Göttinger Predigten im Internet
hg. von U. Nembach, Redaktion: R. Schmidt-Rost

Estomihi, 2. März 2003
Predigt über Markus 8, 35-36, verfaßt von Hansjörg Biener
(-> zu den aktuellen Predigten / www.predigten.uni-goettingen.de)

Wenn draußen herrscht auch Faschingstreiben / muss ich doch etwas ernster bleiben.
Gereimt wird hier ganz ohne Zoten / und ohne Blick auf Einschaltquoten.
An diesem Ort wird nachgedacht, / was man aus seinem Leben macht.
Der Horizont wird stets geweitet, / wenn man von Gottes Wort begleitet.
Der Sonntag vor der Fastenzeit / hält stets den Gegentext bereit
und lässt im Reim die Wahrheit sagen, / weil sie so besser zu ertragen.
Wer hierher kommt, hat seinem Leben / von Gott her einen Sinn gegeben.
Das hilft viel weiter als drei Tage. / Ohne Frage!

Es hatte einst dies Rätselwort / im Leben Jesu seinen Ort:
Wer sein Leben erhalten will, der wird’s verlieren;
und wer sein Leben verliert um meinetwillen und um des Evangeliums willen, der wird’s erhalten.
Denn was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne und nähme an seiner Seele Schaden? (Markus 8, 35-36)

Es spricht hier Jesus von Gefahren, / die damals schon bedrohlich waren
und immer noch gefährlich sind, / wenn jemand alle Welt gewinnt
und nimmt doch Schaden an der Seele, / weil ihm im Innern etwas fehle.
Damit wir dies für uns verstehn, / will ich vier Felder kurz begehn
Das Showbiss und den schnellen Ruhm, / den Umgang mit dem Eigentum,
die Schönheit und die Eleganz, / der Mediziner Brillanz.
Hier ist die “Seele” sehr gefährdet / und wird am Schluss brutal geerdet,
wenn Menschen wenden ihren Sinn / allein (!) auf solche Dinge hin.

Es gäbe auch noch andre Themen, / doch kann man ja nicht alle nehmen.
Ein fünftes Thema spar ich (!) aus: / Es kam kein hilfreich Wort heraus.
Wo Zorn und Trauer mich bewegen, / hab ich zur Predigt keinen Segen.
Denn zu den zweigesicht’gen Gaben / gehört es, große Macht zu haben.
Der eine kam an sie durch Wahl, / Saddam hingegen durch den Stahl,
den er auf seine Leute wendet, / bis man sein Tun einmal beendet.
Es bringt die Kriegsangst große Massen / von Menschen wieder auf die Gassen.
Die Fragen sind sehr kompliziert. / Das schnelle Wort sich leicht verirrt.

Damit mein Ziel ich nicht verfehle, / frag ich zunächst: “Was ist die Seele?”

1. Die Seele

In frühren Zeiten sagt man gern: / Die Seele ist des Menschen Kern.
Die Seele ist die Kraft zum Leben, / die Gott den Menschen hat gegeben.
Doch auch die Gegenposition / vertreten Menschen lange schon.
Die Seele sei Erfindung nur, / der Mensch sei ganz und gar Natur.
Sobald die Menschen man sezierte / und über Innerein sinnierte,
kam immer mehr man zu dem Schluss, / dass man sie wohl vergessen muss.
Es scheint zu fehlen das Organ, / in dem die Seele leben kann.
So hat der menschliche Verstand / aus Herz und Hirn sie weg verbannt

Die Seele hätten Theologen / aus Machtgelüsten sich erlogen.
Mit Himmelslust und Angst vor Hölle / sei man gewesen stets zur Stelle.
Gehorsam sei ja jederzeit, / wer Angst hat um die Ewigkeit.
Doch wenn’s die Ewigkeit nicht gibt, / kann man so tun, wie es beliebt.
Und als man spürt die eigne Kraft, / hat Gott man gleich mit abgeschafft.
Natürlich kann’s Probleme geben, / wenn Lebenskrisen wir erleben.
“Wer bin ich denn? Wo will ich hin? / Womit geb ich mir einen Sinn?”
Wo Gott nicht mehr ein guter Vater, / sucht man den Vater im Psychiater.

