Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach, Redaktion: R. Schmidt-Rost

Gründonnerstag, 17. April 2003
Predigt über Johannes 13,1-15 verfaßt von Hanne Sander (Dänemark)
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)

In den Situationen, wo man auf Wiedersehen sagen und sich verabschieden muß, hat das, was gesagt wird, natürlich eine besondere Bedeutung, und nicht zuletzt dann, wenn ein Mensch weiß, daß er sterben muß, weil das dann unwiderruflich das letzte Mal ist. Wie gelingt es einem dann, wirklich das zu sagen, was man auf dem Herzen hat, so daß es wirklich verstanden wird und in der Erinnerung haften bleibt? Wie kann man denen helfen, die zurückgelassen werden? Und man kann den Eindruck bekommen, daß man sich bloß selbst wiederholt. Hört euch mal selbst auf dem Bahnhof, wenn der Zug sich verspätet und der Abschied sich verzögert! Man hat ja schon alles gesagt.

Und man kann das Gefühl haben, daß es mehr braucht als Worte, daß Worte in sich nicht deutlich genug sind. Dann kann man einander umarmen, oder der, der zurückbleibt, kann ein Geschenk erhalten, das erst später geöffnet werden darf, wenn der andere fort ist. Eine Art Pfand für die Gegenwart des anderen - zu meinem Gedächtnis.

Jesus unterstützte seine Worte durch Taten, als er am letzten Abend mit den Seinen zusammen war. Er ließ Taten folgen, als er sich während des Essens erhob und seinen Jüngern die Füße wusch. Das war bekanntlich die Aufgabe des Sklaven oder des Dieners. Aber als Jesus diese Aufgabe wahrnimmt, erhält sie eine andere Bedeutung. Es ist nicht nur die Art und Weise, in der er sich nur für zu gut hält oder zu groß, um die notwendige demütige Rolle auf sich zu nehmen. Versucht doch einmal, euch das vorzustellen - und ich möchte wetten, daß ihr spürt, wie viel Fürsorge und Zärtlichkeit darin liegt, dem anderen die Füße zu waschen, und wie gut einem das tut, daß einer sich um mich kümmert.

Letztes Jahr haben wir eine Osterwanderung hier in der Kirche mit einigen dritten Klassen veranstaltet. Ich wusch nicht ihre Füße, sondern ihre Hände, und schon das konnte als etwas empfunden werden, das uns einander näher brachte.

Indem Jesus seinen Worten Taten folgen läßt, macht er deutlich, wie sehr er seine Jünger liebt, aber auch wie sehr er sich um sie sorgt. Er sieht voraus - und das mit gutem Grund - wie sie anfangen werden, um die Erbfolge zu diskutieren oder gar zu streiten, wenn er tot ist. Wer soll in der Gruppe das Sagen haben und die Gruppe führen? Wie kann er ihnen dabei helfen, zusammenzuhalten?

Da kommt er auf die Idee, ihre Füße zu waschen, die Rollen des Dieners und des Herren zu vertauschen, um ihnen ein Modell und ein Vorbild zu geben, wie eine Gemeinschaft sein kann, eine herrschaftsfreie Gemeinschaft, wo es niemanden gibt, der sich über andere stellt, weder verurteilend noch dominierend oder unterdrückend. Aber auch die Mahlzeit, die sie gemeinsam essen, ist eine Art und Weise, den Worten Taten folgen zu lassen.

In all dem, was an diesem Abend geschieht, ahnt Jesus, was kommen wird, den Verrat und den Tod, und er versucht, den Ereignissen zuvorzukommen.

 

Download des Bildes in hoher Auflösung (284 KB)

Ich habe mich in diesem Jahr dazu entschieden, Bilder heranzuziehen. Sie stammen von dem dänischen Maler Arne Haugen Sørensen. Ich verwende sie sowohl heute als auch am Ostersonntag. Arne Haugen Sørensen ist ein Künstler, der in seinen Arbeiten viel mit der Bedeutung des Osterevangeliums gearbeitet hat. Selbst meint er, daß die meisten Künstler jeder ihre eigene kleine Geschichte haben, die sie ihr ganzes Leben lang wiederholen. Für ihn ist es "etwas über die Liebe und die Flüchtigkeit aller Dinge" und "etwas über Hoffnung und die Schönheit einzufangen und sie festzuhalten".

