Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach, Redaktion: R. Schmidt-Rost

Exaudi (6. Sonntag nach Ostern), 1. Juni 2003
Predigt über Johannes 15,26 - 16,4, verfaßt von Asta Gyldenkærne (Dänemark)
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)

Zwischen Ostern und Pfingsten sind die Predigttexte aus dem Johannesevangelium, in denen Jesus sich von seinen Jüngern verabschiedet. Jesus gibt in seinen Abschiedsreden den Jüngern ein Bild davon, wer sie im Verhältnis zu ihm und zur Welt sind. Er will sie aufbauen. Er will, daß sie verstehen, wer sie selbst sind. So daß sie den Widerspruch ertragen können, den er für den Tag voraussieht, an dem er nicht mehr bei ihnen ist.

Worauf Jesus sie vorbereitet, ist der Widerspruch, den sie in der Welt erleben werden. Sie werden durch ihren Glauben an Christus andere Menschen sein. Sie werden nicht mehr einfach zu dem zurückkehren können, woher sie kamen. Sie werden vielleicht sogar verfolgt werden, auch von Leuten, die sie zu den Ihren zählten. Vielleicht sogar gerade von denen. Denn ihr Glaube hat seinen Preis. Sie werden Trennungen erleben. Zu der Welt, aus der sie durch ihren Glauben gerissen sind, in der sie aber auch künftig noch leben müssen. Der Widerspruch wird hart sein, so hart, daß sie vielleicht nicht mehr imstande sein werden, an dem festzuhalten, was er ihnen gesagt hat, weil sie in ihrem Alltag so vieles finden, was dem widerspricht und sie in eine andere Richtung weist.

Natürlich spiegeln die Reden den Konflikt wieder, in dem die ersten Christen in bezug auf die jüdische Tradition standen. Aber es ist zugleich auch ein Konflikt, in dem sich viele im Laufe der Geschichte des Christentums haben wiederfinden können. Nicht zuletzt die, die im Laufe der Zeiten versucht haben, die kirchliche Tradition zu reformieren oder zu erneuern, haben die Erfahrung gemacht, daß die Tradition, in der sie selbst zu stehen glaubten und in deren Nachfolge sie selbst zu stehen meinten, sich gegen sie wandte und dies als Verrat auffaßte. So kommt es, daß oft das, was eigentlich als Erneuerung gemeint war, zum Streit oder gar zum Bruch führte.

In unserer Zeit und unserem Teil der Welt geschieht es nur selten, daß man verfolgt wird, weil man sich zum Christentum bekennt. Hier ist es eher so, daß der christliche Glaube meist auf Gleichgültigkeit oder Unverständnis stößt. Denn warum soll man sein Leben ausgerechnet vom Christentum her deuten, wenn sich so viele andere Lebensanschauungen anbieten? Kann die eine Lebensanschauung nicht genauso gut sein wie die andere? Und wahrlich, wenn man in Indien geboren wäre unter Hindus, wäre man wohl ein Hindu geworden. Aber das Zufällige, das darin liegt, bedeutet ja nun nicht notwendigerweise, daß die christliche Taufe, mit der wir nun einmal getauft sind, und der christliche Glaube, mit dem wir aufgewachsen sind, für uns ohne Bedeutung sind. So einen Schluß kann man nicht unmittelbar ziehen. Auch nicht in seinem eigenen Leben. Denn Glaube ist etwas, in das man hineinwächst, in dem man sein Leben wiederfindet, mit dem man sein Leben verbindet, so daß Glaube im Leben des einzelnen genauso grundlegend werden kann wie der Atem.

Dieser enge Zusammenhang und diese enge Verwobenheit liegt auch in den Worten, die Jesus zu seinen Jüngern spricht, die Worte über den Heiligen Geist, den Geist der Wahrheit, der von ihm gegenüber den Jüngern zeugen wird, so wie die Jünger selbst von ihm zeugen sollen, denn sie haben ihn von Anfang an gekannt. Er ist schon lange in ihren Leben gewesen. Sie haben bereits eine gemeinsame Geschichte. Es handelt sich nicht um eine neue Bekanntschaft. Sie sind schon lange zusammen ihren Weg gegangen und letzt an den Punkt angelangt, wo er sie bald verlassen wird. Deshalb will er ihnen ein Bild geben, wer sie sind im Verhältnis zu ihm und im Verhältnis zu der Welt, die sie umgibt.

Früher nannte er sie seine Diener, aber jetzt nennt er sie seine Zeugen, ja sogar seine Freunde. Das Besondere an einer Freundschaft ist u.a. gerade dies, daß man einander begleitet hat, gemeinsam Zeuge war von den Veränderungen, die das Leben des jeweils anderen mit sich gebracht haben mag. Man hat einander gekannt, Vertraulichkeit geteilt und vielleicht einander in vielen entscheidenden Situationen geholfen. Ein so enges und vertrauliches Band knüpft Jesus zu seinen Jüngern, seinen Freunden, zwischen ihnen und sich, dem Gekreuzigten und Auferstandenen selbst, und in diesem Engen Band sollen sie ihre Verankerung finden, wenn sie dem Widerspruch begegnen. Wenn sie in der unvermeidlichen Spaltung stehen zwischen dem, was sie in ihrem Alltag erleben, und ihrem Glauben.

In einer der vorgeschlagenen Einleitungen zum Abendmahl in der dänischen Volkskirche wendet sich der Pfarrer an die Gemeinde mit den Worten "Liebe Freunde Christi". Diese Einleitung wird nicht sehr oft angewendet. Man kann sich darüber wundern, warum man sie so selten hört - es könnte daran liegen, daß einige meinen könnten, daß die Gemeinde etwas verlegen werden würde, wenn man diese Einleitung verwenden würde: "Liebe Freunde Christi". Aber warum eigentlich nicht? Denn als Gemeinde haben wir doch gerade Teil an dem engen und vertraulichen Band der Freundschaft, das Christus mit seiner Gemeinde verbindet. Es soll ja nicht als Selbstüberschätzung oder Selbstgenügsamkeit verstanden werden, wenn man als Freude Christi angeredet wird, denn er ist ja die Hauptperson, nicht wir. Vielmehr werden wir so ja nur daran erinnert, daß alle Getauften etwas Besonderes empfangen haben, indem sie an diesem engen Band zu Christus selbst teilhaben.

Es könnte ja sein, daß es oft wichtig für uns ist, daran erinnert zu werden - daß wir Freunde Christi sind, daran erinnert zu werden, daß er uns so hoch achtet. So eng hat er uns an sich gebunden. Als der wahre Freund, der er ist, kennt er uns als die, die wir sind. Das vergessen wir oft leicht. Wir glauben, daß wir uns selbst überlassen sind und unserem eigenen Streben nach einem gelungenen dasein. Wir vergessen leicht, daß auch mitten in im Widerspruch und der Einsamkeit unserer Zeit ein Wort ergeht, das uns mit dem Leben, dem Tod und der Auferstehung Christi verbindet. Ein Wort von dem göttlichen Band, das uns wie ein Band der Freundschaft bindet. Amen

Pfarrer Asta Gyldenkærne
Skovkirkevej 21
DK-3630 Jærgerspris
Tel: ++ 45 - 47 53 00 33
E-mail: agy@km.dk

 


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