Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach, Redaktion: R. Schmidt-Rost

Ostersonntag, 20. April 2003
Predigt über Markus 16,1-8, verfaßt von Asta Gyldenkærne (Dänemark)
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)

Der christliche Glaube ist Auferstehungsglaube. Ohne einen Glauben an die Auferstehung Jesu von den Toten, ja ohne einen Ostermorgen, an dem die Frauen zum Grabe kommen und es leer finden, verfällt all das, was das Christentum zusammenhält. Wenn die Evangelien nicht so enden würden, mit dem Bericht von der Auferstehung Jesu, dann würde sich die Geschichte Jesu nicht sehr von so vielen anderen Geschichten unterscheiden. Wir könnten zwar behaupten, daß er in seinem Leben in Wort und Tat gezeigt hat, was Wahrheit und Liebe ist, auch wenn er einen hohen Preis dafür bezahlte. Aber das, was Jesus sagte und tat, haben damals auch andere gesagt. Es gibt Weisheitstraditionen, die vieles von dem enthalten und denen wir hier zweitausend Jahre danach nicht so viel Bedeutung beimessen.

Auch nicht weil Jesus mit ungewöhnlich glühendem Eifer für das kämpfte, woran er glaubte. Weil er so idealistisch war, daß er dafür in den Tod gehen wollte, daß später so etwas daraus werden sollte, das man Christentum nennt. All das ist natürlich ein wichtiger Teil der Geschichte, aber wenn wir nur diese eine Hälfte hätten, wenn man sich vorstellte, daß die Evangelisten ihren Bericht Karfreitag abschlossen - ja dann hätten wir einen Bericht vor uns, der mit dem Tod der Hauptperson endete, hingerichtet als Aufrührer. Das ganze wäre offensichtlich fehlgeschlagen, es wäre eine schlimme Geschichte, aber sie würde sich nicht wesentlich von vielen anderen versuchten Aufständen unterscheiden, die von den Römern niedergeschlagen wurden. Sie würde sich auch nicht wesentlich von vielen anderen heroischen Kämpfen und Niederlagen unterscheiden, die die Welt seit dem gesehen hat.

Wie so vieles andere, das im Laufe der Geschichte geschehen ist, wäre die Geschichte Jesu schnell dem Vergessen anheimgefallen - wenn also nicht etwas geschehen wäre, das besonders Aufmerksamkeit erregt hat. Wenn nicht etwas gewesen wäre an dieser Geschichte, mit dem man weder damals noch seit dem so einfach fertig werden konnte, oder anders gesagt, wenn nicht das leere Grab und der Ostermorgen und die Botschaft von der Auferstehung dagewesen wären.

Es hätte sich sonst um den besonderen und rätselhaften Abschluß eines Lebens gehandelt. Eine Geschichte, die wir interessant finden können oder merkwürdig je nach Temperament. Aber dabei bleibt es ja nicht. Denn der Schluß, die Auferstehung setzt etwas mehr in Bewegung. Die Geschichte ist ja nicht nur die Geschichte eines Menschen, der vor langer Zeit in einem fernen Land gelebt hat, eine Geschichte, die man losgelöst von allem anderen erzählen könnte. Es ist vielmehr die Geschichte vom Sohn Gottes in der Welt, und nicht allein das, es ist auch die Geschichte Gottes mit den Menschen. Denn das ist das Zentrum des Christentums, daß Leben, Tod und Auferstehung Jesu unser Leben einschließen. Wenn uns seine Geschichte erzählt wird, dann wird uns auch das Wichtigste über unsere Geschichte erzählt. Wenn wir deshalb jeder seine eigene Geschichte erzählen, dann gehört das dazu, daß von Auferstehung erzählt werden muß. Denn die Auferstehung gehört mit in unsere Geschichte.

Es mag schwer sein, in konkrete Worte und Bilder zu fassen, was das bedeutet. Das fiel den ersten Christen auch schwer, so wie es uns anderen auch schwer fällt. Denn was bedeutet das, von der Auferstehung des Fleisches und dem ewigen Leben zu reden? Wie ist das zu verstehen? Ich glaube, es ist wichtig, wenn man mit solchen Bildern zu tun hat, daß man versteht, woraus sie entsprungen sind. Was ist ihr Hintergrund? Wir sollen verstehen, daß es Bilder sind, die auf die Verheißung verweisen, die wir von Gott mit dem Leben, dem Tod und der Auferstehung Jesu erhalten haben. Eine Verheißung, daß die Gemeinschaft Gottes mit uns besteht, daß diese Gemeinschaft im Leben und Sterben bleibt und daß es nicht nur ein kleinerer Teil von uns, einzelne Seiten von uns sind, zu denen sich Gott bekennt. Es ist das Ganze. Es geht um uns und unsere Geschichte mit all dem, was sie mit sich gebracht hat in Herz, Leib, Denken und Tun. Deshalb ist es so wichtig, daß wir von der Auferstehung des Fleisches reden. Denn alles gehört dazu. So stehen wir vor Gott.