Das Abendmahlsbild, das er 1997 malte, ist ein Altarbild für die Kirche in Hindborg auf der Halbinsel Salling in Nordjütland. Das Osterlamm haben sie gegessen, sie wenden sich nun Früchten und Nüssen zu. Auf dem Tisch sind noch immer Brot und Wein. Arne Haugen Sørensen hat Jesus nicht in das Licht oder in den Mittelpunkt gestellt. Aber die Gestalt Jesu zieht dennoch klar die Aufmerksamkeit auf sich. Wir brauchen bloß der Blickrichtung der Jünger zu folgen.

Aber ich lasse den Maler selbst das Bild kommentieren: "Es dunkelt allmählich. Die Mahlzeit ist fast vorbei. Die blaue Stunde. Man sitzt und knabbert an einer Frucht oder einer Nuß. Auf dem Tisch liegen Stücke einer Wassermelone und andere Früchte. Die Stimmung ist etwas gedrückt. Schicksalsschwer. Eine Person erhebt sich und geht aus der Tür ganz links. Das ist Judas. Er hat mich immer interessiert. Seine Person und das undankbare Schicksal, das ihm von Gott aufgezwungen wurde. Sicher sind dem viele lange und traurige Überlegungen vorausgegangen, ehe er sich aus der Gemeinschaft entfernt. Um seine schwere gesellschaftliche Pflicht zu erfüllen - so wie Brutus gegenüber Caesar. Die undeutliche, etwas doppelte Figur auf der Bank am Ausgang ist vielleicht derselbe Judas, nur etwas vor der Zeitrechnung, wo er unruhig beginnt, sich selbst klarzumachen, daß er nicht mehr mitmachen will ... Das ist der Augenblick, wo Jesus die gewaltigen Worte spricht, die das Abendmahl einsetzen. Dieselben schockierenden Worte, die über alle Zeiten hindurch in unserer Kirche heute erklingen. Die Jünger werden überwältigt, da es ihnen richtig klar wird, daß das Ende naht. Einige protestieren, anderer greifen nach dem Brot, das er ihnen reicht. Ein einzelner erhebt sich bestürzt, und ein anderer sitzt noch mit dem Messer in der Hand, während er versucht, die Reichweite dessen zu verstehen, was hier geschieht".

Es ist deutlich, daß das, was Jesus sagt und tut, Bestürzung hervorruft: Nehmt nun Brot und Wein. Das ist mein Leib und Blut, das ist mein Leben, das ich euch reiche. Die Worte werden Fleisch, und es wird zu einem Teil derer, die es empfangen. Die Jünger sehen und machen Erfahrungen mit dem, was Jesus meinte.

Mit der Fußwaschung und der gemeinsamen Mahlzeit will Jesus so deutlich wie möglich die Vorstellung bekämpfen, daß eine Gemeinschaft zwischen Menschen stets durch Machtkämpfe und Illoyalität geprägt sein muß. Nicht weil er sich darüber Illusionen macht, daß das aufhört - im engeren Freundeskreis ist es ja nicht nur Judas, der sich der Gemeinschaft entzieht und das Leben und die Liebe verrät. Auch die anderen Jünger leugnen seit dem, daß sie Freunde Jesu sind, sie verlassen ihn und flüchten.

Aber Jesus gibt die Gemeinschaft deswegen nicht auf. Er mißtraut der Liebe nicht. Auch wenn sie wieder und wieder verraten wird. Er resigniert nicht gegenüber dem Leben, auch wenn es immer wieder Übergriffen ausgesetzt ist.

Er besteht vielmehr darauf, daß die Jünger als seine Nachfolger daran erinnert werden: Das, was sie von ihm empfangen haben, sollen sie nun selbst in der Welt sein. Sie sollen den Gedanken Gottes verkörpern, sie sollen der Körper Christi in der Welt sein und sich selbst geben, wie er sich selbst gab, lieben, wie er liebte. Amen

(Die Gemeinde bekommt eine kleine Kopie des Abendmahlsbildes von Arne Haugen Sørensen)

Hanne Sander
Prins Valdemarsvej 62
DK-2820 Gentofte
Tel.: 39 65 52 72
E-Mail: sa@km.dk


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