster Religionen und Weltanschauungen aufeinandertreffen. Dieses Zusammentreffen kann, wie wir wissen, Krieg bedeuten. Und Krieg ist die Sprache der Waffen. Wenn es gut geht, dann spricht man mit dem Mund, mit dem Verstand und vielleicht auch mit dem Herzen. Ob wir uns dann verstehen, ist noch lange nicht gesagt, denn religiöse Verständigung gehört vermutlich zum Schwierigsten auf der Welt.

Ja, und nun beginnt das Gespräch mit der Frage: Wer ist ein Christ? Was ist ein Christ? Und die Antwort darauf ist ein Bekenntnis, ein Bekenntnis zu Jesus Christus. Anders geht es nicht. Denn das Bekenntnis ist die einzig angemessene Form, um sich auszudrücken und verständlich zu machen. Natürlich kann man sagen, daß man den wahren Christen viel eher an seinen guten Taten und an seiner Haltung erkennt. Aber die gute Tat und die vorbildliche Haltung müssen durch das Wort erläutert werden. Und dieses Wort nimmt dann notwendig den Charakter des Bekenntnisses an.

Nun wird innerhalb der christlichen Kirchen immer wieder um das wahre Bekenntnis gestritten. Und es gibt auch in unserer Kirche eine sogenannte "Bekenntnisbewegung". Ausgangspunkt ist oft das Apostolische Bekenntnis und seine zeitgemäße Auslegung. Wenn bei diesen Streitigkeiten vieles sehr lebensfremd und kaum verständlich erscheint, so wird doch daran eines ganz klar: Es ist nicht einfach und schon gar nicht selbstverständlich, ein Bekenntnis zu sprechen. Denn wer ein Bekenntnis spricht, der verschreibt sich ja mit Haut und Haaren. Wer ein Bekenntnis spricht, der gibt seine Überzeugung der Öffentlichkeit preis. Wer ein Bekenntnis spricht, der muß darauf gefaßt sein, daß man seine Ehrlichkeit unter die Lupe nimmt. Und in der Tat ist das für jeden Menschen eine Mutprobe.

Zweifellos ist Jesus eine der eindrucksvollsten Persönlichkeiten in der gesamten Menschheitsgeschichte, vielleicht die eindrucksvollste. Aber solch eine Beurteilung reicht nicht aus. Die Frage: Wer ist Jesus Christus? wird damit noch kaum beantwortet. Als eine lebendige und damit weit interessierende Frage muß sie erweitert werden: Wer ist Jesus Christus für mich? Nun wird sie bedeutungsvoll.

Als Jesus seine Jünger fragt: Für wen haltet ihr mich? da ist ihnen vielleicht ein Schauer über den Rücken gelaufen. Denn nun mußten sie ihrem Herzen einen Stoß geben, weil sie sich nun an eine Überzeugung zu binden hatten. Jetzt mußten sie Farbe bekennen. Es stand ihnen allerdings die Möglichkeit offen, wie viele andere zu sagen: Du bist so etwas wie der wiedererstandene Täufer oder Elias oder Jeremias. Du bist ein edler Mensch oder ein großer Prophet oder ein religiöser Rebell. Aber sie übernehmen diese Antworten nicht, sondern binden sich viel fester.

Es ist Petrus, der antwortet: "Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes!"

Ausgerechnet Petrus sagt das, den uns derselbe Evangelist Matthäus in einer Geschichte als besonders kleingläubig beschreibt (14,31). Ausgerechnet Petrus, der den Herrn in seiner Angst verleugnet (26,34). Ausgerechnet Petrus, dieser schwache Mann, den Paulus wegen seiner Unschlüssigkeit tadeln muß (Gal. 2,11-21). Dieser schwache Petrus soll der Fels sein, auf dem die Kirche gegründet werden soll? Jawohl, es sind ganz schwache Menschen, denen das Wohl der Kirche anvertraut ist. Das Lob und Bekenntnis Gottes ertönt seit je aus dem Mund der Unmündigen, der Kinder und auch der Versager. Und genau von diesem Bekenntnis lebt die Gemeinschaft der Christen.

Über den Inhalt und die Formulierung von Bekenntnissen ist nun allerdings noch nichts gesagt worden. Schon das Neue Testament kennt hierin eine Vielzahl. Und auch die lange Geschichte unserer christlichen Kirche äußert sich nicht einheitlich. Jede Generation muß ihre Erfahrung machen. Denn ein Bekenntnis ist nur aufgrund von Erfahrungen möglich. Unsere Zeit neigt ja sehr zur Zurückhaltung und zu Vorbehalten. Das hat wohl zwei Gründe. Einmal setzt sie sich in verstärktem Maße mit der Vernunft und der modernen Wissenschaftlichkeit auseinander. Und zum zweiten fragt sie; Welchen Bezug zum praktischen Leben hat solch ein Bekenntnis? Doch sollte man nicht meinen, in unserer Zeit fehlten die Bekenntnisse. Vielleicht ist sogar das Gegenteil der Fall: Es gibt ein weitverbreitetes Bemühen, neue und eigene Bekenntnisse zu formulieren. erzwingen kann man hier nichts. Auch Petrus wurde das Bekenntnis offenbart. Wir können uns von uns aus nur auf jenen Weg begeben, an dessen Ende die völlige Hingabe steht. Wir sollten nicht diejenigen verachten oder verunsichern oder überfordern, die am Anfang dieses Weges stehen. Das einzige, was wir können, ist, uns gegenseitig auf dem Weg des Bekennens und der Hingabe weiterzuhelfen. Jeder von uns ist in der Gefahr, wie Petrus ein Verleugner zu werden. Aber das Bekenntnis eines jeden von uns ist ein Felsstein, auf dem diese unsere Kirche gebaut wird.
Amen

Ulrich Wiesjahn, Goslar


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