Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach, Redaktion: R. Schmidt-Rost

Christi Himmelfahrt, 29. Mai 2003
Predigt über Lukas 24, 44-53, verfaßt von Peter Weigandt
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Heute ist das Fest der Himmelfahrt Christi. Das ist ein Fest, mit dem wir uns ein wenig schwer tun. Ganz anders ist es beim Evangelisten Lukas. Da herrscht Freude, große Freude. Klingt das bei Ihnen noch nach, was wir eben gehört haben?

Himmelfahrt und Freude ...

Dazu fiel mir als erstes der "Vatertag" ein. Die Männer - keineswegs nur Väter - ziehen mit Bollerwagen und Bierfaß darauf ins Grüne. Und ob da Freude ist, Freude über die nette Runde, Freude über den arbeitsfreien Tag, Freude über das Wetter, das vielleicht doch noch mehr hält als es der Wetterbericht verspricht. Freude, laute Freude - und danach der Kater: Mann, haben wir einen drauf gemacht! War das toll!

Himmelfahrt und Freude ...

Dann fiel mir ein Witz ein, den mein Kirchengeschichtsprofessor Hans Freiherr von Campenhausen, ein Balte von altem Schrot und Korn, gelegentlich erzählte: Der Greifswalder Professor Otto Zöckler - er lehrte in der zweiten Hälfte des vorletzten Jahrhunderts - war ein frommer und sehr konservativer Theologe. Leider hatte er eine etwas unglückliche Liebe zur Naturwissenschaft. Bei einem festlichen Anlaß kam er neben seinem älteren, aber liberalen Kollegen Johann Wilhelm Hanne zu sitzen. Der nahm die Gelegenheit wahr und fragte Zöckler mit argloser Miene: "Wo liegt eigentlich der Himmel?" Der antwortete: "Weit, sehr weit - noch hinter dem Sirius" (diesem sehr fernen, aber sehr hellen Stern). "So. Und wie schnell ist Christus gen Himmel gefahren?" Zöckler witterte jetzt Gefahr und meinte vorsichtig: "Der Herr wird wohl so schnell wie eine Kanonenkugel geflogen sein." Darauf erklärte Hanne ganz sachlich: "Dann fliegt er noch."

Himmelfahrt und Freude ...

Beides, der zum Vatertag verkommene Festtag und der Witz über den Professor Zöckler, beides läßt erkennen, wie schwer wir uns mit diesem Tag tun und wie wenig er in unserem Glauben verankert ist. Der Witz macht auch deutlich, daß es wohl nicht ganz so gewesen sein kann, wie es Lukas am Ende seines Evangelium berichtet.

Wie können wir mit diesem Fest umgehen? Versuchen wir, uns ihm zu nähern. Ich weiß nicht, ob es viel bringt, dem nachzugehen, was seinerzeit - nach dem Bericht des Evangelisten Lukas war es noch Ostersonntag! - wirklich in Jerusalem geschehen sein könnte. Vom Wort "Himmelfahrt" (griech. analepsis, lat. ascensio) wissen wir immerhin, daß es damals ein Bild aus der Welt der Märchen und Mythen war. Wie alle derartigen Bilder versucht es, wenigstens in einem Sprach-Bild, in einer Art Gleichnis, etwas sichtbar zu machen, das sich letztlich doch einer Beschreibung entzieht. Für die Menschen jener Tage besagte das Bild von der Himmelfahrt: Der, der da zum Himmel aufgefahren ist, ist ein Gott oder einer, der zu einem Gott geworden ist.

Auffällig ist, daß Lukas die Himmelfahrt nicht nennt, als er all das aufzählt, was von der Schrift geweissagt ist. Und dann ist da noch etwas: Er berichtet, daß Jesus, der vor drei Tagen am Kreuz Hingerichtete, als Auferstandener mit seinen Jüngern am hellen Tage unbehelligt durch Jerusalem nach Betanien auf dem Ölberg gezogen sei. Da Jesus stadtbekannt war, dürfte auch das wohl so nicht geschehen sein. Und trotzdem: nicht zu übersehen und nicht zu überhören sind die Wirkungen dessen, was der Evangelist Lukas mit dem Bild von der Himmelfahrt des auferstandenen Jesus beschreibt.

Dreierlei ist mir aus seinem Bericht besonders haften geblieben: Segen - große Freude - Rückkehr nach Jerusalem.

Segen - Jesus hob seine Hände und segnete seine Jünger. Was bedeutet das? Früher segneten Eltern ihre Kinder, wenn sie aus dem Haus gingen, um zu lernen, auf eigenen Füßen zu stehen. Dieser Segen besagte: Wir denken an dich, auch wenn du in der Ferne bist. Aber dieser Segen war noch mehr. Mit ihm stellten die Eltern ihr Kind in Gottes Hand: Gott wird ihr Kind schützen über ihre eigenen Möglichkeiten hinaus. Bei ihm wird es immer geborgen sein, auch in Mißerfolg und Gefahr.

Jesus segnete seine Jünger. Er gab sie in Gottes Hand. Er sagte damit zu ihnen: In dieser Welt gibt es - in Glück und Leid - Vertrauen, Zuversicht, Hoffnung - für euch, für uns.