Die Seele ist ein altes Wort, / doch hat sie kaum noch einen Ort:
In der modernen Wissenschaft / man kaum noch etwas mit ihr schafft.
Bleibt Anerkennung ihr verwehrt, als neues Wort sie wiederkehrt.
Woher kommt die “Identität”, / woher denn Kontinuität?
Ich kann die Diskussion nicht führen, / doch meine Position markieren:
Für unsre Zwecke wird’s genügen, / spricht man von “Seele” in Bezügen,
nicht nur zu Gott und Menschen nur, / auch zu sich selbst und zur Natur.
Für mich ist wichtig der Aspekt, / dass eins das andre nicht verdeckt.

Vier Themen hatte ich versprochen, / wo Seelen allzu leicht zerbrochen:

2.1 Das Showbusiness und sein Umgang mit der Bekanntheit

Es sucht das Land den Superstar. / Manch einer glaubt, sein Traum wird wahr,
und lässt sich auf das Casting ein / und fällt nur auf die Macher rein.
Man denkt, man wird jetzt profiliert. / Tatsächlich - wird man vorgeführt.
Der Daniel glaubt, dass er sich “macht”, / - und wird von vielen ausgelacht.
Von Bayern in die weite Welt, / so hat er sich das vorgestellt.
Er rechnet sich als Vorzug an, / dass er noch gar nicht singen kann.
Wer denkt, er hat die Fans gepachtet / und klare Worte noch verachtet,
hat schließlich auch in Eggenfelden / am Ende nicht mehr viel zu melden

Die Judith ist nicht mehr dabei, / seit 4. 1. ist sie frei.
Sehr viele dachten, sie wird siegen, / doch ist sie selber ausgestiegen.
Sie sagt in einem Interview: / “Ich schau mir manchmal selber zu,
und merke, wie ich mich verwandle / und nicht mehr so wie bisher handle.
Ich spüre: "So will ich nicht sein. / Das greift zu tief ins Leben ein.’
Der Rummel ist schon ein Erlebnis, / doch gibt’s für mich nur ein Ergebnis:
Wer nur noch fragt, "Wie komm ich an?’, / sich selber nicht behaupten kann.”
Und so die Frau aus Wiedenbrück / macht’s für sich richtig, tritt zurück.

So mancher glaubt, er wird ein Star, / und bleibt im Grunde austauschbar.
Big Brother und die Casting-Show, / macht das die Seele wirklich froh?
Man kommt zurück aus dem Container / und braucht dann einen Seelen-Trainer.
Egal die Menschen, Wurscht die Themen, / die Sender für die Talkshows nehmen.
Kurz ist man in die Höh geflogen, / weil andere die Strippen zogen.
Tritt man dann aus dem Rampenlicht / wird wieder man zum kleinen Wicht.
Profil gewinnt man nur privat, / wenn man den Alltag vor sich hat.
Wenn dort die Menschen einen mögen, / ist das ein unschätzbarer Segen.

Dies zu Problemen mit dem Ruhm, / und nun komm ich zum Eigentum:

2.2 Die Schickeria und der Umgang mit dem Reichtum

“Geld macht nicht glücklich”, sagt man gerne. / Doch arm ist dran, wem es ist ferne.
So ist als erstes zuzugeben: / Wir brauchen es zum Überleben.
Man braucht es für die Wohnungsmieten / und, um den Kindern was zu bieten.
Selbst kleine Wünsche kommen teuer. / Auf alles gibt es Mehrwertsteuer.
In Deutschland jedenfalls ist’s so. / Drum wird ein armer Mann nicht froh
und träumt im Lotto von Millionen / und hofft, so würd sichs Leben lohnen.
Doch mancher wurde über Nacht / durch den Gewinn ums Glück gebracht.
Manch einer zeigt nun schönen Schein / und hat doch viel mehr Schein als Sein.

Was hilft es einem reichen Mann, / wenn er nicht mehr normal sein kann,
wenn man sich reichlich kapriziert / und Nerven andrer strapaziert.
Das Essen muss vom Feinsten sein, / nur beste Kleidung kauft man ein.
Man stellt zur Schau die ganze Pracht / und feiert durch die ganze Nacht.
Wer heute ein Hotel zerlegt, / damit sogar den Ruf noch pflegt.
Dabei wär man vor 50 Jahren / viel strenger noch mit ihm verfahren.
Ein solcher Gast flog früher raus / und kam nie mehr in dieses Haus.
Man macht nach außen groß Theater / und braucht nach innen den Psychiater.

