Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach, Redaktion: R. Schmidt-Rost

Karsamstag, 19. April 2003
Predigt über Matthäus 27, 57-66, verfaßt von Angelika Überrück
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Liebe Gemeinde,

was ist heute? Ostersonnabend oder Karsamstag? Beide Bezeichnungen für diesen Tag sind gebräuchlich. In unseren Familien gehört dieser Sonnabend den Vorbereitungen auf das Osterfest. An diesem Tag werden die Wohnungen österlich geschmückt. Wir backen Kuchen, die Osternester werden bereit gestellt und abends werden die Ostereier gefärbt.

Aber vom Kirchenjahr her ist es schwieriger: wir stehen noch ganz im Zeichen des Karfreitag, des Todes Jesu. Andererseits feiern wir auch in manchen Gemeinden eben am Vorabend des Ostertages schon Ostergottesdienste. So ganz eindeutig ist dieser Tag nicht einzuordnen.

Der Predigttext allerdings scheint uns die Antwort auf die Frage, ob Ostersonnabend oder Karsamstag ist, abzunehmen. Er steht auf den ersten Blick ganz im Zeichen des Karfreitag, im Zeichen des Todes Jesu. Also ein Karsamstagstext.

Jesus wird beerdigt.

Ich finde es erstaunlich, wie ausführlich diese Geschichte erzählt wird. Es war den Menschen wichtig, zu erzählen, wie und wo Jesus beerdigt wurde.

Aber was fangen wir damit an? Gut, wir können uns anhören, wie Jesus beerdigt wurde. Aber dann? Mich hat dieser Text ins Nachdenken gebracht über mein Sterben und meinen Tod. Und ich möchte Sie einladen, mit diesem Text einmal nachzudenken über Tod, Sterben und Beerdigung. Vielleicht kann er uns ja auch Hinweise geben für unsere Beerdigungsformen.

Natürlich weiß ich auch, dass es den Meisten schwer fällt, an das eigene Ende oder an das Ende eines geliebten Menschen zu denken. Unser Sterben, unseren Tod, möchten wir gerne verdrängen oder zumindest darauf nicht angesprochen werden. Und das geht ja auch relativ leicht, da wir das Sterben immer mehr aus unserem Alltag herausgenommen haben. Die Älteren unter Ihnen können sich sicher noch daran erinnern, als es selbstverständlich war, dass jemand zu Hause starb und alle dann auch noch einmal kamen, um Abschied zu nehmen. Da war das Sterben und der Tod noch ein Teil des täglichen Lebens. Und vielleicht fällt es uns heute auch so schwer, über Tod und Sterben zu reden, weil wir eben so wenig Bezug dazu haben, weil es eben nicht mehr in unseren Alltag gehört.

Andererseits hat es in den letzten Jahren viele öffentliche Diskussionen um das Thema Tod und Beerdigung gegeben. Und allein das macht mir deutlich, dass wir uns doch damit auseinandersetzen müssen. Und es ist sicher gut, sich nicht erst mit dem Sterben zu befassen, wenn wir durch eine Familiensituation dazu gezwungen sind. Ich möchte Sie deshalb heute einladen, die Beerdigung Jesu als Anlass zum Nachdenken und zur eigenen Diskussion zu nehmen.

Mich haben einige Punkte in diesem Text angesprochen, auch für unseren Umgang mit Sterben, Tod, Beerdigung und Trauern.

1. Das erste betrifft die Vorbereitung auf das Sterben.

Natürlich wird das nicht ausführlich besprochen, aber es wird erwähnt, dass Josef von Arimathäa bereits ein Grab hat. Für ihn scheint es ganz klar zu sein, dass er irgendwann sterben muss und deshalb hat er einen Grabplatz für sich. Auf unseren Friedhöfen ist das heute meistens nicht möglich, sich schon vorher einen Grabplatz zu besorgen. Aber einen Ort für sein Begräbnis kann man sich schon vorher überlegen. Und man kann die Frage klären, welche Form von Grabplatz man haben möchte. Und auch diejenigen, die bereits eine Familiengrabstätte haben, stehen immerhin noch vor der Frage, ob sie dort wirklich beigesetzt werden möchten.

