Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach, Redaktion: R. Schmidt-Rost

Kantate (4. Sonntag nach Ostern), 18. Mai 2003
Predigt über Matthäus 11, 25-30, verfaßt von Jobst v. Stuckrad-Barre
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)

Predigt zur Konfirmation am 18.5.03

1) Mit dieser Einladung lässt sich anfangen: „Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken.“ Ihr Konfis, Konfirmandinnen und Konfirmanden zuerst und dann Eure Nächsten. Ihr, die auf dem Weg seid ins Leben – welch eine Einladung durch Jesus, was für eine Entlastung, was für ein Horizont.

Ihr seid zuerst gemeint. Nicht so sehr, weil Ihr vielleicht aufgeregt seid, heute, jetzt, an Eurer Konfirmation, sondern weil ihr in einer Lebensphase steckt, in der alles schon möglich, das Mögliche aber eben doch noch nicht tatsächlich da ist. Aus dem, was sich da ankündigt, ergibt sich die Freude zu sehen, was das Leben ausmacht. Die Aufregung vor dem Unbekannten, zugleich aber auch der Druck ist spürbar, die Anstrengung, es den Erwachsenen gleich tun zu wollen, und doch noch nicht so weit zu sein – aus dieser Spannung ergeben sich manchmal mühselige Auseinandersetzungen zwischen Jugendlichen und ihren Eltern, Lehrern, Pastoren, Trainern und ich weiß nicht, wer sich alles für kompetent erklärt, zu Eurer Erziehung beizutragen; ältere Geschwister vielleicht oder die Klavierlehrerin... Doch mit solcher bloßen Erklärung ist es eben nicht getan, Eltern sind mehr als Erzieher, Kinder sind mehr als Kompetenzobjekte – sie sind unsere Kinder, wir ihre Eltern oder Großeltern - Geschenk des Lebens, wie wir es mit einander führen, mit allen Höhen und Tiefen, die das einbegreift. Die Paten habe ich nicht mit aufgezählt, dabei kommen die in dieser Phase manchmal stärker mit ins Spiel, weil sie eben nicht jeden Tag mitgestalten müssen, sondern eher da gefragt sind, wo mal jemand genau zuhören und entlastend helfen kann. Sie alle, wir hören mit Euch zusammen diesen Satz Jesu: Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken.

Sanft sagt er das, demütig sogar, damit wir nicht mehr unruhig sind, aufgeregt oder angestrengt, bedrückt oder überlastet, weil wir doch alles selbst verantworten oder aushalten müssen. Was ihn bestimmt, wiederholt er, sein Joch sei sanft, leicht seine Last. Dieses Joch sollen wir aufnehmen, von ihm sollen wir lernen. Das aber nun nicht so, dass wir ein Leben lang uns wie im Konfirmandenunterricht fühlen oder benehmen; eher so, dass die dort entwickelten Perspektiven weiter präzisiert und verfeinert werden. Wer und wo bin ich, wer oder wo ist mein Nächster, wie und wofür kann ich entlastend einwirken? Nicht, weil wir Herren des Lebens wären, sondern weil Jesus den Weg zum Nächsten wie zu Gott schon freimacht, Steine aus dem Weg räumt, uns Lasten längst abnimmt, wo wir noch immer auf die möglichen Beschwernisse und Urteile starren. Darum können wir für den andern mittragen, gerade das, was er oder sie als Last empfindet; ihm abnehmen, was wir können und möglicherweise sogar nur wir können. Denkt bitte einmal daran, wie erbittert Fehden unter Geschwistern und Freunden sein können – so weh können Außenstehende kaum tun wie die aus dem engsten Kreis! Da also zu entlasten und mitzutragen, wo wir instandgesetzt werden, es zu tun. Das ist unsere Möglichkeit, darum wird uns diese Last leicht. Darum haben wir gestern das Abendmahl gefeiert und diese Entlastung in Anspruch genommen, die uns da zugesagt wird.

Dann werdet ihr Ruhe finden für euch, eure Seelen. Nun ist Ruhe so ziemlich das Zweitschlimmste, was Jugendlichen passieren kann. Genau übersetzt ist damit ein Ausatmen gemeint, so wie einer aus- und aufatmet eben, wenn er die schwere Last absetzt oder los wird, der Weg wird wieder frei, der Blick weitet sich bis zum Horizont; Anlaß zur Freude, zum Feiern – welch (ein Grund für) eine Konfirmation.

2) „Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, weil du dies den Weisen und Klugen verborgen hast und hast es den Unmündigen offenbart.“ Jesu Verwunderung ist noch zu spüren – nicht Religion per Verordnung, durch Macht der Tradition oder gar mit Gewalt, sondern Glaube, wie die Unmündigen ihn aufgreifen und danach fragen. Nicht Weisheit oder andere Instrumente der Herrschaft von Menschen über Menschen bringen Euch und uns zum Fragen, sondern das, was Ihr wie Jesus am Menschen, an Euch selbst wie in unserer Welt wahrnehmt.

