Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach, Redaktion: R. Schmidt-Rost

Ostersonntag, 20. April 2003
Motorradgottesdienst über Psalm 139, verfaßt von Erich Faehling
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)

Sperrvermerk:
Die Predigt darf nicht - auch nicht auszugsweise - vor dem 20.4.2003, 13 Uhr veröffentlicht werden. Es gilt das gesprochene Wort.


Früher gab es einmal eine ganz witzige Werbung: Nachdem ein Gemüselaster irgendwo in einem französischen Dorf durch die Schuld eines deutschen urlaubers umgekippt war und die Menschen das Streiten anfingen, wer nun die Schuld hätte, erhob ein kleiner schnauzbärtiger Mann mit blauer Uniformmütze den Zeigefinger und sagte mahnend:
„ Offentlisch Alliance-versischert!“
Inzwischen haben sich die Bilder etwas verändert. Sicherheit ist noch wichtiger geworden, und zugleich ist die Werbung aggressiver geworden bis hin zu dem Opa, der aus dem Raumschiff steigt, um sich bei sich selbst als jungem Mann für seine mickrige Rente zu bedanken. Dazwischen wird zu unserer Sicherheit das ganze Spektrum angeboten: 25 Airbags für sicheres Ankommen genauso wie Lätta für ein gesichertes Liebesleben und nicht zu vergessen Ikea, damit wir nicht mehr nur wohnen, sondern schon leben.

Leben, sicher, sicher Leben.
Und dazu selbst im Krieg die Gewissheit, die schreckliche Gewissheit, jedenfalls für einige, dass sie, wenn sie schon sterben müssen, wenigstens durch die Bomben der eigenen Landsleute sterben, friendly fire, wie es unglaublich verniedlichend heißt.

Sicher leben, Leben in Sicherheit, die Palette dessen, was wir dafür tun ist unglaublich groß. Sie reicht von einem Angriffskrieg, der vor Waffen schützen soll, die es vielleicht gar nicht gibt - man hätte doch auch weiter friedlich danach suchen können. Sie reicht von einem Angriffskrieg bis in die kleinsten Verästelungen unseres Privatlebens, wo wir immer noch neue Details entdecken und vermarktet bekommen, die unser Leben noch ein bisschen sicherer machen.

Sicherheit, ein großes Thema unseres Lebens. Und immer wieder denke ich: Wir packen es aber am ganz falschen Ende an. Das hat Dimensionen übrigens bis hinein in unser gemeinsames Hobby, das Motorradfahren: Da wird Sicherheit auch immer größer geschrieben und perfekter umgesetzt. Bremsen werden immer größer dimensioniert, Airbags gibt es auch schon im Motorrad, ABS sollte Standard werden, usw. Und dennoch, mal Hand aufs Herz, die meiste Sicherheit bringt es, wenn wir nicht wie die Wahnsinnigen heizen, sondern unter Verzicht auf manches vor allem versuchen, heil anzukommen.

Aber bevor das jetzt nach einer Predigt klingt, die den Spaß verderben will, möchte ich Euern Blick noch auf etwas Anderes lenken:
Sicherheit für unser Leben, und was wir so dafür tun, bzw. bereit sind in Kauf zu nehmen - nehmt das doch noch einmal besonders wahr als ein Thema am Osterfest.
Ostern, dieses Fest, das schon vor den Ostereiern und Osterhasen begann, als damals dieser Mensch Jesus, dieser Sohn Gottes, diese schier unfassbare Figur der Weltgeschichte ganz auf Sicherheit in seinem Leben verzichtete, sehenden Auges seinen Weg bis in den Tod am Kreuz ging, starb unter unwürdigen Bedingungen, gefoltert, gequält, verendet. Und - und das ist das Geniale - tief drinnen sicher war, dass er nicht verloren gehen würde.

Er hat gezweifelt der Jesus „mein Gott, warum hast du mich verlassen“, er hat gerungen mit seinem Schicksal „wenn es möglich ist, dann lass diesen Kelch an mir vorübergehen“, aber er ist dennoch auf der Spur geblieben. Und heute ist er im Himmel, am Ziel, so sicher, wie man im Leben nur sein kann.
Er war ganz ohne Alliance-Versischerung, ganz ohne Airbag, ganz ohne ABS und Zeitgeistmargarine. Ich will sagen, er war ohne komplette Kontrolle seines Lebens, er war alle Zeit dem Leben und den Menschen ein gehöriges Stück weit ausgeliefert. Und doch, das ist das Wunderbare, war er tief drinnen sicher, sicher, dass er nicht verloren gehen würde.