Zu den Vorbereitungen auf das Sterben gehört aber nicht nur die Wahl eines Grabplatzes. Mehr wird von Josef von Arimathäa zwar nicht berichtet. Denn er steht ja nicht im Mittelpunkt, sondern Jesus. Aber ich denke, dass ein Mann, der ein Grab hat, sich auch darüber hinaus schon Gedanken über seinen Tod gemacht hat.

Haben Sie sich schon einmal Gedanken darüber gemacht, wie sie sterben möchten? Natürlich würden Sie mir jetzt antworten: bei voller Zurechnungsfähigkeit und möglichst ohne langes Krankenlager. Aber das meine ich nicht. Sondern dann, wenn Sie eben bettlägerig werden und auf Pflege angewiesen sind? Dazu gehen die öffentlichen Diskussionen in verschiedene Richtungen.

Da sind zum einen die Patientenverfügungen entstanden. Eine Patientenverfügung schreiben Menschen für sich, weil sie selbst regeln möchten, bis zu welchem Zeitpunkt ihnen lebenserhaltende Maßnahmen sinnvoll erscheinen. Damit hat die Familie dann auch eine rechtliche Handhabe in dem Moment, wo diese Frage aktuell ist.

Dann sind Hospize entstanden, die Menschen einen würdigen Abschied ermöglichen sollen. Vielleicht gibt es einen Verein auch in Ihrem Ort. Erkundigen Sie sich doch einfach mal, wo es ein Hospiz bei Ihnen gibt und wie es dort ist.

Auch einen Platz in einem Altersheim kann man sich vorher aussuchen, um nicht innerhalb kürzester Zeit das erstbeste nehmen zu müssen. Gucken Sie sich solche Heime ruhig einmal an und entscheiden dann, welches Ihnen gefällt und wie lang die Wartelisten sind.

Das, was für mich auch zu den Vorbereitungen gehört, sind die Gedanken über die Grabpflege. Darüber mußte man sich zur Zeit Jesu keine Gedanken machen, weil ein Steingrab keiner Pflege bedarf. Aber ich kenne von vielen die Angst, dass ein Grab nach der Beisetzung nicht gepflegt wird. Manchen veranlasst das dann zu Seebestattungen oder anonymen Beerdigungen. Oder es kommen eben Wünsche auf, wie der, den Verstorbenen in einer Urne auf dem Wohnzimmerschrank stehen zu haben. Aber was ist, wenn nun auch die Angehörigen sterben? Was passiert mit einer Urne, die keiner mehr haben will?

Dabei kann man vorher klären, wer die Grabpflege übernimmt. Man kann überlegen, wie ein Grab schön aussehen kann, ohne dass ein Familienangehöriger sich darum kümmern muß. Meistens finden sich Lösungen, man muss sie nur vorher bedenken.

Alle diese Überlegungen im Vorfeld zu tätigen helfen in der konkreten Situation der Beerdigung dann auch der Familie, die dann nicht zu ihrer Trauer auch noch die ganzen äußeren Fragen klären muss. Ich selbst habe mir zB überlegt, in welchem Ort ich gerne beerdigt werden möchte, aus welchem Holz mein Sarg sein soll, welche Blumen ich gerne hätte und welche biblischen Texte und Lieder meine Beerdigung begleiten sollen. Das kann ich jederzeit wieder ändern, aber wenn mir plötzlich etwas passiert, kann es meiner Familie sicher helfen.

2. Das zweite, was mir diese ausführliche Schilderung der Beerdigung Jesu deutlich macht: Wir brauchen Abschied, wir brauchen Beerdigungen, um trauern zu können.