Aber Auferstehung ist ja nicht nur etwas, das Bedeutung für die Toten hat, sie reicht auch in unser Leben hinein.

Die ersten Christen machten sich nicht so viele Bilder darüber, was die Auferstehung der Toten ist, auch nicht unmittelbar nach dem ersten Ostermorgen. Sie waren mehr daran interessiert, daß es Zeugen geben hatte für das, was geschehen war. Es waren keine Zeugen da, jedenfalls zunächst einmal. Die Frauen waren die ersten, die zum Grabe gekommen waren, nachdem es geschehen war. Sie waren so erschrocken, daß sie zunächst niemandem etwas zu sagen wagten. Aber bald darauf erschien der auferstandene Christus den Jüngern, und sie können sich nun daran machen, von ihm und dem Leben zu erzählen, das sie zusammen mit ihm gelebt haben. Der Tote und der Auferstandene werden in ihrer Erzählung von ihm gegenwärtig.

Solche Spuren der Auferstehung kommen auch zum Ausdruck, wenn wir einander von den Menschen erzählen, die wir geliebt haben und die wir verloren haben. Wenn wir von den Toten erzählen, dann wird er bzw. sie uns gegenwärtig in der Erinnerung und den Gedanken. Wir erinnern uns an vieles von dem, was wir wie mit ihm oder ihr erlebt haben, und vielleicht werden wir auch entdecken, daß die Bande, die uns an den Lebenden band, noch immer ihre Stärke erweisen können und ein wichtiger Teil unseres Alltags sein können, auch wenn dieser Mensch tot und nicht mehr da ist. Mitten in der Sehnsucht werden wir darauf aufmerksam, was uns dadurch gegeben wurde, daß wir ein Teil des Lebens dieses Menschen gewesen sind, und vielleicht was an Wichtigem wir nun an andere weiterzugeben haben.

Die Auferstehung kann auch viele andere Spuren in unserem Leben setzen. Denn die Auferstehung kann ein Teil unserer Erfahrung sein und zugleich in den Glauben und die Hoffnung auf das Kommende hineinreichen. Denn die Auferstehung hinterläßt Spuren in jedem Menschen. Wir werden jeder für sich von Erlebnissen und Erfahrungen erzählen können, die sich am besten mit dem Wort Auferstehung umschreiben lassen. Weil wir hier erlebt haben, wie das Leben zu uns zurückkehrte. Vielleicht haben wir erlebt, wie das Leben für uns plötzlich nach einer langen, schwierigen Zeit wieder möglich wurde. Das kann geschehen, wenn man nach einer längeren Krankheit merkt, wie die Kräfte wieder zurückkehren. Oder wenn man viel Widrigkeiten durchgemacht hat und dann entdeckt, daß der Lebensmut wieder zurückgekehrt ist. Solche Erfahrungen sind Spuren der Auferstehung in uns und machen auch uns zu Zeugen der Auferstehung sowohl in unserem eigenen Leben als auch im Leben anderer. Aber die Auferstehung hinterläßt nicht nur Spuren. Sie liegt vor allem in unserer unmittelbaren Zukunft. Denn wenn das Wort von der Auferstehung an uns ergeht, dann wird auch gesagt, daß die Hoffnung in unsere Welt eingetreten ist. Die Lebensgeschichte, die von uns erzählt werden kann, läßt sich nicht von vornherein festlegen. Sie ist voll von Möglichkeiten, die ist voll von Rätseln und Überraschungen, sie ist voll von Hoffnung, Und sie ist dies, weil unsere Lebensgeschichte vom Auferstandenen selbst erzählt wird. Frohe Ostern!

Amen.

Pfarrer Asta Gyldenkærne
Skoven
DK-Jærgerspris
Tel: ++ 45 - 47 53 00 33
E-Mail: agy@km.dk

 


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