Es hilft nun leider mal nicht allen, / dass Geld ist ihnen zugefallen.
Der Reiche hat zwar ausgesorgt, / doch seine Seele nur geborgt.
Wenn er verkennt der Seele Wert, / sich Glück in Unglück schnell verkehrt.
Er jettet rund um diese Welt / und sucht etwas, was wirklich zählt.
Er sucht ein echtes Glückserlebnis / und kommt doch niemals zum Ergebnis.
“Mein Haus, mein Flugzeug, meine Jacht, / und doch nichts, was mich glücklich macht.”
So mancher ist zwar gut betucht, / doch seine Seele andres sucht.
Dann kommt es, dass man alles hat / und hat doch auch das Leben satt.

Im selben Satz, das ist bekannt, / wird “reich” und “schön” oftmals genannt.

2.3 Die Modewelt und der Umgang mit der Schönheit

Auch Schönheit kann viel Freude machen, / gehört zugleich mit zu den Sachen,
die in sich sind ambivalent, / wie man am eignen Leibe kennt.
Der schöne Körper wird begehrt. / Der, den man hat, scheint ganz verkehrt.
Frau möchte gern wie Claudia sein / und träumt sich in die Heidi rein.
Die schöne neue Medizin / sagt: “Kein Problem, das kriegt man hin.”
Mit ein paar Beuteln Silikon / hofft sie darauf, dass damit schon
man vorwärts kommt zum Lebensglück. / In Wahrheit ist’s ein Schritt zurück.
Denn was zum Vorbild man genommen, / ist selber auf den Hund gekommen.

Wenn Models über Stege laufen, / sie oft mehr als ein Kleid verkaufen.
Von Mode kaum noch eingepackt / zeigt man die jungen Frauen nackt.
Ein Hauch von nichts, das soll sie kleiden, / wenn sie an Eiseskälte leiden.
Man lässt sie auf dem Catwalk/Laufsteg laufen / und hinten Schnaps und Whisky saufen.
Sie müssen immer präsentieren / und für das Publikum posieren.
Das Publikum noch Beifall patscht, / wenn manche auf den Boden klatscht.
Und war sie Nacht für Nacht auch fleißig, / es ist vorbei, ist sie erst dreißig.
Mit Koks und Drogen vollgepumpt / ist manche lange Nacht verlumpt.

Auch Frau den Mann taxiert und misst, / ob er gut anzusehen ist.
Im Fitness-Studio er sich quält / und seinen Body/Körper formt und stählt.
So hat er es nicht länger besser, / legt sich für Schönheit unters Messer
und lässt sich seinen Bauch absaugen / und liften Ringe um die Augen.
Der Mann schluckt den Spezialdragée / damit er ständig auf der Höh
und immer seine Leistung bringt, / wenn er um mehr Beachtung ringt.
Doch je mehr Pillen einer nimmt, / so mehr wird er auch fremdbestimmt,
wo der Hormon-Mix wirkt nur stärker, / kommt jede Freiheit in den Kerker.

Gesundheit ist ein hohes Gut, / das manchen heut verführen tut:

2.4 Die Medizin und der Umgang mit der Gesundheit

Man fragt sich manchmal dieser Zeit, / ob heut noch gilt der alte Eid,
der Kranke sollte einst beschützen: / “Wir Ärzte wolln dem Nächsten nützen!”
Doch kommen Spritzer auf die Weste, / wenn mancher sucht für sich das Beste.
Die Beitragszahler es kaum fassen, / wenn Ärzte plündern Krankenkassen.
In diesem Jahr wird viel geboten: / Rezepte für die lange Toten.
Es kommt aus China das Gebiss. / Die Kunden nennen das Betrug.
Was man bisher von Tieren kennt, / man als Erfolg bei Menschen nennt:
Es spricht dem Lebenslauf doch Hohn, / kommt mit 60 das Baby, mit 20 der Klon.