Den Menschen der Bibel reichte es nicht, nur den Tod Jesu zu beschreiben, um glauben zu können, dass Jesus wirklich tot ist. Und auch wir brauchen eine Beerdigung, um wirklich glauben zu können, dass das Leben eines Menschen zu Ende ist. Erst dann ist der Abschied endgültig.

Wie nehmen wir eigentlich heute Abschied von geliebten Menschen? Ich habe die unterschiedlichsten Erfahrungen mit dem Abschiednehmen gemacht in den Jahren, seit ich Pastorin bin. Manchmal habe ich als Pastorin auf dem Dorf erlebt, dass die Familie kurz vor dem Tod zusammen gerufen wurde. Manchmal haben wir gemeinsam eine kurze Andacht gehalten. Manchmal haben wir auch noch zusammen das Abendmahl gefeiert. Oft haben die Angehörigen sich auch in der Friedhofskapelle noch einmal von dem oder der Verstorbenen verabschiedet. In den Städten ist das meistens anders. Ich kenne das auch.

Auf dem Dorf war die Beerdigung ein Ereignis. Viele kamen, um ihre Anteilnahme zu bekunden. In der Stadt ist die Familie häufig unter sich. Keiner ist da, der mitweint, der sich mit erinnert. Für mich waren Beerdigungen mit russlanddeutschen Familien immer wieder besonders. Denn sie haben für mich noch einmal eine ganz andere Art deutlich gemacht, wie man Abschied nehmen kann. Diese Familien, die ich dabei kennengelernt habe, gingen viel offener mit dem Sterben um. Alle backten Kuchen und es wurde Abschied genommen. Am Grab standen alle ganz dicht um das Grab und manchmal wurden auch Fotos gemacht wie bei einer Taufe oder Hochzeit. Hinterher habe ich dann oft erlebt, dass ihnen nach so einem ausführlichen Abschied das Trauern viel leichter fiel.

Die Formen des Abschieds können verschieden sein, aber ohne einen gestalteten Abschied, ohne eine Beerdigung ist es schwer zu trauern.

3. Brauchen wir eigentlich einen Ort zum Trauern? Diese Frage ist das dritte, was für mich an der Erzählung des Matthäusevangeliums wichtig ist. Jesus wird mit allen für eine Beerdigung erforderlichen Dingen versehen. Er erhält ein ehrenvolles Begräbnis. Als am Kreuz Gestorbener wäre er normalerweise irgendwo beigesetzt worden. Niemand hätte danach gewusst, wo er beerdigt wurde. Einen Grabstein oder ähnliches hätte es selbstverständlich auch nicht gegeben. Als Gekreuzigter wäre Jesus einfach anonym bestattet worden, ohne Leichentuch. Aber Jesus wird nicht so beerdigt, sondern in ein Leinentuch gehüllt und in ein neues Grab gelegt. Und die beiden Marias kommen und setzen sich an das Grab.

Für mich heißt das: Es ist wichtig, dass wir einen Ort haben, an dem wir trauern können. Anonyme Beerdigungen sind in der Regel für die Angehörigen nicht hilfreich, um wirklich trauern zu können. Ich habe es einige Male erlebt, dass die Angehörigen nach dem Tod mit dieser Form gar nicht klar kamen. Denn es gab eben keinen Ort mehr, wo man seine Blumen hinlegen kann, wo man vielleicht einfach in Ruhe noch mal an den /die Verstorbene denken kann. Gräber, die nicht gepflegt werden müssen, auch das ist ja heute möglich, haben sich für die Familien und ihre Trauer als deutlich hilfreicher erwiesen. Wir trauern eben, wenn ein Mensch, der uns etwas bedeutet, nicht mehr lebt. Und das braucht Zeit und geht nicht von heute auf morgen. Und ein Ort, an dem wir den oder die Verstorbene dann wissen, kann dabei helfen.