Dass das so war, soll kein einmaliger Fall gewesen sein. Jesus ist kein Museumsstück hinter Panzerglas, kein Denkmal zum Bewundern.
Sondern er war und ist Vorläufer, Vorausgänger, einer, der die Richtung zeigen will.
Das heißt: Wir alle, jede und jeder von uns hat die Chance, dieselbe Lebenserfahrung zu machen wie Jesus.
Nehmen wir mal uns Biker: Alles, was uns begegnet im Leben auf zwei Rädern und im Leben vor und nach dem Motorrad, können wir sehen und stellen unter das Versprechen Gottes, allezeit an unserer Seite zu sein. Wir können davon ausgehen, dass genau wir damals dieser Jesus am Kreuz wir an keiner Stelle unseres Lebens verlassen sind. Wir können sicher sein, dass Gott mit uns Lust und Last des Lebens teilt, unsere Kurvenlage mit genießt, unsere geheimen Ängste kennt und unsere Trauer im Leben mit trägt.
Er weiß - noch genauer als wir selbst - warum wir manchmal so besinnungslos am Gasgriff drehen, er weiß, was wir an Mangel im Leben ersetzen, wenn wir den Vorderreifen hochreißen, er sieht, was in uns brennt, so dass Hinterreifen qualmen müssen. Er sieht die weichen Seiten in unserer Seele, die wir mit rauhen Sprüchen und coolem Gehabe tarnen, und er weiß vor allem, wie gerne wir leben, wirklich echt und glücklich leben wollen.
Und wo wir es zuweilen so vergeblich versuchen, bietet er sich als Alternative an.
„ Bau mich ein“, schlägt er vor. „Sprich mit mir, bevor Du Entscheidungen triffst. Teil mit mir, was Dich bewegt. Auf der Maschine hört Dich keiner, aber ich hör Dir zu, falls Du still betest, mir sagst, was Du auf dem Herzen hast.“
Gott ist da. Das ist ganz real gemeint.

Ich weiß, dass viele Menschen das nicht hören wollen oder vielleicht auch nur nicht zu glauben wagen.
Aber ich frage Euch, und gebt Euch selbst die Antwort auf diese Frage:
Wenn das mit Gott wirklich nur erfunden wäre, wäre es dann denn nicht großer Quatsch, dass wir an den Nahtstellen unseres Lebens, Taufe, Konfirmation, Hochzeit, Beerdigung z.B. immer wieder zu ihm kommen? Und ist es nicht so, dass wir immer wieder, und zwar gerade an entscheidenden Stellen unseres Lebens, sehr spüren, dass da mehr ist, als wir fassen und kontrollieren können?
Hat nicht fast jeder schon das Leben von einer Seite kennen gelernt, die uns vermuten lässt, dass da mehr im Spiel ist, als Menschen allein tun können? Ich habe schon gesehen, wie Kinder auf die Welt glitten, und ich war schon dabei, wenn die Seele im Sterben den Körper eines Menschen verlassen hat. Beides sind heilige Augenblicke, in den wir nicht alleine sind.

Und ich will Euch vorschlagen, dass Ihr Euch aus diesem Bewusstsein heraus durch möglichst nicht mehr verunsichern lasst, sondern Gottes Dabeisein genießt, Mut daraus schöpft, Euch mit einbringt in ein Leben und in Zusammenhänge des Lebens, die weit größer sind, als unser Verstand und unser Überblick reichen.
Und ich möchte Euch vorschlagen, aus Gottes Anwesenheit ein ganzes Stück Sicherheit zu gewinnen, viel mehr, als je eine Versicherung, jeder Zeitgeist, oder jede menschliche Kontrolle es könnten.
Anders gesagt: Lasst Euch ein Stück weit in Gottes Segen fallen. Er kann gut für uns sorgen, besser als viele, die das versprechen und dabei in Wirklichkeit bloß einen Markt schaffen und sich selbst bedienen.
Ostern ist das Fest der Sicherheit, die noch nicht einmal durch den Tod aufgehoben wird. Gott lässt sich nicht vertreiben. Und wer ihm vertraut, den macht er frei, frei von Angst, frei zum Leben, frei, die eigenen Wege zu gehen in dem Bewusstsein: „Ich bin nie allein, Gott geht mit mir.“
Hört zum Abschied noch ein kurzes Stück aus einem wunderbaren Gebet, dass in der Bibel steht, Psalm 139.

HERR, du erforschest mich und kennest mich. 2 Ich sitze oder stehe auf, so weißt du es; du verstehst meine Gedanken von ferne. 5 Von allen Seiten umgibst du mich und hältst deine Hand über mir. 8 Führe ich gen Himmel, so bist du da; bettete ich mich bei den Toten, siehe, so bist du auch da. 9 Nähme ich Flügel der Morgenröte und bliebe am äußersten Meer, 10 so würde auch dort deine Hand mich führen und deine Rechte mich halten.

Nehmt es als Geschenk zu Ostern, dass wir das glauben dürfen. Und versucht, sicher zu sein, tief drinnen, dass niemand von uns verloren zu gehen braucht, nicht an das Leben, nicht an den Tod, an nichts und niemanden, niemals.
Amen.

Erich Faehling
E-Mail: KircheBokhorst@t-online.de


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