Ein Anatom will etwas gelten / und stellt zur Schau die Körperwelten.
Nur München hat sich vorgewagt / und zunächst einmal Nein gesagt:
“Wer hätt als Spender dran gedacht, / dass man ein Schauspiel aus ihm macht!”
Mit Rücksicht auf die Pietät / sagt München, dass das so nicht geht.
Dass hier jetzt niemand “typisch!” denkt! / Die Stadt ist SPD-gelenkt.
Von Hagens teilt die Ansicht nicht / und zieht die Münchner vor Gericht.
Jetzt wird die Schau doch durchgeführt, / in Teilen leicht modifiziert.
Man nennt das Ganze nun “didaktisch” / Oh, wie praktisch!

Wie sehr das Bild vom Arzt sich wandelt, / zeigt, wie man ihn im Film behandelt.
Zum Arzt hat man nicht mehr Vertrauen. / Von ihm geht aus das große Grauen.
Der Arztfilm zeigt die neue Art: / Der Arzt ist zugleich Psychopath.
Als Hauptbeleg verweis ich Sie / auf Horror in “Anatomie”.
Der Mitmensch wird geringgeachtet / und zum Sezieren bald geschlachtet.
Der Kinofilm lief vor drei Jahren, / man wollte ihn sich nicht ersparen,
und, weil den ersten sahn Millionen, / soll nun ein zweiter Teil sich lohnen.
Seit Februar ist er zu sehn. / Ich frag mich nicht, “Soll ich hingehn?”

Vier Themen haben wir bedacht / und uns fürs Fazit schlau gemacht:

3. Fazit: Was die Seele pflegt

Ob Ruhm, ob Schönheit oder Geld, / ob Wissen oder andres zählt,
wenn deine Seele Gott nicht ehrt / sich Gutes in Gefahr verkehrt.
Was nützt’s, wenn du die Welt gewinnst, / und dich nicht auch darauf besinnst:
“Von wem ist diese Welt gekommen? / Von wem hab ich mein Sein genommen?”
Wenn Ruhm und Reichtum einen binden, / kann man darin nicht Leben finden.
Wo Weisheit nicht das Wissen bindet, / man keine Orientierung findet.
Was das Genannte meist nicht schafft, / das schafft laut Jesus Jüngerschaft.
Der Glaube gibt die Orientierung / für eine gute Lebensführung.

Zum Ruhm sagt er: Lass die Allüren. / Bewusst soll man sein Leben führen,
nicht laut im Fernsehn, sondern leise / sich selber treu auf seine Weise.
Wer nur von außen wird geformt, / wird null-acht-fünfzehn eingenormt.
Doch kann an einem fremden Wesen, / die eigne Sehnsucht nicht genesen.
Beim Reichtum sagt er: Pass mal auf. / Sonst nimmt das Unheil seinen Lauf.
Manch einer kann im Gelde baden / und nimmt an seiner Seele Schaden.
Dass man sich stellt zu seinen Jahren, / dass man im Leben ist erfahren,
das (!) ist des Lebens Kapital, / sonst stürzt man sich in tiefe Qual.

Die Schönheit, sagt er, ist schon wichtig, / doch strahlt die Schönheit nur dann richtig,
wenn es der Seele auch gut geht / und sie nicht vor dem Kollaps steht.
Die Schönheit kommt von innen nur, / wenn man die Seele schickt zur Kur.
Lass sie mal spielen wie ein Kind, / damit sie neue Kraft gewinnt.
Beim Wissen sagt er: Lass Dir raten / und leiten dich in deinen Taten
von Ethik und von der Moral, / sonst sorgt dein Wissen nur für Qual.
Wenn Wissen macht dich überheblich, / dann war die Mühe ganz vergeblich,
die man in dich hat investiert, / weil dein Verstand ist jetzt verführt.

Wo man das Leben kann gestalten, / soll man an Gottes Wort sich halten.
und daran glauben unbeirrt, / dass Gottes Wille sichtbar wird.
Der Glaube hilft dir, zu verstehen, / lässt dich mit deiner Seele sehen.
Man sieht nur mit dem Herzen gut, / was sich und anderen besser tut.
Wenn man sich stellt dem eignen Leben, / dann wird das etwas Gutes geben.
Doch woher kommt die Prägekraft, / die Gutes will und Gutes schafft?
Die Antwort darauf kann nur sein, / dass Gott tritt selber für uns ein
und achtet auf die Menschenseele, / dass sie ihr Dasein nicht verfehle.

Dr. Hansjörg Biener
Neulichtenhofstr. 7
DE-90461 Nürnberg
Hansjoerg.Biener@asamnet.de



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