4. Nur wer Abschied nimmt, ist offen für Neues. Das ist der vierte Aspekt der Grablegungsgeschichte für mich.

Wir brauchen die Beerdigung, wir brauchen das Ende, um den Blick wieder anderen neuen Dingen zuwenden zu können. Das habe ich ebenfalls erlebt, dass die, die offen über ihre Trauer reden konnten, viel besser mit dem Tod fertig wurden. Oder die, die manchmal bei einer Beerdigung richtig zusammengebrochen sind, konnten manchmal viel schneller in den Alltag des Lebens zurückkehren.

In unserem Predigttext ist das Neue nicht die Rückkehr in den Alltag, sondern es sind Hinweise auf die Auferstehung. Also Hinweise über das völlig Neue, das Einmalige.

Jesu Grab wird versiegelt, weil Pharisäer und Hohepriester Angst hatten, es könne jemand den Leichnam stehlen. Das wirkt wie ein erster Hinweis auf die Auferstehung. Denn nun, da das Grab versiegelt ist, ist sozusagen bewiesen, dass Jesus wirklich auferstanden ist, wenn sein Grab leer sein sollte.

Ein zweiter Hinweis auf Ostern findet sich darin, dass Jesus in ein neues Grab gelegt wird. Damals war es üblich, dass als erster in einem Familiengrab immer das Familienoberhaupt begraben wird. Jesus ist etwas besonderes, deshalb bekommt er ein besonderes Grab. Damit ist schon ein Stück Ostern vorweggenommen. Denn Jesus ist eben mehr als der, der da am Kreuz gestorben ist. Er ist auch der, der wieder aufersteht.

Ein letztes: Jesu Beerdigung macht deutlich: Er ist wirklich tot. Er ist nicht nur scheintot oder bloß für einige Zeit ins Koma gefallen. Ich denke, dass es nötig ist, diesen Abschied wirklich zu realisieren, wirklich aufzunehmen, um dann morgen Ostern feiern zu können. Wenn wir die Passionszeit außer Acht lassen, dann ist es auch schwer, Ostern zu feiern. Wenn wir das Leiden Jesu nicht auf uns wirken lassen, wenn wir nicht seinen Tod als für uns wichtig erleben, dann ist jeder Tag gleich, der Karfreitag wie der Ostersonntag. Die Jünger konnten sich über Jesu Auferstehung auch nur freuen, weil sie eben vorher um ihn getrauert haben. Weil sie gelitten haben unter dem Tod des Freundes. Ich denke, das will diese Geschichte uns auch noch einmal deutlich machen: Jesus ist wirklich tot und in ein Grab gelegt worden, wie wir alle das an unserem Ende werden. Er ist als Mensch gestorben und hat damit wirklich alles erfahren, was ein Mensch erfahren kann. Ihm ist nichts Menschliches fremd geblieben. Das ist die Voraussetzung für Ostern. Das ist aber auch unser Trost und unsere Hoffnung in unserem eigenen Sterben. Denn ein Gott, der alles Menschliche miterlebt hat, ist uns so nahe gekommen, wie es nur geht. Er versteht deshalb auch unsere Ängste und Unsicherheiten mit dem Tod und ist dabei.

Osternsonnabend oder Karsamstag, wie sollen wir den Tag nennen, so habe ich am Anfang gefragt. Ich denke, es ist Ostersonnabend, weil nach der Beerdigung sich der Blick wieder dem zuwenden kann, was folgt. Es ist Ostersonnabend, weil der Blick frei wird auf Neues. Weil das Sterben und der Tod Jesus uns verdeutlichen, wie nahe uns Gott gekommen ist. Der Tod Jesu zeigt uns, dass wir selbst am Ende unseres Lebens nicht allein sein müssen, weil Gott uns versteht, weil er es in Jesus selbst erlebt hat.

Amen

Liedvorschläge:

EG 79 Wir danken dir, Herr Jesu Christ

EG 93 Nun gehören unsre Herzen

EG 97 Holz auf Jesu Schulter

EG 98 Korn, das in die Erde

Angelika Überrück
Jakob-Kaiser-Str. 14
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Tel.: 04131/852731
E-Mail: RUeberrueck@t-online.de


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