Große Freude - worüber? Eigentlich war es doch ein Abschied für dieses Leben, was da zwischen Jesus und seinen Jüngern geschah. Sie würden ihn nicht mehr sehen. Und es war zugleich ein Abschied von einer unsagbar schönen, freilich auch unsagbar anstrengenden Zeit, von einer Zeit der Gemeinschaft, die es so nicht mehr geben würde. Und trotzdem: große Freude! Wie reimt sich das? Jesus ist nun im Himmel - ein Bild, gewiß. Aber es will etwas sagen: Jesus gehört zu Gott, und mit ihm auch seine Jünger, auch wir. Und das ist wirklich Grund zur Freude.

Und da ist noch ein Grund zur Freude: Jesus war von nun an zwar nicht mehr unter seinen Jüngern. Sie konnten sich auch nicht mehr Hilfe und Schutz suchend zu ihm flüchten. Aber er traute ihnen fortan zu, daß sie alleine fertig würden. Die Jünger wußten jetzt: Wir sind mündig geworden, mündige Christen. Wir können unseren Weg selbständig gehen. Und Jesus ist nun nicht mehr nur für uns da, sondern weil er bei Gott ist, ist er für alle Menschen da. Da ist Grund zu großer Freude.

Rückkehr nach Jerusalem - nicht Sendung in die Welt oder auch nur in das eigene Land, nein, kein alles umfassender Auftrag, sondern ganz einfach zurück von Betanien nach Jerusalem. Zurück dorthin, wo Jesus am Kreuz gestorben, wo er ihnen erschienen war. Dort fangt an! Jesus verwehrte seinen Jüngern die fromme Großspurigkeit, die nur das Große und Weite, das Globale, sieht - und dann unverbindlich wird und nicht mehr sieht, was vor den Füßen liegt. Mit der Aufforderung, nach Jerusalem zurückzukehren und dort anzufangen, sagt Jesus seinen Jüngern: Ich traue es euch zu, ihr werdet es schaffen! Fangt mit dem an, was euch vor den Füßen liegt! Dort ist die Hoffnungslosigkeit am bekanntesten und auch am schwersten zu überwinden . Dort fangt an! Das kann jeder von euch!

Jesus mutet es uns zu, er traut es unseren schwachen Kräften zu, er weiß, daß wir es können: die Kranke nebenan besuchen; für jemand, der es nicht mehr selber schafft, den Einkauf erledigen; einer Mut zusprechen; einen trösten - gerade um die Ecke oder ein Stockwerk höher. Oder für jemand beten, wenn wir denn gar nichts anderes mehr tun können. Da sollen wir anfangen.

Kehren wir also zurück nach Jerusalem, in unser hiesiges Jerusalem, denn es liegt viel vor unseren Füßen. Fangen wir dort an. Große Freude - sie wird nicht ausbleiben, denn Jesus traut es uns zu, daß wir es können. Und wir können es, weil er uns in Gottes Hand gegeben hat, weil er uns segnet.

Psalm: Psalm 47 (EG [der EKKW] 726)

Lesung: 1 Kön 8,22-24.26-28

Lieder: EG [der EKKW] 136,1; 450,1-3; 121; 119; 421

Kyrie: Herr Jesus Christus, wir haben dich aus den Augen verloren, dich und uns. Wir können nicht mehr hören, was du sagst. Wir rufen zu dir:

Gloria: Herr Jesus Christus, du hast uns nicht aus den Augen verloren. Du hörst unser Beten und bist bei uns alle Tage. Wir singen:

Tagesgebet: Herr Jesus Christus, du bist bei Gott, dem Vater. Unsere Augen können dich nicht sehen. Hilf uns, darauf zu vertrauen, daß du uns dennoch nahe bist, damit wir ohne Furcht leben können, du, der du mit dem Vater und dem heiligen Geist lebst ...

Gebet: Herr Jesus Christus, weil du herrschst, hat das Gesetz unseres Lebens seine Gültigkeit verloren, das Gesetz, nach dem wir immer mehr von unseren Hoffnungen abstreichen müssen, je älter wir werden, nach dem wir uns immer mehr bescheiden und abfinden müssen mit dem, was von unseren Plänen, Träumen, Erwartungen noch übrigbleibt. Du wirst unser Leben vollenden.

Weil du herrschst, hat die Lieblosigkeit ihre Macht verloren, der Haß und der Neid, mit dem wir uns bekämpfen, unter dem wir leiden, auch deshalb, weil wir selber nicht mehr Liebe aufbringen als andere. Deine Macht ist die Liebe.

Weil du herrschst, stoßen die Mächtigen an ihre Grenzen, die andere zum Spielball ihres Nutzens oder ihres Willens machen, die uns Angst einjagen. Aber auch wir selber stoßen an unsere Grenzen, die wir doch unseren Einfluß auf andere so gerne vergrößern wollen. Du, der du an der Seite der Ohnmächtigen stehst, hast alle Macht in Händen.

Weil du herrschst, können wir uns wieder freuen, auch wenn vieles um uns traurig bleibt; können wir wieder hoffen, auch wenn vieles um uns hoffnungslos scheint. Weil du herrschst, sind wir frei von allem, was uns begrenzen will, können wir wieder mutiger die nächsten Schritte unseres Lebens gehen.

Herr Jesus Christus, wir danken dir, daß du herrschst.

Quellen: Kyrie, Gloria, Tagesgebet: Agende I. Hg. v. Landeskirchenamt der EKKW. Kassel 1996. S. 263.
Gebet: Nicht mehr sicher zu ermitteln; vermutlich aus: Klaus Bannach; Gerhard Raff: Gottesdienstgebete. Gütersloh 1977.

Dr. Peter Weigandt
Johannisstr. 7
90419 Nürnberg
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E-Mail: o.cello@t-online.de

 

 


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