Wieder dieses: wie Jesus! Er, den die Kundigen verlacht, verspottet, am Ende gekreuzigt und verlassen haben, ist ihnen im Weg gewesen, so töricht, wenig weltgewandt, kindlich, dumm; zu dumm nur, dass ausgerechnet die Kinder und Kranken, die Verletzten und Verstörten ihn erkannten, dass sie verstanden, hier führt der Weg ins Leben. Das in Zeiten wie diesen, wo man nicht weiß, ob noch Krieg ist oder Nicht-mehr-Krieg oder gar Kriegserklärung mit allen möglichen Fronten; denn die Kampfebenen wechseln, von der wirtschaftlichen zur militärischen über die politisch-soziale hin zu den stellvertretenden Kriegsschauplätzen im Privaten wie im Medialen.

Jetzt wird’s gefährlich: Euch die Konfirmanden mit dieser Gruppe in Beziehung zu setzen, den Unmündigen, kann schief gehen. Dann nämlich, wenn ihr jetzt einfach die Ohren zumacht und sagt, das ist ja wohl das letzte, uns so hinzustellen. Kinder? Das sind wir, mit all den Vorzügen, was die Nähe, die Freude, die Unmittelbarkeit zum Leben vor Gott angeht. Und unmündig -, nun ja vor dem Gesetz gibt es da noch ein paar Einschränkungen, aber um die geht es ja wohl heute nicht. Im Gegenteil – Ihr seid sogar religionsmündig mit 14 Jahren, auch vor dem Gesetz. Nein, es geht um Eure Fähigkeit, wahrzunehmen, wer ihr vor Gott und dieser Gemeinde seid – ihm nahe, weil er Euch so auf den Weg bringt.

Also erneut: Die Konfis zuerst und dann ihre Nächsten. Sodaß Ihr jetzt in die Rolle derer geratet, die weitergeben, was sie gehört, die tun, was sie in Gottes Sinn für angemessen erachten, die aus ihrem Glauben leben.

Und dies nicht, weil sie so tolle Menschen wären, sondern weil sie einen geschärften Blick dafür haben: Nicht wir sind die Herren der Welt, sondern Erd und Himmel sind in Gottes Hand. Erst dann ist das Joch Jesu sanft und die Last leicht.

3) Jesus lädt die Mühseligen und Beladenen ein, seine Verwunderung darüber meinen wir noch zu spüren aus diesen Worten des Matthäusevangeliums. Was geschieht, ist dies. Er spricht für uns, die wir so oft sprachlos sind, wenn es um’s Ganze, um Gott geht. Er offenbart sich für die, die ihn, seine Entlastung und seinen Horizont brauchen. Er redet den an, den er als seinen Vater erkennt und der ihn als seinen Sohn annimmt. Er preist ihn und bahnt damit uns den Weg, (nicht nur) an einem solchen Tage das Ganze in den Blick zu nehmen. So wie Gott sich in Jesus als seinem Sohn zeigt, so gibt sich Jesus als der zu erkennen, der diesen Willen Gottes für uns sichtbar macht. Für uns und an uns, für die und an denen, die er als die Unmündigen annimmt, als die, denen es Gott in seiner Liebe offenbaren will. Das ist der Horizont Jesu.

Das hört sich johanneisch an. Vielleicht ist es auch in einer Gemeinde entstanden, die zwischen der Tradition des Matthäus und der des Johannes stand. Darüberhinaus aber: Das gibt uns Raum zu reden, von der Welt, die ihn so sehr braucht, von Gott, der in Jesus handelt, von der Zeit und der Gemeinschaft der Mühseligen und Beladenen. Ihr wachst in eine Zeit hinein, in der vieles, was uns und Euch selbstverständlich erscheint, im Umbruch ist oder abgebaut wird. Da ist der Horizont Jesu um so mehr gefragt – da sind die gefragt, die sich ihr Christsein bewußtmachen und es einbringen: die leichte Last für die, die schwer dran sind, das sanfte Joch für die, denen die Mühe zu aussichtslos erscheint. Dann öffnet sich die Perspektive für die, die mittragen und für die, denen etwas abgenommen werden kann. Leben erhält seine Horizont.

Die sich so versammeln, freuen sich an solcher Offenheit, feiern, daß sie heute wie zu aller Zeit zusammenkommen in seinem Namen und für die, die ihn brauchen. Darum ist Eure Konfirmation nichts anderes als die Befestigung, Bestärkung in solchem Glauben an Gott den Vater, den Sohn zum Leben im Heiligen Geist.

Amen.

P. Jobst v. Stuckrad-Barre
Kleiner Hillen 1
30559 Hannover
e-mail: Jobst.vonStuckrad-Barre@evlka.de


 


(zurück zum Seitenanfang)