Sperrvermerk:
Die Predigt darf nicht - auch nicht auszugsweise - vor dem 20.4.2003, 13
Uhr veröffentlicht werden. Es gilt das gesprochene Wort.
Früher gab es einmal eine ganz witzige Werbung: Nachdem ein Gemüselaster
irgendwo in einem französischen Dorf durch die Schuld eines deutschen
urlaubers umgekippt war und die Menschen das Streiten anfingen, wer nun
die Schuld hätte, erhob ein kleiner schnauzbärtiger Mann mit
blauer Uniformmütze den Zeigefinger und sagte mahnend:
„ Offentlisch Alliance-versischert!“
Inzwischen haben sich die Bilder etwas verändert. Sicherheit ist
noch wichtiger geworden, und zugleich ist die Werbung aggressiver geworden
bis hin zu dem Opa, der aus dem Raumschiff steigt, um sich bei sich selbst
als jungem Mann für seine mickrige Rente zu bedanken. Dazwischen
wird zu unserer Sicherheit das ganze Spektrum angeboten: 25 Airbags für
sicheres Ankommen genauso wie Lätta für ein gesichertes Liebesleben
und nicht zu vergessen Ikea, damit wir nicht mehr nur wohnen, sondern
schon leben.
Leben, sicher, sicher Leben.
Und dazu selbst im Krieg die Gewissheit, die schreckliche Gewissheit,
jedenfalls für einige, dass sie, wenn sie schon sterben müssen,
wenigstens durch die Bomben der eigenen Landsleute sterben, friendly
fire, wie es unglaublich verniedlichend heißt.
Sicher leben, Leben in Sicherheit, die Palette dessen, was wir dafür
tun ist unglaublich groß. Sie reicht von einem Angriffskrieg, der
vor Waffen schützen soll, die es vielleicht gar nicht gibt - man
hätte doch auch weiter friedlich danach suchen können. Sie
reicht von einem Angriffskrieg bis in die kleinsten Verästelungen
unseres Privatlebens, wo wir immer noch neue Details entdecken und vermarktet
bekommen, die unser Leben noch ein bisschen sicherer machen.
Sicherheit, ein großes Thema unseres Lebens. Und immer wieder
denke ich: Wir packen es aber am ganz falschen Ende an. Das hat Dimensionen übrigens
bis hinein in unser gemeinsames Hobby, das Motorradfahren: Da wird Sicherheit
auch immer größer geschrieben und perfekter umgesetzt. Bremsen
werden immer größer dimensioniert, Airbags gibt es auch schon
im Motorrad, ABS sollte Standard werden, usw. Und dennoch, mal Hand aufs
Herz, die meiste Sicherheit bringt es, wenn wir nicht wie die Wahnsinnigen
heizen, sondern unter Verzicht auf manches vor allem versuchen, heil
anzukommen.
Aber bevor das jetzt nach einer Predigt klingt, die den Spaß verderben
will, möchte ich Euern Blick noch auf etwas Anderes lenken:
Sicherheit für unser Leben, und was wir so dafür tun, bzw.
bereit sind in Kauf zu nehmen - nehmt das doch noch einmal besonders
wahr als ein Thema am Osterfest.
Ostern, dieses Fest, das schon vor den Ostereiern und Osterhasen begann,
als damals dieser Mensch Jesus, dieser Sohn Gottes, diese schier unfassbare
Figur der Weltgeschichte ganz auf Sicherheit in seinem Leben verzichtete,
sehenden Auges seinen Weg bis in den Tod am Kreuz ging, starb unter unwürdigen
Bedingungen, gefoltert, gequält, verendet. Und - und das ist das
Geniale - tief drinnen sicher war, dass er nicht verloren gehen würde.
Er hat gezweifelt der Jesus „mein Gott, warum hast du mich verlassen“,
er hat gerungen mit seinem Schicksal „wenn es möglich ist,
dann lass diesen Kelch an mir vorübergehen“, aber er ist dennoch
auf der Spur geblieben. Und heute ist er im Himmel, am Ziel, so sicher,
wie man im Leben nur sein kann.
Er war ganz ohne Alliance-Versischerung, ganz ohne Airbag, ganz ohne
ABS und Zeitgeistmargarine. Ich will sagen, er war ohne komplette Kontrolle
seines Lebens, er war alle Zeit dem Leben und den Menschen ein gehöriges
Stück weit ausgeliefert. Und doch, das ist das Wunderbare, war er
tief drinnen sicher, sicher, dass er nicht verloren gehen würde.
Dass das so war, soll kein einmaliger Fall gewesen sein. Jesus ist kein
Museumsstück hinter Panzerglas, kein Denkmal zum Bewundern.
Sondern er war und ist Vorläufer, Vorausgänger, einer, der
die Richtung zeigen will.
Das heißt: Wir alle, jede und jeder von uns hat die Chance, dieselbe
Lebenserfahrung zu machen wie Jesus.
Nehmen wir mal uns Biker: Alles, was uns begegnet im Leben auf zwei Rädern
und im Leben vor und nach dem Motorrad, können wir sehen und stellen
unter das Versprechen Gottes, allezeit an unserer Seite zu sein. Wir
können davon ausgehen, dass genau wir damals dieser Jesus am Kreuz
wir an keiner Stelle unseres Lebens verlassen sind. Wir können sicher
sein, dass Gott mit uns Lust und Last des Lebens teilt, unsere Kurvenlage
mit genießt, unsere geheimen Ängste kennt und unsere Trauer
im Leben mit trägt.
Er weiß - noch genauer als wir selbst - warum wir manchmal so besinnungslos
am Gasgriff drehen, er weiß, was wir an Mangel im Leben ersetzen,
wenn wir den Vorderreifen hochreißen, er sieht, was in uns brennt,
so dass Hinterreifen qualmen müssen. Er sieht die weichen Seiten
in unserer Seele, die wir mit rauhen Sprüchen und coolem Gehabe
tarnen, und er weiß vor allem, wie gerne wir leben, wirklich echt
und glücklich leben wollen.
Und wo wir es zuweilen so vergeblich versuchen, bietet er sich als Alternative
an.
„
Bau mich ein“, schlägt er vor. „Sprich mit mir, bevor
Du Entscheidungen triffst. Teil mit mir, was Dich bewegt. Auf der Maschine
hört Dich keiner, aber ich hör Dir zu, falls Du still betest,
mir sagst, was Du auf dem Herzen hast.“
Gott ist da. Das ist ganz real gemeint.
Ich weiß, dass viele Menschen das nicht hören wollen oder
vielleicht auch nur nicht zu glauben wagen.
Aber ich frage Euch, und gebt Euch selbst die Antwort auf diese Frage:
Wenn das mit Gott wirklich nur erfunden wäre, wäre es dann
denn nicht großer Quatsch, dass wir an den Nahtstellen unseres
Lebens, Taufe, Konfirmation, Hochzeit, Beerdigung z.B. immer wieder zu
ihm kommen? Und ist es nicht so, dass wir immer wieder, und zwar gerade
an entscheidenden Stellen unseres Lebens, sehr spüren, dass da mehr
ist, als wir fassen und kontrollieren können?
Hat nicht fast jeder schon das Leben von einer Seite kennen gelernt,
die uns vermuten lässt, dass da mehr im Spiel ist, als Menschen
allein tun können? Ich habe schon gesehen, wie Kinder auf die Welt
glitten, und ich war schon dabei, wenn die Seele im Sterben den Körper
eines Menschen verlassen hat. Beides sind heilige Augenblicke, in den
wir nicht alleine sind.
Und ich will Euch vorschlagen, dass Ihr Euch aus diesem Bewusstsein
heraus durch möglichst nicht mehr verunsichern lasst, sondern Gottes
Dabeisein genießt, Mut daraus schöpft, Euch mit einbringt
in ein Leben und in Zusammenhänge des Lebens, die weit größer
sind, als unser Verstand und unser Überblick reichen.
Und ich möchte Euch vorschlagen, aus Gottes Anwesenheit ein ganzes
Stück Sicherheit zu gewinnen, viel mehr, als je eine Versicherung,
jeder Zeitgeist, oder jede menschliche Kontrolle es könnten.
Anders gesagt: Lasst Euch ein Stück weit in Gottes Segen fallen.
Er kann gut für uns sorgen, besser als viele, die das versprechen
und dabei in Wirklichkeit bloß einen Markt schaffen und sich selbst
bedienen.
Ostern ist das Fest der Sicherheit, die noch nicht einmal durch den Tod
aufgehoben wird. Gott lässt sich nicht vertreiben. Und wer ihm vertraut,
den macht er frei, frei von Angst, frei zum Leben, frei, die eigenen
Wege zu gehen in dem Bewusstsein: „Ich bin nie allein, Gott geht
mit mir.“
Hört zum Abschied noch ein kurzes Stück aus einem wunderbaren
Gebet, dass in der Bibel steht, Psalm 139.
HERR, du erforschest mich und kennest mich. 2 Ich sitze oder stehe auf,
so weißt du es; du verstehst meine Gedanken von ferne. 5 Von allen
Seiten umgibst du mich und hältst deine Hand über mir. 8 Führe
ich gen Himmel, so bist du da; bettete ich mich bei den Toten, siehe,
so bist du auch da. 9 Nähme ich Flügel der Morgenröte
und bliebe am äußersten Meer, 10 so würde auch dort deine
Hand mich führen und deine Rechte mich halten.
Nehmt es als Geschenk zu Ostern, dass wir das glauben dürfen. Und
versucht, sicher zu sein, tief drinnen, dass niemand von uns verloren
zu gehen braucht, nicht an das Leben, nicht an den Tod, an nichts und
niemanden, niemals.
Amen.
Erich Faehling
E-Mail: KircheBokhorst@t-online.de |